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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

5. 9. 2016 - 06:00

Klettergebiets-Entwicklungshilfe

Das Drill&Chill Festival soll internationale Kletterexpertise nach Bosnien holen, um die prekäre Klettersituation zu verbessern. 10 Tage Kletter- und Highline-Festival kombiniert mit Kulturexport.

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Klettern ist nicht unbedingt das erste, was einem zu Bosnien in den Sinn kommt. Doch wer schon einmal durch Bosnien gefahren ist, weiß, wie gebirgig dieses Land ist und was für ein Kletterpotential es dort gibt. Unzählige hohe Karstwände prägen die Landschaft.

David Lemmerer mit seinem Fahrrad

David Lemmerer

Davon war auch David Lemmerer, ein Kletterer aus Wien, beeindruckt, als er vor ein Paar Jahren mit dem Rad in Bosnien unterwegs war. Trotz des riesigen Potentials an Kletterrouten sind allerdings nur wenige Gebiete in Bosnien erschlossen. Wie für so vieles in Bosnien liegen die Gründe dafür im Zerfall Jugoslawiens. Als in den 1990er Jahren das Sportklettern an vielen Orten in Europa einen Boom erfahren hat, ist die durchaus vorhandene Kletterszene in Bosnien durch die Kriege zusammengebrochen und erholt sich erst langsam.

Kletterer vor Felswand

David Lemmerer

Fels ohne Ende

Subkultur unter prekären Bedingungen

Auf der Suche nach lokalen Guides hat David Lemmerer schließlich Anschluss an den Climbing Club Extreme Banja Luka gefunden, wo unter recht prekären Bedingungen versucht wird, wieder eine Kletterszene zu etablieren. Im Gegensatz zu Mitteleuropa sei Klettern in Bosnien absolute Subkultur, erzählt David, es gibt kaum Aufmerksamkeit und noch weniger Geld für den Sport.

Bosnischer Kletterclub auf einem LKW

David Lemmerer

Der Climbing Club Extreme in Banja Luka

Für die Menschen in Bosnien ist es auch gar nicht so leicht an Kletterequipment zu kommen. Es gibt kaum Klettershops und bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von etwa 300 Euro sind Kletterpatschen und Sicherungsgerät nur schwer leistbar, geschweige Material zum Einrichten von Kletterrouten.

Kletterer beim Routen einbohren

David Lemmerer

Internationales Wissen und Material anzapfen

Nachdem David mehrmals zum Klettern nach Bosnien gefahren ist und dort sogar ein Freiwilliges Jahr verbracht hat, hat er nach Möglichkeiten gesucht, um die Klettersituation zu verbessern und zumindest ein kleines Stück des großen Kletterpotentials im Land zu verwirklichen. Herausgekommen ist die Idee eines Work-Camps, des "Drill & Chill Festivals", bei dem möglichst viele erfahrene KletterInnen und RoutenbohrerInnen aus Mitteleuropa nach Bosnien geholt werden sollten, um einerseits gemeinsam ein neues Klettergebiet nahe Banja Luka zu erschließen, andererseits aber auch Kletterkulturexport zu betreiben. Neben der Hardware sollte auch internationales Wissen und Erfahrung nach Bosnien fließen, um dort eine nachhaltige Kletterkultur zu fördern.

Felswand

Sebastian Wahlhütter - www.wahlhuetter.net

Die Tijesno-Schlucht fotografiert von Sebastian Wahlhütter www.wahlhuetter.net

David Lemmerer hat in ganz Österreich Stimmung für diese Idee gemacht und Materialsponsoren aufgetrieben, sodass letztes Jahr über 70 KletterInnen und HighlinerInnen aus 13 Ländern nach Bosnien gekommen sind. Gemeinsam mit etwa gleichvielen Locals haben sie dabei in 10 Tagen mehr als 80 Seillängen in der Tijesno-Schlucht eingebohrt.

Kletterer am Routenplanen

Sebastian Wahlhütter - www.wahlhuetter.net

Routenplanung fotografiert von Sebastian Wahlhütter www.wahlhuetter.net

Drill&Chill Festival 2016

Das Drill&Chill Festival auf Facebook

Diese Woche, ab 8. September, beginnt die zweite Ausgabe des Drill&Chill Festivals und wieder will David Lemmerer mit dem offenen und nicht-kommerziellen Festival möglichst viele Menschen nach Bosnien bringen.

Gesucht werden einerseits Leute mit Erfahrung im Routenbohren und alpinem Klettern, denn die Wände in der Tijesno-Schlucht sind ziemlich hoch und daher für Mehrseilrouten optimal. Wer Bohrmaschinen und Bolts mitbringen kann, ist umso mehr willkommen. Doch auch wer noch keine Bohrerfahrung hat, kann das vor Ort in einem Workshop lernen. Andererseits können aber auch Leute kommen, die sich nicht unbedingt am Fels verwirklichen wollen. Es gilt nämlich auch Wege zu erschließen, Straßensperren zu errichten und viel zu fotografieren und zu filmen. Denn das Drill and Chill Festival soll ja auch der Region zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.

Poster des Festivals, wo jemand Routen einbohrt

Drill and Chill Festival

Direkt über der Schlucht wird eigens ein Campinglplatz errichtet, mit Sanitäranlagen. Strom und Wasser werden eigens für das Festival verlegt und sollen später einmal auch der einheimischen Bevölkerung entgegenkommen. Wer nicht in seinem Zelt oder Campingbus übernachten will, kann sich günstig im nächsten Dorf einquartieren.Gekocht, gegessen, getrunken, gefeiert und hoffentlich auch gearbeitet wird beim Drill and Chill Festival sonst gemeinsam.

Für diejenigen, die rein zum Klettern oder Highlinen nach Bosnien kommen wollen, findet sich wahrscheinlich ein besserer Zeitpunkt, meint David Lemmerer, aber auch das trägt natürlich zum Austausch und zum Kletterkulturexport teil.