Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Gib dem Affen Marshmallows"

Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

25. 8. 2016 - 06:10

Gib dem Affen Marshmallows

Ein Affe mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom auf Zucker ist der Antiheld in Teresa Präauers neuem Roman "Oh Schimmi". Völlig überdreht, lustvoll, lustig und durchgeknallt.

Bevor man den neuen Roman von Teresa Präauer zu lesen beginnt, sollte man sich massig Marshmallows und ausreichend Blue Curaçao besorgen. Vor allem aber mehr als einen Hauch zu laut "Willkommen im Dschungel" von Bilderbuch anhören - den Song hat Teresa Präauer auch während des Schreibens immer wieder gehört.

Die Künstlerin und Autorin - und heuer auch Wortlautjurorin - Teresa Präauer hat bereits zwei ausgezeichnete Romane geschrieben: "Der Herrscher aus Übersee" und "Johnny und Jean".

In diesem Sinn:
Willkommen im Dschungel und Willkommen in einer White-Trash-Wunderwelt, in der Cheerleader johlen, Nagelstudios glänzen und Frauen mindestens Miss Teen Rodeo werden wollen. In einer Welt, in der Konsumgüter wichtig, Kleidungscodes unumgänglich und Übertreibung die Norm ist.

Vielleicht sei diese Welt ihre "guilty pleasure", ihr heimliches Vergnügen, gesteht Teresa Präauer. Das sei die Welt, die uns medial umgibt – in Songs oder auch in Youtube-Videos. Schließlich sei das auch eine modische Welt und modische Codes interessieren sie. Ebenso wie die Sprache im Hip Hop. "Aber es passiert ja nicht nur im Hip Hop, dass man aus einer Mücke einen Elefanten macht. Ein anderes sehr berühmtes Beispiel ist ja Muhammad Ali – der seinen Gegner schon mürbe gemacht hat vor dem eigentlichen Kampf, durch das Reimen."

kupferstich von affen

Wallstein Verlag

Diesen Kupferstich von dem Affen aus einem Buch von 1843 hatte Teresa Präauer schon seit Längerem. "Ich wusste, es muss ein Buch zu diesem Bild geben." Bei jedem ihrer Bücher habe sie vorab schon die Idee zum Cover gehabt, Bilder würden sie anspornen und begeistern.

Oh, Schimmi

In ihrem Fall macht sich das der Protagonist Schimmi zunutze. Schimmi, "getauft englisch: 'Jimmy' genannt deutsch 'Schimmi'."

Man weiß nicht sicher, ist es ein Affe, ein junger Mann, ein frühreifer Bub oder ein Pubertierender? Hat der überhaupt schon Schamhaare oder wächst ihm ein dickes Fell?
"Körperlich frühreif, geistig unterentwickelt, haben sie mich genannt. Oder umgekehrt?"

Für Teresa Präauer ist Schimmi ein Mischwesen aus Mensch und Affe.
Und es ist auch "die Stimme der Autorin, in diesem Falle ich, die sich in einen jungen Mann hineindenkt, der sich wiederum in einen Affen hineindenkt. Oder in Rage redet. Oder mit Worten den Teufel an die Wand malt und dadurch selber auch so was Diabolisches bekommt."

"Statt immer Menschensätze zu sprechen: endlich U-u-u-u-u zu schreien, um danach ganz normal weiterzumachen, als wäre akustisch gar nichts vorgefallen. Kann doch nicht sein, dass es das Internet lustiger hat als wir selbst."

ausschnitt affe kupferstich

Wallstein Verlag

Natürlich trägt auch Schimmi gern goldene Grillz.

"der Hotteste unter den Hotten"

Wie auch immer. Schimmi will vor allem zweierlei: Zucker und Frauen.
"Nein, ich esse kein frisches Obst und Gemüse. Die Ladies sind meine Früchte, hoho!"

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Und diese Früchte beobachtet er durchs Fernrohr, verfolgt sie auf Pay-TV oder macht sich sonst für sie zum Affen. Daneben hat er ein massives Problem mit seiner Mutter - ein affiger Ödipuskomplex. Wobei nicht ganz klar ist, wer wen tyrannisiert und wer von wem abhängig ist.

Generell sind die Beziehungen in dem reigenhaften Roman kompliziert. "Jeder hat zu jedem Zuneigung oder Hingabe oder sexuelle Lust und gleichzeitig gibt’s auch ein unglaubliches Abstoßungsverhalten oder den Wunsch sich abzunabeln."

live im Museusmquartier in Wien im Rahmen der otöne lesen
Teresa Präauer aus "Oh Schimmi"
und
Margit Mössmer aus "Die Sprachlosigkeit der Fische"

Beginn ist um 20:00 bei freiem Eintritt.

"Auch das ist sie, die Schimmifikation"

"'Jim!' meine Mutter hat die Fassung zurückerlangt und brüllt mir ins Ohr, als wäre sie das krasse Gegenteil von Jane Goodall, nämlich nothing good at all."
Teresa Präauer spielt ebenso überzeugend wie überraschend mit Sprache und ist dabei sehr komisch. Humor sei eben die andere Seite der Melancholie. "Ich glaube, dass der Schimmi die Welt und das Leben nur durch diesen Humor ertragen kann. Aber vielleicht ist das auch auf die Autorin zu übertragen. Der Schimmi hat ja auch sehr schwierige Momente in seiner Biographie. Gleichzeitig ist er so ein Hochstapler. Und aus diesem Unterschied zwischen seiner wahren Größe und dem, wie er sich die Welt auch schön redet und Gold redet und glitzernd macht durch Sprechen – aus diesem Unterschied entsteht natürlich auch die Komik."

"Realismus Baby!"

2015 trat Teresa Präauer mit einem Auszug aus "Oh Schimmi" beim Wettlesen um den Bachmannpreis an. Besonders schön die Stelle, bei der sie ins Publikum schaut und sagt: "Mutter, bitte ruf mich nicht an, ich bin mitten in so einer Affensache." Das sei natürlich als Kommentar für die aktuelle Lesesituation gedacht gewesen. Teresa Präauer war für jeden Preis nominiert, ging letztlich aber leer aus. Rückblickend meint sie: "Bei einer Affensache ist der Ausgang natürlich ungewiss. Insofern war das ganz gut, wie es glaufen ist."

"Magisch! Magic! Magicalometrical!"

"Oh Schimmi" ist völlig überdreht, lustvoll, lustig und durchgeknallt und fährt in etwa so ein wie ein picksüßer Cocktail mit vielen exotischen Früchten. Aber einer, der schmeckt.