Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Tuesday Edition, 06-09-16. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 9. 2016 - 14:21

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 06-09-16.

Aus einer Position der Stärke. Eine optimistische Einschätzung des WM-Quali-Auftakts des ÖFB-Teams in Georgien.

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Der ÖFB-Kader für das Georgien-Spiel:

Tor: Robert Almer (Austria), Ramazan Özcan (Bayer Leverkusen/D), Andreas Lukse (Altach). Auf Abruf: Heinz Lindner (Eintracht Frankfurt/D).

Abwehr: Florian Klein (VfB Stuttgart/D), Aleksandar Dragovic (Leverkusen/D), Sebastian Prödl (Watford/ ENG), Kevin Wimmer (Tottenham/ENG),
Martin Hinteregger (Augsburg/D), Markus Suttner (Ingolstadt/D), Stefan Stangl (RB Salzburg). Auf Abruf: Andreas Lienhart (Altach), Michael Madl (Fulham/ ENG), Stefan Lainer, Andreas Ulmer (RB Salzburg). György Garics, aktuell verletzt, hat Darmstadt nach seiner Nominierung verlassen.

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D), Alessandro Schöpf (Schalke/D), Zlatko Junuzovic (Werder Bremen/D), Valentino Lazaro (RB Salzburg), Marko Arnautovic (Stoke/ENG), Martin Harnik (Hannover/D), Louis Schaub (Rapid). Auf Abruf: Stefan Schwab (Rapid), Guido Burgstaller (Nürnberg/D), Jakob Jantscher (Caykur Rizespor/TUR), Florian Kainz (Werder Bremen/D).

Angriff: Marc Janko (Basel/SUI), Lukas Hinterseer (Ingolstadt/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D). Auf Abruf: Rubin Okotie (Beijing EG/CHN), Karim Onisiwo (Mainz/D), Deni Alar (Sturm).

Auf Abruf und bei der U21: Daniel Bachmann (Stoke/ENG), Philipp Lienhart (Real Madrid/ESP) und Florian Grillitsch (Werder Bremen/D). Die U21 spielt heute Abend ein Quali-Spiel in Russland, mehr dazu morgen

Rücktritt: Christian Fuchs (Leicester City/ENG).
Am Altenteil: Michael Gspurning, Emanuel Pogatetz (Union Berlin/D), Andreas Ivanschitz (Seattle Sounders/USA), Christoph Leitgeb (RB Salzburg), wohl auch Veli Kavlak (Besiktas/TUR) und Alexander Manninger (Liverpool/ENG). Verletzt ist Philipp Schobesberger (Rapid).

Die interessante und relevante Veränderung des Auftritts der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft fand nicht so sehr auf dem Platz in/gegen Georgien statt (da zeigte das Team die bereits bekannten Gesichter, präsentierte sich als kühler Verwerter der individuellen Überlegenheit auf Basis höherer Klasse, sowie als leicht aus dem Tritt zu kriegender, sofort in Unsicherheit kippender Geselle ohne Meisterreife), sondern im Nachlauf. Denn im Gegensatz zu früher, wo die Sofort-Analysen entweder überdrehte Demut oder gar trutzige Ausblendung der Realität brachten, sich in jedem Fall defensiv einordnen ließe, vermochten Spieler und Coach das eben abgelaufene Match sofort richtig einzuordnen und vor allem in seiner Wirkung auch anzunehmen. Deshalb hab' ich auch bis jetzt, zur finalen Einschätzungs-Pressekonferenz des Teamchefs gewartet: um abzuchecken, ob es dabei bleibt, oder nicht doch noch ein Ausflug ins Land der Träume folgt.

Für eine Mannschaft (samt Coaching-Team), die sich in der Vergangenheit, vor allem vor und bei der Euro, durch die falsche Aussicht, der man so auf einer virtuellen Wohlfühlwolke ausgesetzt ist, ordentlich abtäuschen hat lassen, ist das ein ordentlicher Schritt. Er bedeutet nämlich, dass ein Einklang zwischen Wirklichkeit und Schnell-Einschätzung, also eine dringend nötige Augenhöhe gegeben ist. Das erst macht eine gute Mannschaft (und im europäischen Vergleich ist das Potential des ÖFB-Teams ein gutes) zu einer sehr guten (zumindest potentiell, optional). Um beim überlebensgroßen (unerreichbaren) Vorbild Deutschland zu bleiben: auch dort ist diese Balance entscheidend. Selbst beim Weltmeister ist der Begriff der Demut zwar dauerpräsent, dominiert aber nicht den Blickwinkel; man versucht so realistisch wie möglich mit den eigenen Leistungen umzugehen.

