Erstellt am: 30. 8. 2016 - 15:03 Uhr
Soul Music: "Between The Sheets"
FM4 Excursions
Bunt gemixte Assoziationsketten, die Wurzeln aktueller Sounds und Einflüsse auf die musikalische Jetztzeit. Die Excursions-Themen-Mixtapes gibt es in der Nacht von Montag auf Dienstag ab 0 Uhr und im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player. Ein Klick auf die Links führt zu den Songs direkt im Mix von Trishes.
Die Sommerserie FM4 Excursions geht in die letzte Runde. Für alle, die erst jetzt einschalten, hier die Zusammenfassung der letzten sieben Episoden: Trishes und ich gruben uns auf einer Abenteuerreise zu den Wurzeln des (HipHop-)Beats durch diverse Musikgenres. Wir rangen mit Jazz-Giganten, gingen straight to Hell zu New Wave und Punk, zähmten Smoke-Monster auf Jamaika, erkämpften mit Sex unsere Flucht durch Filmsoundtracks, durchwanderten trockene Klangwüsten des Orients und bastelten eine Zeitmaschine aus retro-futuristischen Synthesizer-Sounds. Wir haben überlebt - und mit uns eine Menge an meisterhaften Musikern aus längst vergessenen Zeiten.
CC BY 2.0, flickr.com, User: April Spreeman
Im großen Staffelfinale machen wir einen auf Game of Thrones [SPOILER!] und schicken unseren Helden HipHop mit seinen Gefährten Trip-Hop, House und Reggae auf den verdienten Heimweg. Zurück in den Schoß von Sweet Mama Soul Music, die unseren Protagonisten einst Herz und Hirn gab, um eine lange Reise wie diese weise zu überstehen.
"Let´s make Love between the Sheets"
Trishes eröffnet die letzte Episode mit The Isley Brothers und ihrem funky Slowjam "Between The Sheets" (1983), der uns mit zwinkerndem Schlafzimmerblick gleich auf die Matratze legen will. Das sanfte Vibrato des ersten "Huuh Baby" von Sänger Ronald Isley massiert zärtlich meine Nackenverspannung weg. Wenn dieser Typ dich singend in seine Federn bittet, gehst du mit, egal ob er damals Steuerprobleme hatte.
Trishes fadet rüber zu American Gangster Jay-Z, der das schmelzende Schmalz mit einem Chorus wegwischt: "This is the ignorant Shit you like!" Harte Jungs erfordern eben harte Maßnahmen - und ignorante Journalisten eben ignorante Songs, dachte Jay-Z beim Schreiben dieser Lyrics. Doch sobald in "The Ignorant Shit" (2007) die Synths der Isley Brothers durchschimmern, spannt sich die Hängematte wie von selbst. Das wusste auch schon The Notorious B.I.G., der "Between The Sheets" in seinem "Big Poppa" (1994) einsetzte.
T-Neck Records/Epic Records
Soul Music ist aber weit mehr als triefender Liebeskitsch. Seine Wurzeln findet der Soul Ende der 1950er in einer Synthese aus spirituellem Kirchengospel und schwarzem Rhythm and Blues, den die weiße Musikindustrie - ehe sie ihn ausschlachtet - noch als "Race Music" abwertete. Soul Music verkörpert die Säkularisierung des Gospels, denn nun beschwören Musiker nicht mehr den Allmächtigen, sondern die irdischen Probleme der vorwiegend schwarzen Menschen. Dazu gehören der Zusammenhalt der Black Community, ihr Weg aus der Unterdrückung ebenso wie enttäuschte Liebe oder harte Arbeit. Seinen Höhepunkt findet Soul als Soundtrack der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren, als bereits bekannte Künstler wie James Brown klar Position beziehen: "Say it loud, I´m black and I´m proud" (1968).
Isaac Hayes: Black Moses
Einer, der seinen Protest sowohl musikalisch als auch als öffentliche Person kundtat, war Isaac "Black Moses" Hayes. Sein samtig weiches Ganzkörper-Belcanto machte aber auch den Frauen schöne Ohren. Der rhythmisch vorgetragene Bassbariton von "Ikes Rap II" (1971) zeigte schon Jahre bevor HipHop existierte, wie zärtlich Rap klingen könnte, wenn er Frauen auch mal um Entschuldigung bittet, nachdem er sie eigennützig benutzt hat.
"Give me a reason to love you" haucht darauf eine verletzte Beth Gibbons ins fragil-gefilterte Mikrofon von "Glory Box" (1994). Die britische Trip-Hop-Instanz Portishead lässt den E-Bass von Hayes anschwellen wie gleich explodierende Tränensäcke, die Streicher von "Ikes Rap II" schweben durch die Luft wie unausgesprochene Vorwürfe, ehe verzerrte Gitarren sie wie Motorsägen zerreißen. Ein stampfendes Break schreit nach Aufbruch: "Time to move on".
