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14. 9. 2016 - 15:48

Die süßen Kleinen auf Facebook

Müssen Eltern ihre Kinder eigentlich fragen, bevor sie das putzige Nackt-in-der-Badewanne-Foto online stellen?

Im Netz kursiert gerade die Geschichte einer 18-jährigen Kärtnerin, die ihre Eltern verklagt, weil die ohne ihr Wissen bzw. gegen ihren Willen Baby- und Kinderfotos von ihr online gestellt haben.

In einer Online-Umfrage von SaferInternet unter 11- bis 17-jährigen geben 65 Prozent an, dass sie sich darüber ärgern, wenn Eltern Bilder von ihnen posten, ohne sie vorab zu fragen. Gerade Volksschulkinder fühlen sich dabei oft machtlos und resignieren.

Marlene Kettinger von SaferInternet war zum Thema "Kinderfotos in Sozialen Netzwerken" heute Gast bei Heinz Reich im FM4 Studio.

Marlene Kettinger im Studio

FM4 / Egger

Heinz Reich: Die Initiative SafeInternet macht Workshops in Schulen zum Thema Netznutzung, richtet sich dabei also an Jugendliche. Ist dabei schon oft das Thema aufgekommen, wie Eltern mit der Privatsphäre von Kindern umgehen? Wenn also zum Beispiel Kinderfotos veröffentlicht werden?

Marlene Kettinger: Das Thema Kinderfotos im Netz beschäftigt uns schon längere Zeit. Wir schulen nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch die Erwachsenen und Lehrende. Da beobachten wir schon ein gewisses Spannungsverhältnis, weil Eltern natürlich immer gerne Fotos von ihrem Nachwuchs posten, sie sind ja auch stolz auf ihre Kinder. Oft ist aber das, was die Eltern als "süß" empfinden - besonders wenn es um kleine Kinder geht - den Kindern recht peinlich. Vor allem wenn sie dann älter werden und die Fotos dann in einem Facebook-Album oder auf Instagram finden. Das ist peinlich und die Kinder möchten das dann auch oft gar nicht.

Stellt man Kinderfotos auf Facebook, dann veröffentlicht man die ja. Das kann den Kindern peinlich sein, birgt ja aber auch noch andere Probleme. Oft hat da ja auch jeder Zugriff - auch Pädophile - oder die Fotos könnten gewerblich genutzt werden. Wovor warnen Sie die Eltern oder die Kinder da?

Unser Tipp an die Eltern ist immer: Zuerst die Kinder fragen. Auch wenn es ein noch so harmloses Foto ist. Auch Kinder haben ein Recht am eigenen Bild. Das ist ein Recht, das im Urheberrechtsgesetz verankert ist und davor Schützt, dass Bilder oder Aufnahmen von einem veröffentlicht werden, die einen bloßstellen oder herabsetzen können. Besonders bei Baby-Fotos, wo das Kind dann nackt zu sehen ist oder am Töpfchen sitzt, ist das durchaus gegeben. Ganz prinzipiell, um auf der sicheren Seite zu sein: Immer das Kind vorher fragen. Auch wenn das Kind erst im Volksschulalter ist oder sogar noch darunter. Wir stellen auch bei unseren Workshops immer wieder fest, dass die Kinder sehr gut wissen, was sie wollen und was ihnen gut tut. Oft besser als ihre Eltern. Nicht immer natürlich, aber das sehen wir immer öfter, dass die Kinder das eigentlich sehr gut einschätzen können.

Gibt es Ihrer Meinung nach da zu wenig Bewusstsein, dass auch Bilder für den Freundeskreis im Web eigentlich eine Öffentlichkeit sind? Wie verlaufen oder verschwimmen denn da die Grenzen?

Wenn man Fotos auf Facebook postet, muss man immer davon ausgehen, dass das öffentlich ist. Das gleiche gilt für Instagram und dergleichen. Auch wenn man Privatsphären-Einstellungen berücksichtigt - was man auf jeden Fall tun sollte! - es kann immer etwas passieren, auch wenn das Album eigentlich nur für enge Freunde oder Familienmitglieder sichtbar ist. Wenn dann zum Beispiel die Tante das Foto des Neffen ganz süß findet und abspeichert und dann selbst wieder in ihr Instagram postet, dann nehmen die Dinge eben ihren Lauf. Man kann das dann oft nur schwer kontrollieren und sagen wo das Bild landet. Und wie ja schon angesprochen, gibt es auch immer die Gefahr, dass Menschen, die es vielleicht nicht allzu gut mit dem Kind meinen, das Foto in die Hände bekommen und dann weiß Gott was damit machen.

Zum gerade kursierenden Fall der Kärtnerin die ihre Eltern verklagen will: Gibt es da in Österreich schon ähnliche Fälle?

Den konkreten Fall kennen wir noch nicht, es ist aber in jedem Fall der erste dieser Art in Österreich und wir sind selbst schon gespannt wie das ausgeht. Dieses Gerichtsurteil dann in jedem Fall ein bisschen richtungweisend sein.

Wie ist da in Österreich eigentlich die Rechtslage? In Frankreich drohen da beispielsweise sehr hohe Strafen, bis zu 45.000 Euro oder ein Jahr Haft.

In Österreich kann man sein Recht am eigenen Bild geltend machen, das kann man auch gerichtlich einklagen. Wenn also zum Beispiel Fotos oder Videoaufnahmen, die einen bloßstellen oder herabsetzen, im Internet veröffentlicht wurden. Da geht es nicht darum, dass ich mich auf einem Foto nicht so hübsch finde, sondern wirklich um bloßstellende Bilder. Man könnte auch nach dem Datenschutzgesetz vorgehen. Ob jetzt in einem Fall zwischen Eltern und Kindern der Gerichtsweg immer der beste ist, das sei einmal dahingestellt. Wir raten dazu eher nicht. Wir raten dazu, schon im Vorfeld miteinander zu reden, und vor allem, dass die Eltern ihre Kinder ernst nehmen, wenn die sagen: 'Mama, Papa, ich möchte das nicht'.

Man soll also grundsätzlich immer seine Kinder fragen. Aber wie ist das von der juristischen Seite her? Wenn ich mein 9-jähriges Kind frage, ob es damit einverstanden ist, wenn ich ein Foto auf Facebook poste, hat so eine Erlaubnis eines 9-jährigen überhaupt eine juristische Relevanz?

Eltern irren, wenn sie glauben, sie haben das Recht, beliebig Fotos von ihren Kindern zu posten. Dem ist nicht so. Sie können sich zuhause ein privates Familien-Album anlegen, aber im Fall von Facebook geht es wirklich um eine Veröffentlichung, und da ist dieses Recht am eigenen Bild - das auch schon Kinder haben - ausschlaggebend. Eine 9-jährige kann jetzt noch nicht klagen, aber wie man sieht holt einen das später ein. Wir raten also dazu, es gar nicht soweit kommen zu lassen und wirklich auf das Kind einzugehen. Eltern meinen das oft gut, jeder Elternteil will nur das Beste für sein Kind, aber wie wir wissen, ist 'gut gemeint' eben oft 'nicht gut'. Und deshalb raten wir eben sehr dazu, dass Eltern die Wünsche ihrer Kinder hier berücksichtigen und auch gemeinsam darüber sprechen: Welches Bild ist okay? Was will das Kind nicht? Jedes Kind empfindet ja auch anders. Und prinzipiell ist auch wichtig: Kinder empfinden andere Dinge als peinlich als wir Erwachsenen.