Österreich Georgien

APA/ROBERT JAEGER

So ein Zugang kann nur aus einer Position der Stärke kommen. Und dass diese just nach dem bis dato schlimmsten Schlag in der Ära Koller zustande kommt (oder zustande zu kommen scheint), ist bemerkenswert und vor allem wichtig. Eine Position der Stärke entwickelt sich durch eine genaue Selbsteinschätzung, benötigt strategisches Denken, auch in emotionalen Situationen. Dass diese Reflexionsfähigkeit jetzt immerhin schon direkt nach dem Spiel auftaucht, lässt darauf hoffen, dass sie auch innerhalb des Matches existiert und vielleicht dort sogar Umsetzung findet.

Dabei ist das Team nur so stark wie die schwächsten Glieder. Und das betrifft nicht so sehr die auch gestern wieder offen zu Tage getretenen Schwächen auf den defensiven Außenpositionen (Klein und Suttner können ihre Stärken/Schwächen und die Lage innerhalb des Matches wahrscheinlich ganz gut einschätzen), sondern bei jenen, deren (Selbst- und Spiel-)Wahrnehmung sich am weitesten von der Realität entfernt. Zum Beispiel bei Akteuren wie Dragovic oder Hinteregger, wo die Arbeit, die Marko Arnautovic etwa bereits erledigt hat, womöglich erst im Gange ist.

Erst dann ist die Mannschaft, die von Koller außerhalb der Halbzeit-Pause kein wirklich effektives In-Game-Coaching erfahren wird (kann er nicht, macht er nicht) dazu in der Lage, sich selber so zu regulieren, wie es funktionierende Teams auf internationalem Niveau tun müssen, um sich vom Rest der Konkurrenz abzuheben. Diese Fähigkeit hat etwa bei der Euro den Unterschied zwischen Wales oder Island auf der einen und, sagen wir, Russland und Schweden auf der anderen Seite gemacht. Und genau dort muss das ÖFB-Team hin. Und es ist - das hat es in Tiflis belegt - auf dem Weg.

Marcel Koller

APA/ROBERT JAEGER

Was sonst noch auffiel

Das Pressing des in diesem Fall noch viel klarer als bisher ins 4-4-2 getauchten ÖFB-Teams war bei weitem nicht so scharf wie erwartet. Man hoffte (und in Halbzeit 1 klappte das auch) durch überaus konzentrierte Arbeit (mit schnellen, vertikal vorgetragenen, meist seitlichen Direktpass-Aktionen) und gezielt gesuchte Standards das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Im Aufbau hatte man zumeist ein 2-4-3-1, vieles deutete schnell auf eine recht risikolose Strategie hin.

Der Modus Führung-und-dann-sichern, so zittrig er nach dem 1:2 auch wurde, ist dem Modus Ewig-anrennen-und-nix-reinkriegen-plus-unsicher-werden auch eindeutig vorzuziehen.

Alaba entzog sich der Bewachung durch Kappenträger Daushvili durch besonders heftige Laufarbeit (vom übertrieben häufigen Abkippen bis hin zu Sprints in die Spitze). Auch aus diesen Gründen wäre eine Neusortierung des österreichischen Mittelfelds keine schlechte Idee - mit der sich Koller aber nicht herumschlagen will. Er hat die Absicht, mit seiner aktuellen Strategie nach Russland zu gelangen. Das zeigt auch sein Bekenntnis zu Klein/Suttner, mit denen er (weitgehend backuplos) durchzukommen hofft. Das kann sich (auch alterstechnisch, die zwei sind 29) bis 2018 ausgehen, sollte danach nicht die Sintflut kommen, muss Sportchef Ruttensteiner auf einem Aufbau von Nachfolgern bestehen.

David Alaba gegen Murtaz Daushvili

APA/ROBERT JAEGER

Dass der Gegner das Spielfeld sehr eng machte, war nicht weiter störend, im Gegenteil: in der Phase des wilden unkontrollierten Hin-und-Her knapp vor dem Gegentor waren die Räume deutlich zu wenig eingegrenzt, ließen sich die Österreicher deutlich zu weit/breit locken.

