Erstellt am: 31. 8. 2016 - 16:23 Uhr
Jahrestag der Demo "Mensch Sein in Österreich"
Am 31. August 2015 hat die Demonstration "Mensch Sein in Österreich" in Wien, Linz und Steyr stattgefunden. Über 20.000 Menschen sind damals auf die Straße gegangen. Der Auslöser für den Protest waren unter anderem die schlechten Bedingungen im Flüchtlingslager Traiskirchen, das damals mit rund 4.000 Menschen katastrophal überbelegt war. Eine der zentralen Demo-Forderungen war demnach auch die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge.
Mittlerweile hat sich die Situation in Traiskirchen beruhigt. Derzeit leben 700 Menschen im Erstaufnahmezentrum.
FM4 Auf Laut
Ein Jahr "Refugees Welcome"
Letzten Sommer erreichten tausende vertriebene Menschen die Bahnhöfe Österreichs. Claus Pirschner lässt in FM4 Auf Laut gemeinsam mit Ira Federspiel von Train of Hope und Wissam und Reem Almalik das letzte Jahr Revue passieren und fragt, was wir in Zukunft für eine offene Gesellschaft tun müssen.
Am Dienstag, ab 21 Uhr auf Radio FM4 und im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player.
Die Mit-Iniatiorin der Demo, Nadia Rieda, ist weiterhin mit ihrer Initiative Mensch Sein in Österreich aktiv. Zum Jahrestag hat sie uns im FM4-Studio besucht und wir haben sie mit einer alten Interview-Aussage konfrontiert. Im FM4-Jahresrückblick 2015 lautete ihr Resumée:
"Die Demonstration hat mir auf alle Fälle ein Gefühl der Gemeinsamkeit gegeben, das Gefühl, nicht allein zu sein und dass es viele Menschen gibt, die das bewegt und denen das wichtig ist. Und ich glaub, dass man da sehr viel Mut und Kraft tanken kann."
FM4: Nadia, das hast du im Dezember 2015 gesagt. Gibt es jetzt, genau ein Jahr nach der Demo, dieser Aussage noch etwas hinzuzufügen?
Nadia Rieda: Ich zehre immer noch daran. Wenn ich frustriert bin, denke ich daran, wie vielen Menschen ihre Mitmenschen auch ein Anliegen sind. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns nicht so stark blenden lassen von Ängsten, weil wir auch oft instrumentalisiert werden von der Politik oder Welt-Themen, denen wir teilweise nicht gewachsen sind als normale DurchschnittsbürgerInnen. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass wir nicht den Mut verlieren und zu den Dingen stehen, die uns wichtig sind. Am Ende des Tages ist es das Beste, wenn man mit anderen Menschen so umgeht, wie man es sich selber von anderen wünscht. Damit kann man dann nichts mehr falsch machen.
Du bist ja weiterhin aktiv und eure Initative "Mensch Sein in Österreich" hat sich weiterentwickelt. Was ist denn da im letzten Jahr passiert?
Nadia Rieda: Das meiste hat sich um Öffentlichkeitsarbeit, aber auch um Freizeitgestaltung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gedreht. Es gab Workshops, Spendensammelaktionen, Ausflüge, ich wurde zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Das letzte Projekt war ein Videoprojekt mit dem Titel "Von Mensch zu Mensch", das wir vor den Wahlen gemacht haben. Da ging es um die Wünsche der Bevölkerung für ein gutes Zusammenleben.
Wird das jetzt auch wiederholt?
Nadia Rieda: (lacht) Schauen wir mal.
Im Herbst letzten Jahres haben sich viele Freiwillige in privaten Initativen wie Happythankyoumoreplease oder Train of Hope organisiert, um die dringende Versorgung der Schutzsuchenden zu gewährleisten. Hast du den Eindruck, dass die Bereitschaft zu freiwilliger Arbeit in Österreich weiterhin da ist?
APA/HELMUT FOHRINGER
Nadia Rieda: Genau die beiden Namen, die du genannt hast, haben erfolgreich Vereine gegründet und bleiben dran und ziehen ihre Sache durch. Ich denke aber auch, um realistisch zu bleiben, natürlich kann ein "normaler Mensch", der einen Job hat und funktionieren muss, um sein Leben zu erhalten, nur bis zu einem gewissen Grad dranbleiben. Da fehlt’s halt einfach an staatlicher Unterstützung. Wenn man sieht, dass die Bereitschaft da ist und so viel Motivation und Leidenschaft für dieses Thema, dann ist es eigentlich total sinnlos, diese Menschen auf sich allein gestellt zu lassen. Man könnte das gut nutzen und fördern, um für alle etwas Gutes zu tun. Bis heute versteh ich nicht, warum da so wenig Unterstützung kommt - zum Beispiel finanziell oder Schulungen. An allen Ecken und Enden werden Leute gesucht für Unterkünfte, Übersetzungen, so viele Dinge, und es wird ein bisschen so für sich allein stehen gelassen, weil sich die Leute gerade mit anderen Themen beschäftigen wie Verbote oder irgendwelche Gesetzeslagen, die sie halt ändern möchten.
Wo werden momentan freiwillige Helfer und Helferinnen gesucht?
Nadia Rieda: Ich arbeite ja im Jugendbereich und weiß, dass Viele im Bereich Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Unterkünfte gesucht werden. Menschen, die aus Eigeninitiative einfach mithelfen und übersetzen.
Wo kann ich mich am Besten engagieren?
Nadia Rieda: Zum Beispiel bei der Buddy Initiative von Flüchtlinge Willkommen, wo man auch Schulungen machen kann. Da geht’s um zwischenmenschliche Beziehungen, wo man junge Menschen einfach begleitet, mit ihnen Deutsch lernt oder Sachen mit ihnen unternimmt. Wir helfen von der Caritas ist auch immer wieder auf der Suche nach Spenden. Happythankyoumoreplease sowieso. Ich denke, wenn es einen wichtig ist und bewegt, kann man sich da wirklich gut einbringen und da sollte man sich nicht bremsen lassen von Gegenstimmen oder anderen Menschen, die das vielleicht nicht so sehen.