Erstellt am: 8. 9. 2016 - 14:01 Uhr
Im Tal der Supersprünge
Blue Isles
Riesige Bäume, blühende Wiesen, rauschende Wasserfälle: So viel Idylle wie hier gibt es selten. Im First-Person-Spiel "Valley" landen wir ganz zu Beginn in einem wahren Paradies. In einem von der Außenwelt völlig abgeschnittenen Tal, das seit Jahrzehnten kein Mensch mehr betreten hat, sind wir als wagemutiger Archäologe wieder einmal auf der Suche nach einem mysteriösen Artefakt.
Dumm ist nur, dass das schon jemand gefunden hat, und zwar vor langer, langer Zeit. Die Militärs und Wissenschafter, die sich mitten im Zweiten Weltkrieg im geheimnisvollen Tal breitgemacht haben, sind aber irgendwann plötzlich verschwunden - ein Geheimnis, das auf seine Aufklärung wartet.
Indiana Jones mit Siebenmeilenstiefeln
Das Besondere an "Valley" ist aber nicht die Handlung, die leicht nach Klischees riecht, und auch nicht die hübsche Grafik, sondern die rasante Bewegung durch diese Welt. Dank eines Hightech-Exoskeletts können wir nämlich in unfassbarer Geschwindigkeit laufen und vor allem atemberaubende Sprünge machen.
Wie wahre Superhelden flitzen wir so durch das weitläufige Tal und genießen dabei einen Geschwindigkeitsrausch nach dem anderen. Es ist ein bisschen schade, dass uns die Handlung immer wieder in unterirdische Forschungsanlagen führt, statt uns draußen diese Freiheit genießen zu lassen. Akrobatische Sprungeinlagen mit unserer im Spielverlauf um nützliche Tools wie Magnetstiefel oder Enterhaken erweiterbaren Rüstung sind der Kern des Gameplays, geschossen wird in "Valley" dafür so gut wie gar nicht. Stattdessen haben wir die Macht, die Natur um uns als Energiequelle anzuzapfen, oder aber umgekehrt tote Bäume und sogar Tiere wieder zum Leben zu erwecken. Mehr als ein Gimmick bleibt das allerdings nicht - schade um die gute Idee.
Blue Isles
Atemlos, voll - und kurz
Dass das düstere "Slender: The Arrival" vom selben kanadischen Studio entwickelt wurde, mag man angesichts der nun aufgebotenen fast kitschigen Idylle samt oft schmalzigem Soundtrack kaum glauben. Und während das Horror-Jumpscare-Original, das sogar einen kleinen Indie-Horror-Hype mitbegründete, ein klassisches "one trick pony" war, überschüttet uns "Valley" mit Ideen und Ambition.
Man kann "Valley" sogar vorwerfen, fast schon zu ambitioniert zu sein, so viel haben die Entwickler in ihr Spiel gestopft - ein bisschen "Half-Life", ein bisschen "Bioshock", ein bisschen "Mirror's Edge" und ganz viel "Sonic the Hedgehog" in 3D. Die aufwendig vertonte Hintergrundgeschichte, die sich ganz klassisch in Audiologs und verstreuten Briefen entfaltet, gibt sich gar viel Mühe, den letztlich banalen Plot auszubreiten, manche atemberaubende Geschwindigkeitssteigerung, etwa das superschnelle Laufen auf Schienen, kommt dafür nur bedauerlich selten zum Einsatz - und die originelle Spielmechanik vom Geben und Nehmen der "Lebensenergie" bleibt wie erwähnt auch blass und unterentwickelt.
Blue Isle
"Valley" ist für Windows, XBox One und PS4 erschienen.
Die Detailkritik soll aber nicht über eins hinwegtäuschen: "Valley" ist ein äußerst unterhaltsames Spiel, das sich in Sachen Abwechslung und vor allem Spielspaß vor kaum einem dreimal so breit ausgewälzten Hochglanzspiel verstecken muss. Denn Längen hat die originelle Genremischung so gut wie keine, im Gegenteil: Wenn die drei kurzweiligen Stunden bis zum Abspann vorbei sind, hätte man eigentlich immer noch Lust, mit Siebenmeilenstiefeln weiter durch diese schöne Welt zu rasen und riesige Luftsprünge zu machen.