Dass Koller diesmal fast keine Rochaden zuließ (selbst Baumgartlinger und Alaba wechselten kaum die Seiten) und auch auf einen asymmetrischen Aufbau verzichtete, verfestigt das Bild: das Team wollte über die Ruhe in die Kraft finden. Das gelang nur partiell, selbst in Halbzeit 1. Knapp vor dem zweiten Tor war die Lage bereits kritisch, die Flüchtigkeits-Fehler im Aufbau nahmen erschreckend zu. Hätte die Aktion in Minute 42 nicht zum Tor geführt, wäre der Ausgleich früher passiert und das Match wohl noch verloren gegangen. Ich will trotzdem nicht von einer glücklichen 2:0-Führung sprechen, auch weil sie genau so geplant war.

So verschaffte sich das ÖFB-Team zu Beginn von Halbzeit 2 eine entscheidende Phase lang Luft durch neu eingekehrte Ruhe, gekrönt durch die Janko-Superchance in Minute 56, und sah wie der sichere Sieger aus, auch weil der gegnerische Aufbau gezielt gestört wurde. Erst danach konnte sich Georgien wieder konsolidieren. Wie wenig strategische und auch körperliche Gegenwehr dann geleistet wurde, war schon ein bissl erschreckend; warum in dieser Phase der Rückfall aus dem Meister- in den Gesellen-Modus eingetreten ist, kann nur eine genaue Analyse dieser Minuten klären - die hat der Teamchef noch vor sich.

Fakt ist, dass Österreich gegen einen besseren Gegner (und die meisten Gruppengegner wären das) wohl noch alle Punkte abgegeben hätte: von Ruhepunkten oder Entlastung konnte keine Rede sein, die Fehlerquote bei Abspiel und Attacken hatte teilweise EM-Level.

Österreichisches Nationalteam und Teamchef Marcel Koller

APA/ROBERT JAEGER

Kollers in der Halbzeit ausgegebene taktische Richtlinien funktionierten, seine Wechsel blieben im System, In-Game-Coaching war also wie immer (daran müssen wir uns gewöhnen) nicht.

Georgien, das ursprünglich ein enger als Österreich gestelltes 4-2-3-1 spielte, stellte (76.) auf ein 4-1-3-2 um (ab Minute 84 war man dann noch einen Dreh offensiver, in einer Art 3-1-4-2), und setzte die österreichische Elf so massiv unter Druck. Die eingewechselten Sabitzer, Schöpf und vor allem Gregoritsch waren fast durchwegs in Defensivarbeit gebunden.

Hier sind noch die richtigerweise sehr kritischen Match-Einschätzungen der Kollegen mit Ahnung: Philipp Eitzinger bei ballverliebt.eu, David Goigitzer bei abseits.at, Georg Sander bei 90minuten.at Momo Akhondi auch auf 90minuten.at und Jakob Faber bei Laola1.at.

--------------

Georgien vs Österreich 1:2 (0:2) Montag nachmittag im Dinamo-Stadion in Tiflis, SR Kulbakov (Belorus)

Georgien in weiß-schwarz mit 17 Loria (Samara/RUS); 2 Lobjanidze (Din.Tiflis) -> ab 84. 11 Chanturia (Ural/RUS), 3 Kverkvelia (Rubin Kazan/RUS), 5 Kapitän Amisulashvili (Din.Tiflis) -> 76. 10 Okriashvili (seit heute bei Krasnodor/RUS), 22 Navalovski (Veria/GRE); 6 Daushvili (Diosgyör/HUN), 4 Kashia (2.Kapitän/Vitesse Arnhem/NED); 20 Jighauri (Din.Tiflis), 7 Ananidze (Spartak Moskau/RUS), 8 Kazaishvili (Legia/POL); 9 Dvalishvili (Din.Tiflis) -> 63. 18 Skhirtladze (Debütant, Silkeborg/DEN).

Österreich in rot-schwarz mit 1 Almer; 17 Klein, 3 Dragovic, 4 Hinteregger, 13 Suttner; 14 K Baumgartlinger, 8 Alaba; 11 Harnik (72. 20 Sabitzer), 10 Junuzovic (67. 18 Al. Schöpf), 7 Arnautovic; 21 Janko (9 Gregoritsch).