Erstellt am: 19. 9. 2016 - 13:47 Uhr
Warpaint
FM4 Artist of the Week
Alle auf einen Blick
Man kann Warpaint ruhigen Gewissens als Indie-Royalty bezeichnen. Die vier jungen Frauen aus LA sind gut vernetzt und verwandt in und mit der Kunst- und Kulturszene ihrer Heimatstadt. Und man hat bei der Warpaint-Musik stets das Gefühl, dass sie das so machen, weil sie es so machen wollen und dass sie etwas ganz anderes machen könnten, wenn sie etwas ganz anderes machen wollten im weiten Feld der Arte.
Rough Trade
Das neue Album „Heads Up“ (Rough Trade), das diesen Freitag erscheint, ist erst das dritte in der zwölfjährigen Bandgeschichte. Obwohl die dunkle Grundstimmung der Warpaint-Musik geblieben ist, lichten sich die Wolken in einigen Stücken doch merklich. und man hat die staubigen Sandalen und wallenden Gewänder des 60s-Psychedelic gegen Club-Sneakers und einfache T-Shirts gewechselt, so wie sich das bereits im Stück Disco/Very vom letzten Album „Warpaint“ abgezeichnet hatte.
Christian Lehner
Zum Frage- und Antwortspiel an diesem Sommermorgen in Berlin wurde uns Bassistin und Co-Sängerin Jenny Lee Lindberg zugeteilt, die erst vor Kurzem ihr ausgezeichnetes Solodebüt Right One! veröffentlichte.
Lehner: Es fällt sofort auf: Ihr habt das Tempo in einigen neuen Songs merklich angezogen.
Lindberg: Wir wollten besseres Live-Material zur Verfügung haben. Wie alle vernünftigen Menschen lieben wir Disco und Clubmusik. Wir sind also mit einem ganz bestimmten Vorsatz ins Studio gegangen. Das erste Mal überhaupt.
Besonders deutlich wird das in „New Song“, der ersten Single. Stimmt es, dass ihr das Stück in einer Art bandinternen Wettbewerb geschrieben habt?
Nein, das war eine Auftragsarbeit. Quasi. Also unser Manager hat mir gesagt, ich solle einen aktuellen Dance-Hit aussuchen, mir überlegen, was ich an dem Song gut finde und dann einen eigenen Song schreiben. Und weil ich Daft Punk und Nile Rodgers liebe, habe ich mich für „Get Lucky“ entschieden. Es ging mir dabei aber weniger um den Sound, sondern um das Feeling. Der Song sollte tanzbar sein und die Stimmung heben. Natürlich klingt das Resultat nicht im Entferntesten nach „Get Lucky“, aber darum ging’s ja auch nicht.
Der Manager als Ideenlieferant für eure Musik? Die Indiepolizei würde da sofort das Blaulicht einschalten!
Meine erste Reaktion war auch negativ. So schreibe ich doch keine Songs! Aber die Idee ist bei mir gesickert und ich hab sie dann doch aufgegriffen. Manchmal tut es gut, einen Anstoß von außen zu bekommen. Die anderen haben sich ebenfalls beteiligt und so finden sich Einflüsse von uns allen in diesem Song. Emily (Emily Kokal, Gesang und Gitarre, Anm.) kam zum Beispiel mit der Textzeile des Refrains, die sie seit einigen Jahren mit sich rumschleppte. Was den Manager betrifft: Er ist Ex-Musiker, wir haben ihn selbst engagiert und er gehört zur Family. Es ist also alles cool.
Kann man bei Warpaint von einer „Band’s Band“ sprechen, also von einer Band, die ihr Bandsein sehr ernst nimmt? Trefft ihr alle Entscheidungen gemeinsam?
Ja, das tun wir, und das war von Anfang an so. Emily übernimmt zwar die meisten Gesangsparts, aber wir verstehen uns trotzdem als gleichberechtigtes Kollektiv. Es gibt keine Frontfrau oder jemanden, der die Songs alleine schreibt. Jede einzelne von uns steuert Ideen bei, die dann diskutiert und umgesetzt werden. Das hat sich relativ schnell als Arbeitsprinzip etabliert.
Klingt fast zu gut um wahr zu sein.
Das finden wir auch. Wir wissen, dass wir mit Warpaint etwas ganz Besonderes haben. Natürlich wird bei uns auch um Ideen gekämpft und nicht alles kann umgesetzt werden. Aber in all den Jahren haben sich keine Allianzen gebildet und es hat nie jemand versucht, die Gruppe zu dominieren. Das ist absolut unüblich in Bands. Deshalb haben wir beschlossen, nach der letzten und sehr erschöpfenden Tour trotzdem weiterzumachen.
Das neue Album musste in relativ kurzer Zeit entstehen, weil ihr nur sehr begrenzte Studiozeit zur Verfügung hattet. Wie hat sich das auf eure Minidemokratie ausgewirkt?
Wir haben erstmals nicht alles zusammen in einem Raum geschrieben, sondern kamen bereits mit Fragmenten und Songideen ins Studio. Außerdem haben wir die Entscheidungsprozesse etwas beschleunigt, weil Basisdemokratie auch sehr anstrengend sein kann, wenn du dich bis auf die letzte Note einigen musst. Demokratie heißt auch loslassen können und die Entscheidungen anderer zu akzeptieren. Das funktioniert dann besonders gut, wenn man sich gegenseitig so vertraut, wie wir das tun.
Was unterscheidet euch noch von anderen?
Wir sind Frauen aber keine Frauen-Band. Das ist völlig unerheblich für uns. Wir werden immer danach gefragt. Das nervt. Wir sind sicher Feministinnen, wir sind feminin, wir verstehen uns aber nicht als Frauenband. So einfach ist das.
Ihr habt eine unverwechselbare Sound-Signatur, sehr hell und entrückt, aber gleichzeitig auch ziemlich dark und über einen Abgrund schwebend.
Ja, wir sind uns dessen bewusst, aber die Antwort darauf ist ernüchternd, weil dahinter keine besondere Absicht steckt. Es fühlt sich einfach total gut an, wenn wir das gemeinsam machen und es ist ganz natürlich. Das ist ja so ein bisschen die Magie. Anders funktioniert das auch nicht. Immer wenn wir eine bestimmte Vorstellung von etwas haben, kommt am Ende doch etwas anderes dabei raus.
Wieviel LA steckt in Eurer Musik?
Gar kein LA steckt in unserer Musik! Wir haben unser letztes Album in der Wüste aufgenommen, aber der Sound ist trotzdem gleich geblieben.
Ich frage deshalb, weil unlängst von einem BBC-Kritiker-Pool der Lynch-Film „Mulholland Drive“ zum besten Kinostreifen des laufenden Jahrhunderts gewählt wurde und ich dachte, hmm, eure Musik könnte da durchaus als Score laufen.
Ich glaube zu „Mulholland Drive“ passt ziemlich viel Musik, wie zu David Lynch im Allgemeinen. Aber danke, ich nehme das als Kompliment!
Immer, wenn ich in den letzten Monaten mit US-Musikern gesprochen habe, fühlten die sich regelrecht dazu verpflichtet, irgendwas zu Donald Trump zu sagen.
Er wird’s nicht. Viel mehr Raum sollten wir dem Typen nicht geben.