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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

7. 9. 2016 - 17:24

Zarte Kurskorrektur

Statt basslastiger Versenkung setzt salute auf seiner neuen "My Heart"-EP auf die helle Klangtapete seiner Kindheit, also Gospel, Indie, Hip Hop und Jazz. Ein Gespräch über Musik, Taxifahrten und den Brexit.

Wenn es um talentierten, heimischen Produzenten-Nachwuchs geht, fällt verlässlich sein Name: Felix Nyajo, besser bekannt als salute. Der 20-jährige Wiener lebt mittlerweile in Manchester und hat vor kurzem eine neue EP namens "My Heart" veröffentlicht. Darauf überrascht er mit unbekannter Vielseitigkeit, denn bisher war der Kompass seiner basslastigen Flotte eindeutig Richtung Club und maximaler Versenkung ausgerichtet.

Salute

Kristian Davidek

Jetzt unternimmt er eine zarte, äußerst gefühlvolle Kurskorrektur und streift vermehrt an Hip Hop und R'n'B, aber auch Gospel, Jazz und House. Der Horizont wird breiter, heller. Verschiedene Kollaborationen sowie ein verstärkter Fokus auf Songwriting machen die EP radiotauglicher und zugänglicher als seine erste "Gold Rush"-EP. Warum?

salute: Ich hab versucht, mich nicht auf einen Sound zu konzentrieren, sondern alle Einflüsse, die sich bisher auf mich ausgewirkt haben – also Gospel, Drum'n'Bass, Hip Hop, Trap und alles Mögliche, was mir gefällt, aufzuschreiben. Deswegen heißt die EP auch "My Heart", denn die EP hat einen riesen Bezug auf meine Kindheit und mit welcher Musik ich groß geworden bin.

Fokus auf Songwriting

War es dir ein großes Anliegen, dass deine Musik nun nicht mehr nur im Club funktioniert?

salute: Das war nicht meine Absicht, es ist einfach so passiert. Ich hab mich einfach mehr mit dem Songwriting auseinander gesetzt und auch Texte geschrieben, was ich ja bis jetzt noch gar nicht gemacht habe. Dadurch ist die Musik auch ein bisschen radiotauglicher geworden, würde ich sagen. Aber ja, es wird mir schon immer wichtiger, dass man meine Musik nicht nur im Club hören kann. Ich will alle Leute erreichen können, Leute, die nicht ausgehen, Leute, die gerne im Bett Musik hören und chillen. Mir ist wichtig, dass meine Musik für jede/n irgendwie zugänglich ist.

Stichwort Songwriting: Es gibt ja auch wieder einige Kollaborationen auf der EP. Sind die Texte dann in gemeinsamer Arbeit entstanden oder hast du sie alleine geschrieben?

salute: Das ist so 80:20. Natürlich soll der Sänger, die Sängerin auch einen Input geben, weil es für sie ja auch persönlich wirken soll. Ich hab also nicht alles gemacht, aber einen Großteil hatte ich im Vorhinein schon fertig.

Salute

Sebastian König

Kollaborationen

Sprechen wir über deine Kollegen und Kolleginnen auf der EP. Wie bist du denn zu den Leuten gekommen? Kannst du sie uns etwas näher vorstellen?

salute: Ich hab sie eigentlich alle im Internet kennen gelernt. D.R.A.M. hab ich auf Twitter kennengelernt, weil er meine Musik gemocht hat und ich seine natürlich auch. Er hat ja letztes Jahr diese riesen Single rausgebracht Cha Cha, die einfach jedem getaugt hat. Die habe ich die ganze Zeit hier im Club gehört. Mit ihm war es ziemlich chillig, weil er so ein offener Mensch ist, eine irrsinnig gute Stimme hat und auch wirklich gut schreiben kann. Der Zweite war KAMAU, ein Sänger aus Brooklyn. Er ist extrem talentiert, seine Stimme erinnert mich an Chance The Rapper oder an Andre3000. Bei ihm ist es eine schöne Mischung aus Rap und Gesang, weil er eben beides kann. Der Nächste ist Yami, der ist aus London. Wir haben "Yours & Mine" innerhalb von zweieinhalb Stunden geschrieben. Es ging also mega schnell. Er schreibt auch ganz viele Lieder für Leute auf Polydor, dem Label, wo zum Beispiel James Blake und Jesse Ware veröffentlichen. Also hab ich von ihm ziemlich viel lernen können. "Storm" hab ich mit Cleo Tighe geschrieben. Sie hat letztes Jahr mit mir und einem anderen Freund "Diamond" geschrieben. Der Letzte ist Krrum, der ist auch auf meinem Label 37 Adventures.