AFP / JOSE JORDAN
Die Bläser von Isaac Hayes zweitem Song "Ike´s Mood" (1970) empfangen sie mit offenen Armen, funky Rhythmusgitarren, akzentuierten Frauenstimmen. Die verträumten Pianoklänge eines weiteren Breaks führen uns nahtlos in den Beat von "I Love You" (1995) von R&B-Göttin Mary J. Blige und den Bucktown-Rappern Smif-N-Wessun. Doch wenn die Boot Camp-Rudeboys Tek´n´Steele über einen Song namens "I Love You" rappen, lässt sich bereits im Auftakt erahnen, dass das Objekt der Begierde keine Ghetto-Schönheit sein kann, sondern nur Lady Mary Jane persönlich.
RZA: Shaolin Soul
In ebenso dichten Rauchschwaden stellte der Wu-Tang Clan den HipHop der frühen Neunzigern auf den Kopf. RZA, der Tarantino unter den Producern (leider nicht unter den Filmemachern), bediente sich für seine obskuren Beats neben Martial Arts-Schnipseln auch an frühen Rare Grooves aus dem Hause Stax. Trishes wählt das fesselnde "Tearz" (1993), in dem RZA den Tod seines kleinen Bruders beklagt und Ghostface die HIV-Infektion eines Freundes. Das Sample für den Beat und der eindrückliche Refrain kommt von Wendy Rene und ihrer herzzerfetzenden Ballade "After Laughter Comes Tears" (1964).
APA/AFP/TIBRINA HOBSON
Die junge Wendy Rene, Kollege Ottis Redding gab ihr den Namen, veröffentlicht ihn als erste Single auf dem Indie-Label Stax. Die Plattenschmiede aus Memphis war in den Sechzigern und Siebzigern die treibende Kraft des "Memphis Soul", einem rauen, erdigen Soul, der weitaus schwärzer klang als der opulent glänzende Soul von Konkurrent Motown Records aus Detroit. Interessanterweise schielte das von den weißen Geschwistern Jim Stewart und Estelle Axton geführte Stax musikalisch weitaus weniger auf den weißen Massenmarkt ("Crossover") als der legendäre Motown-Boss Berry Gordy, der dank Musikern wie The Supremes, Stevie Wonder und Marvin Gaye damals zum reichsten schwarzen Unternehmer der USA wurde.
Wie begehrt Wendy Rene auch heute noch ist, zeigt Trishes mit der Deep House-Version "After Laughter" (2010) von Filtertypen und einer Reggae-Version von Skarra Mucci "My Sound" (2011).
Weitere Episoden der "FM4 Excursions":
- Episode 1: Jazz
- Episode 2: Pop-Visionäre
- Episode 3: Jamaica
- Episode 4: Disco-Fever
- Episode 5: Soundtracks
- Episode 6: World Music
- Episode 7: Elektronik-Pioniere
Mit "Shame on a Nigga" (1993) spielt Trishes einen weiteren Song vom gloriosen Debütalbum "Enter the Wu-Tang". Raekwon, Method Man und Ol´ Dirty Bastard teilen sich den Beat, der mit einem Funky-Bläser-Gewitter loslegt. Das unfassbar groovende Original "Different Strokes" (1968) kommt von Syl Johnson, den die Tantiemen von RZAs Konto nach eigenen Aussagen "halb-reich" machten. Sein Haus mit der Gitarre am Dach kann er sich wohl auch deswegen leisten, weil ihn zahlreiche Produzenten wie J Paul Getto ("Different Folks") in ihren Beats wiederauferstehen ließen. Syl Johnson ist einer der Nutznießer des modernen Samplings, denn ohne die Neugier vieler Klangarchäologen wären Künstler wie er wohl nur ihrer Generation ein Begriff geblieben. Dank Samples und Compilations kassieren sie im besten Fall nicht bloß Tantiemen, sondern erfahren - wie Johnson - sogar eine eine zweite Karriere. Sampeln kann also Leben retten.
Wir beenden die Abenteuerreise "durch das Land der Musik" mit - wie könnte es im Summer of Love anders sein - einem Happy End. Trishes und ich verabschieden uns mit der vollkommenen Fusion von Beats, Soul und Rap: J Dilla featuring Common und D'Angelo und "So Far To Go" (2006). Die Excursions sind angekommen.
Den vollen Mix von Trishes könnt ihr bis kommenden Montag im FM4 Player anhören.
Hier die Playlist von "Excursions"- Episode 8:
The Isley Brothers | Between The Sheets |
Jay-Z ft. Beanie Sigel | Ignorant Shit |
Wu-Tang Clan | Shame On A Nigga |
Syl Johnson | Different Strokes |
J Paul Ghetto | Different Folks |
Filterypen | After Laughter |
Skarra Mucci | My Sound |
Wendy Rene | After Laughter Comes Tears |
Wu-Tang Clan | Tearz |
Common ft. Bilal | The 6th Sense |
RJD2 | Here's What's Left |
David Matthews | Silent Running |
Alessia Cara | Here |
Isaac Hayes | Ike's Rap 2 |
Portishead | Glory Box |
Isaac Hayes | Ike's Mood |
Mary J Blige ft. Smif N Wessun | I Love You (Remix) |
Massive Attack | Lately |
Lowrell | Mellow Mellow Right On |
Common ft. Chantay Savage | Reminding Me (Of Sef) |
Patrice Rushen | Remind Me |
Slum Village ft. 5 Elementz | 5 Ela (Remix) |
J Dilla ft. Common & D'Angelo | So Far To Go |