Erstellt am: 20. 9. 2016 - 14:11 Uhr
It's on: Parallel Vienna 2016
Ein Skulptur-Parkour, eine Wunderkammer, eine Gemäldegalerie. Wien ist ohne Frage der geeignete Standpunkt solch ironische Vergleiche bei der Raumbezeichnung einer Kunstmesse auszusuchen. Und das auch, wenn sie grundsätzlich zeitgenössisch orientiert ist.
Lisa Schneider / Radio FM4
Die Parallel Vienna 2016 findet von 21. bis 25. September in der Dominikanerbastei 11, 1010 Wien, statt.
Stefan Bidner, der künstlerische Leiter der Parallel Vienna, hat dabei aber nicht nur über den Ring zu den kaiserlichen Sammlungen hinübergeschielt, auch wenn es mit dem Ursprungsort der Parallel Vienna, dem k. u. k. Telegrafenamt, einen weiteren Bezug zur Monarchie gibt. The Kaiser is in the details!
Die Idee, viele Ideen in einen Raum zu packen, hat die Gestalter gereizt – was aber wichtiger ist, und das ist gleichzeitig der rote Faden auf der heurigen, vier Jahre alten Kunstmesse, ist das Credo: Alt und jung, etabliert und neu, allerdings nicht neben-, sondern im besten Fall, miteinander. Der Fokus liegt auf der österreichischen Kunstszene.
Don't call me names
Einige ausgewählte Highlights des Rahmenprogramms:
- DI, 20. 9., 18.00 "Human Elevator", Performance von GELITIN
- DI, 20. 9., 22.00 Opening Party
- FR, 23. 9., 17.00 ONA B./DIE DAMEN und Parastu – Moderation: Juliane Saupe [Artist Talk, MP]
- SA, 24. 9., 15.00-18.00 122. Aktion Burgtheater Wien, Hermann Nistch [Film Screening, MP]
- SA, 24. 9., 22.00 Closing Party mit Red Bull Music Academy, Matias Aguayo (DE)/Larry Gus LIVE (GR)/ Flo Real (AT)/Joja (AT)/Bjœrnski Beat (AT) [MP]
- SO, 25. 9., 15.00 Auktion
Abgesehen davon hören die Veranstalter den Begriff „Messe“ nicht all zu gern. Galeristen wurden zwar eingeladen, Räume zu bespielen, es gibt aber abseits davon Rauminstallationen, Künstler, die (noch) keiner Galerie verpflichtet sind, Kuratoren aus dem In- und Ausland, die nach freiem Konzept mit den räumlichen Gegebenheiten der Alten Post gearbeitet haben.
Lisa Schneider / Radio FM4
Amer Abbas (Wiener Art Foundation) hat sich zu diesem Thema den erwähnten Skulptur-Parkour überlegt, der es den Besuchern einerseits ermöglicht, die Skulpturen einzeln, so wie auch als Ganzes zu betrachten. Und gleichzeitig kann man die Objekte so anordnen, als würden sie einen Laufsteg entlang spazieren.
Die Parallel Vienna spielt in diesem Sinne nicht nur mit der beinahe zeitgleich verlaufenden Vienna Fashion Week im Wiener Museumsquartier, sondern natürlich auch erneut mit der viennacontemporary. Von Anfang an tituliert die Parallel Vienna klar, dass sie sich „fast parasitär“ an die künstlerisch ähnliche Messe anlehnt, um die Besucherzahlen nach oben zu schrauben.
Die Parallel Vienna ist in Höchstform, in ihrer internationalen Reichweite bald als eine Art Satellitenmesse – und nicht mehr nur als die kleine Schwester – der viennacontemporay zu sehen. Mittlerweile rechnet Stefan Bidner mit 20.000 Besuchern, was einen neuen Höchstwert bedeuten würde. Nicht mehr nur ein neuer In-Tipp in Szenekreisen, obwohl die Shows rund um die Messe sie natürlich nur noch mehr zum hippen Hotspot machen, internationale DJs sind für Pre- und Afterparty eingeladen worden, Hermann Nitsch screent seine Show, es gibt Talks, es gibt Performances. Die Bude wird, ganz sicher, zum Bersten voll sein.
Und das ist gut so.
Alle Infos!
Alles über, zur und rund um die Parallel Vienna 2016 gibt es hier.
Auch die Parallel Vienna verfolgt kommerzielle Zwecke, will verkaufen. Zumindest die ausstellenden Galeristen, die auch den Großteil der Kosten der Messe tragen, wollen das. Die Förderungen der Stadt Wien sind gering, erzählen die Geschäftsführer, für die eingeladenen internationalen Kuratoren gäbe es ein kleines monetäres Entgegenkommen. Die Gastronomie, die die genannten Events rund um die Messe begleitet, ist neben dem auf fünf Euro angesetzten Eintrittspreis die Haupteinnahmequelle – neben einigen wenigen Sponsoren. Eine eingetragene Firma ist die Parallel Vienna mittlerweile, die Hoffnung ist groß, heuer und in den Folgejahren zumindest mit einer schwarzen 0 nachhause zu gehen.
Aber wo war der Pluspunkt für die Jungen, die Unbekannten?
Heute bin ich, kurz nach der Pressepreview, durch das riesige, labyrinthähnliche Gebäude der Alten Post spaziert. Auf meinen Plan, der die 400 nationalen und internationalen Künstlerinnen, zwanzig Galerien, 40 Project spaces, 42 Artist spaces und die Ideen von fünfzehn unabhängigen Kuratoren aufzeigt, verteilt auf drei verschiedenen Stockwerke – habe ich schnell verzichtet.
Fast verloren zwischen den letzten Aufbauarbeiten vor der heutigen Eröffnung bin ich dann ins selbstgebastelte Tonstudio der Klitclique hineingestolpert. Das sind zwei junge Frauen, ein Wiener HipHop-Duo, die schon gemeinsam Musik machen, seit sie sich kennen. Ihr neues Video „Feminist“ ist gerade eben fertig aus dem Schnitt gekommen und stolz zeigen sie es mir auf einem kleinen Beamer. Es ist obszön, laut und roh. Eigentlich genau das, was ich zwischen den Galerieauftritten gesucht habe.
Bei einem Plattenlabel signen wollen die beiden eigentlich nicht. Sie wollen die Kunst, ihre Installationen nicht aufgeben. Lieber wollen sie die Kunst mit ihrer Musik kombinieren, und daraus eben ein komplett neues, spannendes Konzept entwickeln, das so vielleicht (noch) niemand unter Vertrag nimmt.
Das sind die kleinen, die versteckten Schätze, die die Parallel Vienna bietet, auch wenn sich 10.000 Menschen zur Eröffnungsparty durch die Pforten quetschen werden.
Oder, gerade deswegen.