"Ich brauch nicht mehr als Laptop und Kopfhörer"

Wie produzierst du? Bist du der klassische Bedroom-Producer? Wie entstehen deine Tracks?

salute: Die meisten Tracks entstehen bei mir im Bett. Ich sitze oder liege mit Kopfhörern und einem Keyboard auf meinem Bett und schreibe meistens mitten in der Nacht. Sobald sich der Track so gut entwickelt, dass ich damit was anfangen könnte, gehe ich in ein Studio. Aber meistens verwende ich gar kein Studio, sondern mache alles im Schlafzimmer fertig. Mehr brauche ich auch eigentlich nicht. Das liegt auch daran, dass ich mit 14 zu Produzieren begonnen hab und da hatte ich einfach nicht die Chance, in ein Studio zu gehen. Ich hatte nicht einmal Lautsprecher zu Hause. Deshalb hab ich wirklich alles mit meinen Kopfhörern und meinem Laptop gemacht und das hat sich nach fünf, sechs Jahren nicht geändert. Ich brauch eigentlich nicht mehr. Aber ja, mit den Sängern und Sängerinnen bin ich dann schon im Studio, die lade ich nicht zu mir nach Hause ein.

Der Test im Taxi

Im Clash-Magazine hab ich gelesen, dass du deine Tracks gerne deinen Taxifahrern vorspielst. Stimmt das? Wie kann man sich das vorstellen?

salute: Man kann ja um ein AUX-Kabel bitten und da steck ich dann manchmal mein Handy an und spiele instrumentale oder neue Sachen, weil ich wissen will, wie sie sich in einem Auto anhören. Dann reagieren die Taxifahrer manchmal darauf und das taugt mir, denn das sind Leute, die mich überhaupt nicht kennen und auch komplett ehrlich sind, denn sie müssen mir ja kein Feedback geben, ich bitte sie ja nicht darum. Einer hat einmal voll zum Mitwippen begonnen während dem Fahren und er hat mich gefragt, was das ist. Ich hab ihm dann gesagt, dass das von mir ist und er war dann völlig beeindruckt, weil er sonst keine elektronische Musik mag und ihm das dann doch gefallen hat.

Würdest du das auch in einem Taxi in Österreich probieren?

salute: (lacht) Ich glaube, in Österreich trau ich mich nicht. In Österreich sind die Leute viel ehrlicher auf eine negative Art und Weise.

Salute am Urban Art Forms

Florian Wörgötter/FM4

Vorbilder und Inspiration

Gab es für die "My Heart"-EP musikalische Vorbilder oder Nummern, die dich inspiriert haben?

salute: Wenn ich ganz spezifisch bin, der Track "Forever" mit Kamau. Da wurde ich ziemlich von Camo&Krooked beeinflusst. Das sind meine Idole eigentlich. Auf ihrem letzten Album "Zeitgeist" gibt es die Nummer "Ruhepuls" und da hab ich ziemlich auf die Entwicklung und die Elemente des Songs gehört. Und in der Nacht, in der ich diese Nummer studiert habe, hab ich dann die erste Instrumental-Version von "Forever" gemacht. "One More Chance" war eigentlich nur eine Klaviernummer, die ich vor Ewigkeiten geschrieben habe. Da hab ich halt mega viel Gospel gehört, denn ich bin mit Gospel aufgewachsen. Am Anfang war die Nummer noch ganz ruhig, später ist es dann eine housige Nummer geworden. Bei "Yours & Mine" hab ich ganz viel Bloc Party gehört. Mit 13, 14 hab ich eigentlich nur Bloc Party gehört, deswegen ist da auch eine Gitarre dazu gekommen.

