Erstellt am: 6. 9. 2016 - 11:49 Uhr
Die Rückkehr der Fabelhaftigkeit
Wenn man über britische Comedyserien der 90er Jahre spricht, dann kommt man um eine Show nicht herum: "Absolutely Fabulous". Denn trotz des ganz schön ordentlichen Outputs, den das Vereinigte Königreich damals in Sachen Comedyfernsehen auftischte, schaffte die Sitcom das, was den wenigsten Serien gelang: den Sprung von der Insel runter, rein in die internationale TV-Syndication.
Diese Woche erscheint mit dem selbsterklärend betitelten Film "Absolutely Fabulous: The Movie" endlich die abendfüllende Kinoversion der Serie - nicht nur in Großbritannien, sondern auch hierzulande.
"Absolutely Fabulous", das ist eine Show über die PR-Agentin Edina Monsoon und ihre beste Freundin und Irgendwie-Moderedakteurin Patsy Stone. Die beiden sind Karrierefrauen in ihrem mittleren Alter, Parodien der oberflächlichen Modeindustrie und der Londoner Scenesterwelt. Und damit deutlich überspitzt präsentiert, in Absurditäten abdriftend und anarchisch aufbereitet.
Eddie ist kettenrauchende Trinkerin, die sich als Antiheldin lallend selbstbewusst durch ihre Umwelt kämpft. Patsy eine "Larger than life"-Persönlichkeit, die scheinbar die Fähigkeit besitzt, in ihrem Drogen- und Alkoholkonsum unstoppbar zu sein. Eine beeindruckend konzeptionierte Darstellung eines ehemaligen Models, Muse von Modedesignern, beste Freundin des britischen Jetsets - oder so wünschen es sich die beiden. Denn genauso wie Edina ist Patsy dank ihres großen Egos und ihrer narzisstischen Absurdität bei Weitem nicht so erfolgreich, wie sie es selbst glaubt. Was dazu beiträgt, "AbFab" zu diesem wunderschönen Stück Fernsehen zu machen, zu einem Ausflug in die Verrücktheit zweier Persönlichkeiten, die trotz ihrer Schrecklichkeit doch wieder sympathisch sind. So wie das halt ist bei einer richtig guten Comedyshow.
Twentieth Century Fox
"Absolutely Fabulous" ist die Erfindung der beiden britischen Comedians Jennifer Saunders und Dawn French. Saunders und French kommen aus der revolutionären UK-Alternative-Comedyszene der 80er Jahre, einer Szene, die trotz ihres anfänglichen Außenseiterstellenwerts über die Jahre so erfolgreich werden sollte, dass sie in Großbritannien heute der Status quo des Mainstreams ist.
Politische Comedy war das, die sich an Punk anlehnte und sich distanzierte vom Sexismus und der Xenophobie, die damals noch weitflächig in der Stand-up-Landschaft zu beobachten waren. Leute wie Rowan "Mr. Bean" Atkinson gehörten da zur alternativen Szene, der britische National Treasure Stephen Fry und "Dr. House" Hugh Laurie. Oder Autoren wie Ben Elton, der später das Queen-Musical "We Will Rock You" schreiben sollte. Und Jo Brand, die Jahre später mit der düsteren Krankenhauscomedy "Getting On" eine der stärksten Serien des Jahrzehnts kreierte.
Die TV-Serien, die aus dieser Zeit der Alternative Comedy heraus entstanden, zeichneten sich durch die absichtliche Distanzierung von der Welt der familienfreundlichen Sitcom aus. Während in den USA im Jahr 1982 gerade Shows wie der rührselige Schmalz "Family Ties" anliefen, wurde in Großbritannien die Anarcho-Sitcom "The Young Ones" ins Fernsehen gebracht, die mit einem Cast von abgefuckten Studenten in einer Wohngemeinschaft in Manchester die Thatcher-Ära anprangerte und gleichzeitig den naiven Idealismus der Post-Punk-Poesie parodierte.
Jennifer Saunders in einer Gastrolle in "The Young Ones"
Was "The Young Ones" für das Unileben war, das war zehn Jahre später "Absolutely Fabulous" für die Welt der Londoner Kreativklassen-Oberflächlichkeit. Eine überspitzte Satire der Dekadenz der exploitativen Modewelt - und dabei auch gar nicht vorsichtig oder doppeldeutig, sondern rücksichtslos direkt und voller eigensinniger Energie. Was den Humor der Show bis heute nicht unbedingt für die ganz breite Masse zugänglich macht, die Serie aber trotzdem zum internationalen Kultstatus aufsteigen ließ.
Serienerfinderin Saunders spielt die Hauptrolle der Eddie Monsoon, an ihrer Seite steht Patsy, die von der genialen Joanna Lumley porträtiert wurde. Neben den beiden Hauptdarstellerinnen glänzte "Absolutely Fabulous" dank der zahlreichen Gaststars, die sich die Show über die Jahre dank ihrer Kultanhängerschaft leisten konnte. Minnie Driver und Whoopie Goldberg, Naomi Campbell, Twiggy, Rufus Wainwright und Debbie Harry durften beispielsweise in der Show auftreten.
Twentieth Century Fox
Die Popularität der Show brachte auch den Cast aus England hinaus: Saunders durfte Eddie Monsoon zum Beispiel auch in "Roseanne" zum Besten geben, in "Friends" spielte sie die Mutter von Emily in den Episoden, in denen die New Yorker einen Ausflug nach London machen und dort Richard Branson treffen.
Heute gilt "Absolutely Fabulous" im comedyliebenden Großbritannien als ein ikonisches Stück Fernsehen, und das British Film Institute sieht die Show als eine der besten britischen Serien aller Zeiten. Damit war es nur eine Frage der Zeit, bis es die Sitcom auch ins Kino schaffen sollte. Diesen Freitag startet der "Ab Fab"-Film auch bei uns und gibt sich dabei eindeutig als Film für die Fans. Jeder noch so kleine Nebencharakter darf da einmal kurz über die Leinwand zischen und kaum ein Inside Joke bleibt unbenutzt - für große Erklärungen bleibt in der ganzen Crazyness nicht mehr so viel Zeit.
Was "Absolutely Fabulous: The Movie" zu einem spaßigen Erlebnis für die Fangemeinde macht, den "AbFab"-Noob aber eher verwirrt aus dem Saal schicken könnte. Ein bisschen Nachstudieren der Legacy der Serie, ein Anschauen der besten Folgen sei deshalb empfohlen, bevor man sich in den Film setzt.