Erstellt am: 18. 9. 2016 - 19:00 Uhr
EU-Leistungsschutz wird Bumerang für Printverlage
Am Donnerstag fielen zwei für Europa richtungsweisende Entscheidungen, deren Folgen derzeit noch unabsehbar sind. Das für die Digitalisierung des Binnenmarkts zuständige Büro von EU-Kommissar Günther Öttinger veröffentlichte den erwarteten Entwurf für eine Copyright-Richtlinie. Der EuGh wiederum publizierte sein Urteil über die Haftbarkeit von Betreibern freier WLAN-Netze bei sogenannter Piraterie "geistigen Eigentums". Wie sich dieses Urteil konkret auswirkt, werden europaweit erst die jeweiligen Implementationen in nationales Recht entscheiden.
Der EU-Richtlinienentwurf sieht ein "Leistungsschutzrecht" für europäische Verlagshäuser vor, das direkt gegen das Funktionsprinzip des Internets gerichtet ist. Verwerter von Urheberrechten sollen demnach von Google und den anderen Suchmaschinen Geld für Hyperlinks und Textschnipsel erhalten, die auf Inhalte von Printprodukten verweisen. Dieses Unterfangen hat sich bereits 2013 in Deutschland und Spanien als Bumerang für Printverleger erwiesen und ist sang-und klanglos gescheitert. Für die Autorinnen und Autoren der Texte, also die Urheber, ist übrigens nichts von diesen Geldern vorgesehen.
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Bereits 2015 hatte die Printlobby vergeblich versucht, ein Leistungsschutzrecht in den Bericht der EU-Abgeordneten Julia Reda (Grüne) zur Modernisierung des Urheberrechts zu reklamieren. In einem Aufwaschen sollte auch die Panoramafreiheit für Fotografen abgeschafft werden, also das Recht, europäische Sehenswürdigkeiten und Kunstwerke des 20. Jahrhunderts zu fotografieren
Aus Öttingers Ressort kommt zudem der im Entwurf klar ersichtliche Plan, sowohl Betreiber von Sozialen Netzen wie auch Provider von Internetzugängen zum Einbau von Upload-Filtern gegen "Piraterie" zu verpflichten. Auch hier geht es nur um den Handel mit "geistigem Eigentum", nicht um die Urheber desselben.
Das Leistungsschutzfiasko der deutschen Printverleger
Das deutsche Leistungsschutzrecht wurde auf Druck der deutschen Verlegerverbände durch eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes im August 2013 eingeführt. Außer den Verlegern - angeführt von Burda, Springer und der Frankfurter Allgemeinen - gab es keine weiteren Unterstützer. Auch der deutsche Journalistenverband lehnte die Gesetzesänderung 2013 ab, nachdem die Verlage eine Beteiligung der Autoren - also der Urheber von Texten und Überschriften - an den so lukrierten Geldern rundweg abgelehnt hatten.
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Um Google unter Druck zu bringen, starteten Springer & Co 2013 in ihreren Printmedien die größte Desinformationskampagne der jüngeren deutschen Geschichte, an Plumpheit und Unverschämtheit blieb nichts zu wünschen übrig. Daraufhin entfernte Google die Angebote der betreffenden Verleger zwar nicht aus seinem Suchindex, zeigte sie aber in seinem Feed "Google News" nicht mehr an. Die Folge war, dass die Klickraten für die betreffenden Websites dieser Printverlagen ins Bodenlose fielen, in kürzester Zeit gaben die deutschen Verleger klein bei.
Exklusive Gratislizenzen für Quasi-Monopol Google
In Folge erteilten sie Google eine Exklusivlizenz zur unentgeltlichen Anzeige von Titel und Anrissen der Artikel, für alle anderen, nämlich kleinere Suchmaschinen und Dienste deutscher Anbieter galt dies nicht. Damit wurde die Stellung Googles als Quasimonopol für Internetsuchdienste in Deutschland noch gestärkt. In Spanien hatte Google seinen News-Feed nach einem ähnlichen Gesetztesvorstoß einfach abgedreht, was vor allem kleinere Medienanbieter empfindlich traf.
