Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Artist Of The Week: Angel Olsen"

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

12. 9. 2016 - 05:55

Artist Of The Week: Angel Olsen

Die US-Musikerin Angel Olsen ist der FM4 Artist Of The Week. Angel nennt ihr neues Album „My Woman“. Über Feminismus möchte sie dennoch nicht weit ausholen.

Angel Olsen wuchs im Mittleren Westen der USA auf, genau in St. Louis im Bundesstaat Missouri. Ihre Eltern dort sind nicht ihre leiblichen, sondern ihre Adoptiveltern. Sie ermöglichten ihrer Tochter so manches, etwa eine Privatschule, aber auch das Kennenlernen ganz unterschiedlicher Musikstile, darunter Musik aus den 50er Jahren. Angel Olsen lernte Klavier, aber auch Gitarre, und sogar einen Synthesizer gab es, mit dem Angel herumspielte. Auf Kassetten nahm Angel selbstkomponierte Musik auf. Als Kind hatte sie ein kleines Yamaha Keyboard, das sie selbst ins Bad mitnahm, zusammen mit dem geliebten Kassettenrekorder.

Albumcover 2016 Angel Olsen My Woman - Frau USA - Rüschenbluse gestreift, weißer TRenchcoat, dunkle Haare

Jagjaguwar

Angel Olsen - "My Woman"

Etwas später sang Angel Olsen in einer Band. Punk und Punkrock war der Stil ihrer Band, als sie noch zur Schule ging. "Ich wollte ein wenig wie Gwen Stefani von No Doubt sein", lacht Angel Olsen heute über ihre Anfänge. Dabei ist ihre klare Stimme und manchmal auch ihre Art zu singen der amerikanischen Countrymusik näher, dem 'echten', ursprünglichen Country, nicht dem Countrypop von Nashville.

Mit ihrer gern ins leicht Lärmige gehenden Gitarre erinnert Angel Olsen dann insgesamt manchmal an die große Zeit des US-Indierock der frühen 1990er Jahre, als nach dem großen Erfolg von Nirvana unzählige grungige Bands die Bühne betraten, darunter auch einige, in der Frauen sangen und spielten. Das Thema Frau und Feminismus möchte Angel Olsen dann aber in Interviews nicht 'breittreten', auch wenn ihr neues Album "My Woman" heißt. Es geht um den "complicated mess of being a woman", meint Angel Olsen nur. Im Titelsong von ihrem neuen Longplayer singt sie "I dare you to understand what makes me a woman".

Durch den Sturm

"My Woman" ist das bisher dritte Album von Angel Olsen, die heute in Asheville, North Carolina lebt, einem Bundesstaat, der an der Atlantikküste liegt, aber nicht nördlich von New York, sondern südlich. Und eine gewisse 'Southernness', ein Südstaaten-Vibe liegt auch auf "My Woman" in der Luft, auch wenn Angel Olsen den Synthesizer auspackt und mit dem Pop-Producer Justin Raisen zusammenarbeitet. Den Song "Intern" zum Beispiel dominieren Synthies, und im Text heißt es: "I don't care what the papers say, it's just another intern with a resumé, I am going to fall in love with you someday."

Es war Justin Raisen, der Angel Olsen gebeten hatte, ob er nicht vielleicht mit ihr ins Aufnahmestudio gehen könnte. Angel Olsen stellte gleich klar, dass sie die Songs selbst schreiben und nicht er das übernehmen würde, wie er es von Stars wie Charli XCX oder Sky Ferreira kennt, mit denen Justin Raisen ja zusammengearbeitet hat. Auch Lana del Rey und Santigold waren schon im Studio mit Justin. Aber Justin Raisen verwunderte das ohnehin nicht, dass sie ihn nicht als Songwriter brauchte, er war schließlich 'Fan' von Angel Olsen und kannte ihre Songs gut. Also stand nichts im Wege, und Angel Olsen und Justin Raisen begaben sich in das legendäre Vox Studio in Los Angeles, wo Angel Olsen samt Band "My Woman" live einspielte.

