Erstellt am: 8. 9. 2016 - 09:00 Uhr
Raum für Panik
Die Story ist simpel: Alex, Rocky und Money, drei Jugendliche aus Detroit, verdienen sich ihr Geld mit kleinen Einbrüchen. Money ist der Draufgänger, Alex der smarte Jusstudi-Typ, der genau weiß, welche erbeutete Summe welcher Haftstrafe entspricht. Rocky träumt eigentlich bloß davon, mit ihrer kleinen Schwester dem trostlosen Alltag Richtung Kalifornien zu entfliehen. Daraus ergibt sich die Idee, einen letzten großen Coup zu landen. Ein blinder, alleine wohnender Kriegsveteran soll auf mehreren 100 000 Dollar sitzen. Das vermeintlich ideale Opfer ist gefunden.
New Line Cinema
"Don't Breathe" ist der zweite Spielfilm des uruguayischen Filmemachers Fede Alvarez. Mit seinem Regie-Debut, ebenfalls aus dem Horrorsegment, hat er bereits 2013 gezeigt, dass es ihm nicht an Selbstvertrauen mangelt, als er den Kultklassiker "The Evil Dead" von Sam Raimi neuverfilmte. Die große Herausforderung konnte er solide meistern, auch wenn das Feeling des Meisterwerkes aus den Achtzigern nie so ganz aufkommen wollte. Mit "Don't Breathe" hat er nun seinen ganz eigenen Film und muss sich nicht mehr mit Vergleichen abgeben. In beiden seiner Arbeiten war Sam Raimi als Produzent mit an Bord. Auch Jane Levy, die Rocky spielt, kam bereits im "Evil Dead"-Remake zum Einsatz.
Home Invasion andersrum
Der Film bedient sich des Prinzips eines Home-Invasion-Films, allerdings kehrt er dieses um. Wir sehen einen Menschen in seinem privaten Lebensraum, der sich gegen Eindringlinge wehren muss. Meist nehmen Home-Invasion-Filme dabei die Seite des Hauseigentümers ein. In den "Home Alone"-Filmen wird daraus sogar ein großer Spaß. Andere Beispiele wesentlich unangenehmerer Art gibt es viele, etwa David Finchers "Panic Room", in dem sich eine Familie in letzter Konsequenz in einen Schutzraum flüchten muss, oder Michael Hanekes "Funny Games", in dem die Eindringlinge einfach hereinspaziert kommen und folglich ihr sadistisches Spiel mit den Bewohnern starten.
Sony Pictures Home Entertainment
"Don't Breathe" erzählt die Geschichte aus der Sicht der Einbrecher. Man müsste sich wohl dennoch auf die Seite des Hauseigentümers schlagen, schließlich ist der ja Kriegsveteran und blind. Müsste, doch verkörpert ihn Stephen Lang derart brachial und unheimlich, über weite Strecken gänzlich befreit von jeglicher Menschlichkeit, dass schnell klar wird, dass die einzige spürbare Bedrohung von ihm ausgeht. Aus einem Einbruch wird ein Katz-und-Mausspiel und damit beginnt der Horror.
Der Horror des Raums
Filmstart: 9. September 2016
Was Handlungsgerüst und Charakterzeichnung betrifft, köchelt "Don't Breathe" auf Sparflamme - nicht unüblich für das Genre. Und auch die teils flachen Wortwechsel, vor allem wohl in der deutschen Synchro, müssen ganz einfach durchtaucht werden - zum Glück wird aber generell recht wenig gesprochen. Ganz fabelhaft gelingt es Fede Alvarez und seinem Team allerdings, eine durchwegs hochintensive Anspannung innerhalb dieser vier Wände zu kreieren. Die Kamera tastet unbarmherzig jeden Gang, jeden Raum, jeden Schacht, jeden Winkel ab. Das Haus wird zusehends mehrdimensionaler und schließlich schon für den Betrachter angreifbar. Türen knallen zu, Schlösser rasten ein, die umgebenden Wände rücken immer näher und es wird spürbar enger, klaustrophobischer. Manch visueller Moment erinnert dann irgendwie sogar entfernt an "The Evil Dead".
Sony Pictures Home Entertainment
Eine Zeit lang begnügt sich Alvarez mit dieser einfachen aber doch intensiven Formel einer Jagd: dem blinden Ex-Soldaten als Jäger, der natürlich jeden Zentimeter seines Heims kennt. Den Gejagten Alex, Rocky und Money, die plötzlich nichts weiter tun können, als instinktiv hin- und herzulaufen, auf der Suche nach einem Ausweg, wie Laborratten in einem Käfig. Da hat die Nacht erst begonnen, sie soll so bald nicht enden.