Das alles hinderte EU-Kommissar Günther Öttinger, der fatalerweise für alle digitalen Agenden der europäischen Union zuständig ist, nicht daran, dieselbe Maßnahme, von der man jetzt schon weiß, wie sie ausgehen wird, nun auf die Agenda für ganz Europa zu setzen. Auch für die ebenfalls im Kommissionsentwurf vorgesehenen Upload-Filter gilt, dass sie alle Anbieter treffen werden, außer Google. Im kalifornischen Mountain View ist eine solche Filtersuite nämlich schon längst verfügbar. "ContentID" wurde von Google bereits vor Jahren entwickelt, um neue Youtube-Videos mit den bestehenden Copyrights von Filmstudios etc. abzugleichen.
Damit verfügt Google als einziges bis jetzt bekanntes Unternehmen über eine millionenschwere Technologie, um diese Upload-Bestimmung der Copyrightrichtlinie sofort erfüllen. Europäische Provider von Internetzugängen wären im Falle einer Verabschiedung gezwungen, entweder zweistellige Millionensummen in die Entwicklung ähnlicher Technologien zu investieren, oder bei Google eine Lizenz für ContentID zu erwerben, konstatiert Joe McNamee, der Direktor des Dachverbands European Digital Rights (EDRi) in seiner Analyse.
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Das EuGh-Urteil zu offenen Wlans
Das EuGH-Urteil zur Haftbarkeit von Betreibern offener WLAN-Netze betrifft vor allem Deutschland. Anders als etwa im österreichischen sind im deutschen Rechtssystem sogenannte "Abmahnungen" vorgesehen, die von deutschen Anwaltskanzleien mit zweifelhaftem Leumund jahrelang benutzt wurden, um Betreiber offener WLANs mit dem Einsatz geringster Mittel abzukassieren. Ein einziger Formbrief, der inhaltsgleich an hunderte Betreiber versandt wurde, genügte nach deutschem Recht, um rund 400 Euro pro Anbieter zu lukrieren, die solchermaßen ein mögliches, weitaus teureres Gerichtsverfahren abwenden wollten.
Dieser Art direkter Abzockerei wurde durch das EuGh-Urteil zwar ein Riegel vorgeschoben, vollständige Rechtssicherheit besteht dennoch nicht. Vor allem Firmen können durch das bloße Setzen eines einzelnen Links eine Urheberrechtsverletzung begehen, wenn der Inhalt dieses Links rechtswidrig in die Öffentlichkeit kam. Wenigstens für Unternehmen stellt sich beim Einbinden von Videos und Bildern von YouTube oder Flickr dann die Frage, ob die verlinkten Werke mit Zustimmung der Rechteinhaber ins Netz kame, oder eben nicht.
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Nachsatz zu einer Technologie des 15. Jahrhunderts
Ein Pyrrhussieg bezeichnet einen Gewinner, der aus einem Krieg ähnlich geschwächt hervorgeht wie der Besiegte. König Pyrrhos I. von Epirus soll nach seinem Sieg über die Römer in der Schlacht bei Asculum 279 v. Chr. gesagt haben: "Noch so ein Sieg, und wir sind verloren."
Die mögliche Strafbarkeit von Links ist damit nicht aus der Welt geschafft, eine Bedrohung einer der Grundfunktionen des Internets wenigstens für Firmen bleibt. Für das in der neuen Richtlinie geplante Leistungsschutzrecht für Printverleger gilt weitgehend dasselbe, es wird für massive Rechtsunsicherheit bei europäischen Internetfirmen sorgen. Statt einer Förderung des Digitalen Binnenmarkts durch E-Commerce werden Industrien gefördert, deren Geschäftsmodell darin besteht, mithilfe einer Technologie, die aus dem 15. Jahrhundert stammt, Nachrichten des Vortags auf einem getrockneten und gewalzten Brei aus geschreddertem Holz mithilfe von etwas Leim und Druckerschwärze zu verkaufen.