Was ist dein persönlicher Lieblingstrack auf der EP? Auf welche Nummer bist du besonders stolz?

salute: Wahrscheinlich "Forever". Sie klingt einfach so anders. Ich hab noch nie etwas in dieser Richtung gemacht, mit dieser Geschwindigkeit und dem Groove. Ich kann ja auch keine Musik lesen, sondern mach das alles dem Gehör nach. Und dafür, dass ich kein Jazz-Musiker bin, sind die Akkorde eigentlich ziemlich gut geworden. Und KAMAU hat den Track dann noch eintausendmal besser gemacht.

Warum kein Album?

Die EP umfasst sieben Nummern, da ist ja das Albumformat schon in greifbarer Nähe. Warum hast du also nicht gleich einen Longplayer gemacht?

salute: Das liegt an meinem Vertrag, laut dem ich noch nicht dazu gebunden bin, jetzt schon ein Album zu schreiben. In meiner Entwicklung als Künstler war jetzt noch kein Album vorgesehen, das kommt erst nächstes Jahr. Die EP hätte auch nur vier Tracks haben sollen. Aber dann hab ich meinem Label gesagt, dass ich mich mit vier Tracks nicht so gut ausdrücken kann. Für die EP hab ich insgesamt 15 Tracks geschrieben. Sieben habens geschafft, die anderen acht werden nochmal neu produziert und kommen dann wahrscheinlich aufs Album, das dann wieder länger wird. Ich wollte einfach ein größeres Projekt, auch wegen der Live-Show mit meiner Band, wo es einfach wichtig ist, dass ich viel Material habe.

Live am 20. Oktober im Chelsea Wien

Am 20. Oktober kommst du mit deiner Band auch ins Chelsea Wien. Was wird man sich denn da live erwarten können?

salute: Ich spiel Klavier, auf Drumpads, mit Mikrophon und so weiter. Man sieht ziemlich viel, also ich hau ziemlich herum. Dann gibt’s noch einen Schlagzeuger und einen Typen, der Bass und Keyboard spielt

In dem "Storm"-Video tanzt eine classy Lady in einem Union-Jack-Kleid und feiert – so meine Vermutung - die Vielfalt des Vereinten Königreichs. War der Brexit für dieses Video ausschlaggebend?

salute: Nein, die Video-Idee ist lustigerweise vor dem Brexit entstanden. Wir haben gar nicht daran gedacht, dass Brexit tatsächlich passieren könnte. Das war dann ein richtiger Schock. Wir haben einfach gedacht, dass eine schwarze, nigerianische Frau, die in einem Union-Jack-Dress herumspringt, ungewöhnlich ist und so ein Video die Leute von Anfang bis Ende schauen würden, mit dem ganzen kitschigen Siebziger-Jahre-Zeug im Hintergrund. Wir wollten auch ein Video machen, das nicht so ernst ist. Viele Musikvideos im elektronischen Bereich sind ja mega deep und artsy und dem wollten wir aus dem Weg gehen, denn ich als Mensch bin gechillt und lustig drauf. Das wollten wir auch wiederspiegeln und deshalb sitze ich im Hintergrund im Anzug und spiele Gameboy.

Brexit - Quo Vadis?

Wie beeinflusst dich der Brexit? Kannst du das schon irgendwie einschätzen, wie dich dass als Österreicher in England betreffen wird?

salute: Mit dem Visum wird das dann zach. Jährlich sind das dann mehrere tausend Pfund, die ich dafür ausgeben muss. Mit der Band wird es auch zach. Wenn wir dann nach Europa wollen, müssen sie dann lauter Formulare ausfüllen, weil sie dann in der EU Geld verdienen. Das Touren wird dann halt um einiges teurer. Man kann es sich jetzt schon kaum leisten, mit einer Live-Band auf Tour zu gehen. Aber wenn Großbritannien nicht mehr in der EU ist, wird das noch schwieriger. Auch der Musiktourismus ist in England eine große Sache und wenn dann die Leute noch mehr Geld ausgeben müssen, um herzukommen, turnt sie das auch ab und das ist schade, weil London halt für mich die beste Stadt in ganz Europa ist, was die Musik und die Kultur betrifft, weil hier einfach so viele verschiedene Leute in einem Topf leben. Das ist alles so Schade. Mehr kann ich dazu nicht sagen.