Albumcover 2014 Burn Your Fire For No Witness von Angel OLsen USA schwarze SChrift auf weißem UNtergrund, abstrakte Figuren liegen auf orangem UNtergrund

Jagjaguwar

Angel Olsen - "Burn Your Fire For No Witness"

"Schließlich wollen wir die Songs auch auf Bühnen bringen", meint Angel Olsen im FM4 Interview, "da schadet es nicht, wenn wir das auch gleich bei den Aufnahmen im Studio live machen". Überhaupt ist der Live-Aspekt für Angel Olsen sehr wichtig: "Heute, wo viele Musiker und Musikerinnen nicht viele Alben verkaufen, da braucht es Konzerte umso mehr." Außerdem macht das Spielen vor Publikum Angel Olsen viel Freude, und ein Live-Gitarrensolo ist eben nicht zu schlagen; das genauso im Aufnahmestudio live hinzubekommen, ist eine Herausforderung, die sich auszahlt.

Angel Olsen veröffentlichte vor zwei Jahren das Album "Burn Your Fire For No Witness", mit dem ihr der Durchbruch im großen Feld der Alternative Music gelang. Angel hatte das Album zusammen mit John Congleton gemacht, dem texanischen Tonstudiobetreiber und Produzenten, der auch selbst Musik macht – mit der Band The Paperchase, dafür aber nicht mehr wirklich Zeit hat, schließlich stehen Namen wie St. Vincent auf seiner 'KlientInnen'-Liste.

"Burn Your Fire For No Witness" war ein melancholisches Indierock-Album mit Songs wie "Forgiven/Forgotten", die aber ganz große kleine Perlen waren. Heute meint Angel Olsen über das Album, das sie einem größeren Publikum bekannt gemacht hatte, dass es "dark and fucked up" war.

Angel Olsen: "I became a magnet for 'weirdos'. But how do I wrap my mind around connecting with people who are that lost? I myself am lost. I don't want the responsibility of being the answer."

Das neue Album ist darauf also auch gewissermaßen eine Antwort. Angel Olsen will nicht dauer-traurig sein, auch wenn es nach wie vor das eine oder andere elegische Stück über die Liebe und die Isolation gibt, samt magischem Touch à la Fleetwood Mac, etwa den geheimnisvollen Song "Sister", in dem Angel Olsen singt: "She came together like a dream that I didn't know I had from the sleeping life I lead."

Angel Olsen: "I'm not afraid of being too hipster, because it's not really about being a hipster, but appreciating a good record, a good piece of music."

Ihr allererstes Album, ein Minialbum, veröffentlichte Angel Olsen auf Kassette. Angel war inzwischen von St. Louis nach Chicago gezogen. Die Kassette landete schließlich bei Will Oldham, und Angel wurde Backgroundsängerin für Will 'Bonnie Prince Billy' Oldham. Aus dem Folk-Mädchen Angel Olsen – "Ich habe nie wirklich Joni Mitchell gehört", meint Angel Olsen – ist eine Rock'n'Rollerin geworden. Our Woman Angel, mit Songs wie "Heart-shaped Face", das ganz toll an The Velvet Underground erinnert. "My Woman" von Angel Olsen ist eine smarte, warmherzige Platte, die die vielen Facetten der Angel Olsen zeigt, etwa den Dylan-Fan mit dem Song "Changes", samt der Dylan zuwinkenden Textzeile "It's all over baby blue, I'm still yours."

Noch ein paar Facts

Wenn du Angel Olsen magst, gefallen dir vielleicht Cat Power, Sharon Van Etten oder auch PJ Harvey.

Angel Olsen ist ein großer Film-Fan und führte bei den Videos zu ihren neuen Songs "Intern" und "Shut Up Kiss Me" Regie.

"My Woman" von Angel Olsen ist beim US-Plattenlabel Jagjaguwar erschienen, wo auch Bands wie The Besnard Lakes oder Black Mountain veröffentlichen.

Der Schriftsteller Thomas Wolfe ist in Asheville, North Carolina begraben. Wolfe, der Ende der 30er Jahre gestorben ist, hat große amerikanische Literatur verfasst, wie etwa "Es führt kein Weg zurück" - "There's No Way Back" - oder seinen einzigen Roman "Schau heimwärts, Engel" - "Look Homewards, Angel". Vielleicht ist Angel Olsen ja gerade deshalb an diesem Ort gelandet.