Erstellt am: 28. 8. 2016 - 16:14 Uhr
Twinkle, twinkle, Little Star
Der texanische Musiker Roger Sellers glaubt an die zärtliche Macht, an die unaufdringliche Magie der Wiederholung. An die Reduktion, an die Schlichtheit.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Im Jahr 2014 hat Sellers sein drittes Album veröffentlicht und es nicht ohne Grund "Primitives" genannt. Er meint es liebevoll. Er entspricht dem Typus des Schlafzimmermusikers, der die Schnittmengen auf den Feldern Folk und Folktronica, Sehnsuchtsindie mit Keyboard und Data-Pop sucht. Dabei befindet er sich in guter Nachbarschaft von guten Menschen wie Youth Lagoon, Dntel, Casiotone for the Painfully Alone oder Washed Out.
Kaum jemand hat zum Zeitpunkt des Erscheinens Notiz von "Primitives" genommen, die feinen Labels Mom + Pop Records und City Slang kümmern sich jetzt um einen gebührenden Re-Release mit Breitenwirksamkeit, Roger Sellers firmiert mittlerweile unter dem Künstlernamen Bayonne.
Bayonne
Nach dem auch schon schönen Stück "Spectrolite" erscheint jetzt "Appeals" als Single, ein Song prototypisch für Bayonne: Ein süßliches Piano-Motiv, das gar putzig plinkert und funkelt, und den ganzen Song trägt.
Eine konstante Weiterbewegung, ein müheloses Gleiten und Schunkeln auf wenigen Tönen, gläserner Glöckchen-Kling-Klang, das Sellers wohl im Traum als Hommage an die Minimal Music im Sinne von Steve Reich und Terry Riley ersonnen haben dürfte, ohne Absicht, federleicht, bloß zugeflogen.
Laut Eigenaussage hat Sellers diese kleine Melodie geschrieben, als er 17 Jahre alt war. Ursprünglich für einen anderen Song gedacht, dann in der Schublade verstaubt, ein paar Jahre später wieder aufgetaucht. Für "Appeals" hat der Musiker diese Passage als Samplematerial verwendet, einen Loop daraus gebaut, der sich mantrahaft, wie in Kreisbewegungen, wieder und wieder und wieder durch das Stück zieht.
Hypnose, eingelullt wegschlafen. Und wenn man sich als Zuhörer kurz, bloß ganz kurz, ein bisschen bemüht und die Augen schließt, dann kann man hier vielleicht auch eine Kindlichkeit und die Teenager-Naivität des damals jugendlichen Komponisten heraushören. Die Drums klappern, bisweilen taucht eine Gitarre auf.
Und wovon singt Roger Sellers, da und dort mit sich selbst überlagert und in Hall getaucht, in einer gar wunderlichen Mischung aus Entrücktheit, Aufgebrachtheit, Distanziertheit und Halbschlaf? "I couldn’t imagine how it made you feel, nothing is real if nothing appeals, and I wouldn’t stop with that look in your eyes", lauten die zentralen Zeilen des Songs.
Sie tauchen mehrmals auf, einen tatsächlichen Refrain aber gibt es nicht. Viel deutlicher wird dieses Lied nicht mehr werden. In ein paar vagen Bildern umreißt es die Beziehung zwischen zwei Menschen, vielleicht auch bloß die Erinnerung daran, das Auseinanderdriften, einen warmen Abschied, das Verschwinden in der Nacht.