Erstellt am: 30. 8. 2016 - 15:52 Uhr
In Flammen
Kleinteilig aber klar strukturiert wie auf einem Schachbrett führt der israelische Schriftsteller Nir Baram die maßgeblichen Charaktere, Mächte und Geschäfte von "Weltschatten" vor. Der israelische Autor führt aber auch vor, was geschieht, wenn man das politische Parkett global durchrüttelt. "Weltschatten" handelt von zwielichten Geschäften und skrupellosen Verführern. Da wäre zunächst Gavriel Manzur, Spross einer Aufsteiger-Familie.
"Im Grunde lässt sich sagen, dass Gavriels eigene Karriere unmittelbar aus der seines Vaters resultierte. Im Oktober 1984 erhielt sein Vater eine Einladung nach New York. Derartige Einladungen waren nichts Ungewöhnliches. Sein Vater arbeitete zu diesem Zeitpunkt schon seit über zwanzig jahren in seinem Metier."
Das Metier von Gavriels Vater ist pikant: Er war sozusagen Totenschreiber - wenn jemand schwer erkrankt oder altersbedingt dem Ende seines Lebens entgegen sah, kam er als persönlicher Biograph der Sterbenden ins Spiel. Auf die Art öffneten sich auch seinem Sohn Gavriel von Kindesbeinen an Tür und Tor zu einflussreichen Familien. Gavriel Manzur veranlagt bald Hedgefonds-Gelder amerikanischer Investoren. Unter dem Deckmantel der Barmherzigkeit investiert er mit seiner "Stiftung für Demokratie" in allerlei Geschäfte und gerät in ein zwielichtiges Gewirr aus Geld und Politik.
"In der ersten Septemberwoche konnte er einen der beiden Franzosen überreden, 1.2 Millionen Dollar bei Brookman, Stanston & Barnes anzulegen, und überwies danach 7 Millionen Dollar vom Konto der Stiftung."
Außerdem im Fokus des jungen Schriftstellers Nir Baram: die Politikberater von MSV, einem Konzern, der Medienberatung, Kampagnen und unterm Strich politische Erfolge verkauft. Abgespult werden all diese Geschäfte vor den Augen der Leserschaft über Ticker-artige Email-Protokolle.
"Glücklicherweise sind uns noch ein paar Freunde im Kongo verblieben. Einer von ihnen hat mir geflüstert, der Grund, warum der Präsident erwägt, uns abzuschießen, habe nichts mit igrendwelchen Störmanövern von Seiten eines amerikanischen Unternehmens zu tun. Der Informant im Kongo sagt, es handle sich um ein neues Unternehmen."
Hanser Verlag
All diese Geschäfte, Intrigen und damit verbundenen Geld- und Machttransfers verwebt "Weltschatten" zu einem globalen Panorama zwischen großem Staunen und Riesen-Grusel. Ultimativer Knotenpunkt der Geschichte scheint schließlich der 11. November. Dann soll von London ausgehend ein weltweiter Streik stattfinden, eine Milliarde Aufständische sollen sich formieren. Die Protest-Bewegung dahinter nimmt aber nicht das vordergründig ultimativ Böse in den Blick. Vielmehr richten sie Wut, Zorn und bald Gewalt gegen Kulturinstitutionen - jene, die sie als Heuchler einstufen, die sich mit dem Kapital ins Bett gelegt haben.
"Wir würden immer verlieren, wenn wir nach den bekannten Methoden kämpften, und daher hätten wir gar keine andere Wahl, als etwas zu tun, das ihr Spiel komplett durchkreuzt, eine Art wahnsinnige Wette. Lokale Initiativen, das sei gut und schön, aber nicht ausreichend, wir bräuchten ein Ereignis, das einen Schock auslöst, eine Art Schocktherapie - nur dass wir diesmal die reichen Wichser therapieren und nicht sie uns."
Klare Fronten, aber das Fehlen handlungsleitender Helden ist es, was die "Weltschatten" so spannend machen. Die Einschätzung, wer hier aus Prinzip oder nur von Eitelkeit geleitet aufsteht, bleibt schließlich der Leserschaft überlassen.