Erstellt am: 15. 9. 2016 - 06:00 Uhr
Print's not dead!
Seit einer Woche besuche ich wieder die Uni, und zwar das Asian College of Journalism in Chennai. Gerade bin ich als Fellow drei Monate in Indien, um das Land besser zu verstehen. An den lärmenden Verkehr (mehr dazu später) und das heiß-feuchte Klima werde ich mich gewöhnen. Einsichten erwarte ich mir bei Themen, die Indien beschäftigen und formen: das Kastensystem, der Zusammenhang von Klimawandel und Flutkatastrophen und auch das indische Medienrecht.
FM4 / Irmi Wutscher
Ich bin als Teil des Medienbotschafter_innen-Programms der Robert-Bosch-Stiftung für 3 Monate in Indien. Im ersten Monat in Chennai, am ACJ. Dann für 2 Monate in Mumbai, um bei der Tageszeitung The Hindu mitzuarbeiten.
Außer uns Austauschstudent_innen sind hier am ACJ 302 indische Studierende, die in einem Jahr zu den zukünftigen Top-Journalist_innen Indiens ausgebildet werden. Seit Juli sind sie hier und bis nächsten August geht die Ausbildung. Das ACJ ist eine Eliteuni. Die Studierenden bezahlen so viel, wie man für ein englisches College bezahlen würde. Das bedeutet, diejenigen, die hier in die Schule gehen, gehören zum obersten Prozent der indischen Bevölkerung. Immerhin werden per Quote auch 12 Dalits aufgenommen.
Riesiger Medienmarkt
Indien ist ein riesiger Medienmarkt. Laut India Readership Survey 2014 lesen 302 Millionen Menschen zumindest eine Tageszeitung, 621 Millionen Menschen sehen fern und 99 Millionen hören Radio. Und entgegen dem globalen Trend (vor allem im sogenannten Westen) steigt die Leserschaft von Printprodukten in Indien. Der steigende Printabsatz liegt vor allem daran, dass sowohl allgemeiner Wohlstand und Alphabetisierungsrate steigen. Allein von den Leser_innen-Zahlen ist die Times of India, die größte englischsprachige Zeitung Indiens, auch die größte englischsprachige Zeitung der Welt.
Dass Radio so weit abgeschlagen ist, liegt vor allem daran, dass Nachrichten nur im staatlichen Radio erlaubt sind, Privatradios sind nur für Musik und Unterhaltung da. Auch das Fernsehen bringt, wenn es nach dem etablierten Journalisten und Publizisten N Ram geht, reine Unterhaltung.
Pressefreiheit
Die NGO Freedom House hat die indische Pressefreiheit als partly free eingestuft. Im Ranking von Reporters Without Borders hat Indien 2016 Rang 133 von 180 Ländern belegt (Österreich liegt auf Platz 11). Als ausländische Journalistin ein Visum für Indien zu bekommen ist schwierig, zeitintensiv und benötigt Einladungen und Empfehlungsschreiben. Abgesehen davon kostet es wesentlich mehr als das Standard-Tourist_innen-Visum und nach den drei Monaten hier darf ich anschließend die nächsten sechs Monate nicht mehr nach Indien einreisen.
Saurya, der hier am ACJ im Print-Zweig studiert, stellt die Situation der Pressefreiheit in Indien differenziert dar: „We are supposed to have a free press, we don't have any laws that particularly pertain to the press. Any law that applies to any citizen applies to the press as well. But we still have various agents, state and none-state agents, which try to suppress what you are publishing, what you are writing. You will find plenty of examples of this in the recent past.“
FM4 / Irmi Wutscher
Zensur kommt in Indien nicht immer unbedingt von ganz oben, sondern oft aus den Communities selbst. Neben den Gesetzen gegen Volksverhetzung („sedition“) und Verleumdung („defamation“) gibt es hier z.B. ein Gesetz gegen Blasphemie, das die Beleidigung religiöser Gefühle verbietet und das gerne zu verschiedenen Zwecken der Zensur verwendet wird. Mehrere Vortragende erklären uns, dass Magazincover, die mit den „Gefahren des Islam“ titeln, wie dies bei Spiegel und Profil im letzten Jahr der Fall war, in Indien nicht möglich wären.
Journalistische Ziele
Mein journalistisches Ziel ist es, nach diesen drei Monaten Indien besser zu verstehen und ein paar gute Geschichten gefunden zu haben. Meine indischen Studienkolleg_innen haben naturgemäß andere Ziele. Alind, die Fernsehjournalismus studiert möchte gerne Dokumentationen über Konflikte machen und die Seiten vertreten, über die nicht gesprochen wird, „but I don't know how to go about it to be very honest“. Der Printjournalist Saurya hingegen hat seine Ziele schon relativiert:
FM4 / Irmi Wutscher
„I have always dreamed about becoming a sports writer for the guardian. But that is going to be different, they don't want people from outside. I also wanted to become a Writer for the New York Times, but they also don't want people from outside. I am only going to end up working somewhere in India. But that is alright, I am not that ambitious. Anything will do as long as it pays me well and I live in a decent city.“
Also auch nicht groß anders als in Europa.