Erstellt am: 17. 9. 2016 - 14:33 Uhr
Sex in der Stadt
Als erstes erblickt man/frau bei der Ausstellung die Performance-Künstlerin VALIE EXPORT auf einer lebensgroßen schwarz-weiss Fotographie aus dem Jahr 1969. Sie hält ein Gewehr in der Hand, sitzt auf einem Stuhl mit gespreitzten Beinen und im Intimbereich aufgeschnittener Hose.
Valie Export/Wien Museum
Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums und Ideenlieferant zur Ausstellung, warum VALIE EXPORT als Prolog voransteht:" weil dieses Bild die große Frage des Voyeurismus thematisiert. Wir sind uns natürlich bewusst, dass wenn wir eine Ausstellung über Sex und die Geschichte davon machen, dass das natürlich auch ein voyeuristischer Akt ist. Es lädt zum Voyeurismus ein und wir wollten da eine ganz starke Gegenposition präsentieren. Da haben wir VALIE EXPORTs Arbeit "Aktionshose: Genitalpanik" genommen, die diesen voyeuristischen Blick zurückweist und ganz stark bricht."
© Imagno/Austrian Archives
Against all odds...Sex wins!
Wie wurde Sex in Wien seit dem 19. Jahrhundert bis heute ausgelebt? Wie haben sich Menschen von der Unterdrückung von Sexualität befreit? Wie haben Gesellschaft und Politik versucht, sie zu überwachen? Die Ausstellung gibt Antworten mit einer Dichte und Vielzahl verschiedenster Objekte: etwa ein Ölgemälde aus dem Jahr 1903, in dem eine Frau in den Sophiensälen gegen die damalige Konvention aktiv Blickkontakt mit einem Mann aufnimmt. Nina Hagens Masturbation live in der ORF Talksendung Club 2 im Jahr 1979. Der rosa Winkel eines Wiener KZ Häftlings.
© United States Holocaust Memorial Museum Collection, Gift of Wilhelm A. Kroepfl
Das Sextagebuch eines Mannes aus den 1990er Jahren. Eine Strafverfügung aus dem Jahr 2013 gegen eine Sexarbeiterin, weil sie außerhalb der erlaubten Bereiche "durch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit [hat] erkennen lassen, die Prostitution ausüben zu wollen...[indem sie] Blickkontakt zu den vorbeifahrenden KFZ-Lenkern suchte[n]." Lesbische Pornos, die bewusst auch gefeit sein sollen vor einer heterosexuellen männlichen Aneignung. Matti Bunzl hat eine These parat, was uns der Spaziergang durch die "Sexualitäten in der Stadt" jedenfalls verdeutlicht:"dass verschiedene Instanzen wie der Staat, die Wissenschaft, die Kirche immer wieder versucht haben, Sex zu reglementieren und dass die Leute es trotzdem geschafft haben, es zu tun."
Krista Beinstein/Konkursbuch Verlag, aus „Mein heimliches Auge. Das Jahrbuch der Erotik XXVII“ (2012), und „Obszöne Frauen“ (1986)
Das Wien Museum lädt zur öffentlichen Diskussion am 20.9.
Die Ausstellung "Sex in Wien. Lust. Kontrolle. Ungehorsam." des Wien-Museums in Kooperation mit Qwien ist bis 22.1.2017 besuchbar.
Ermutigung zu widerständiger Lust erst ab 18?
Kritik an der Ausstellung äußert die grüne Nationalratsabgeordnete Sigrid Maurer, nämlich, dass für unter 18-Jährige der Eintritt verboten ist:" Ich glaube, dass sich das Wien Museum etwas feig verhält. Pornographie ist in all ihren Facetten im Netz ganz leicht zugänglich. In so einer Ausstellung kann es eingebettet diskutiert werden. Ich hielte es für sehr klug, ganz bewusst Jugendliche dort hinzuschicken."
Gerade in so einer Ausstellung können Normen hinterfragt werden. Museumsdirektor Matti Bunzl kontert, dass er gegen das Jugendschutzgesetz und das Pornographiegesetz verstoßen würde:" Zum Beispiel sadomasochistische Pornographie, das ist keine gewagte Interpretation, dass das unter solche Gesetze fällt. Ich kann die Politik nur dazu einladen, die heutige Zeit neu zu denken. Aber ich kann als Direktor einer öffentlichen Institution nicht einfach die Gesetzeslage ignorieren." Die Diskussion über "Jugendschutz" ist wieder mal eröffnet.