Erstellt am: 24. 8. 2016 - 14:42 Uhr
KRS-One in Wien: "You must learn!"
Im aufmüpfigen Klassenzimmer HipHop übernimmt der Rapper KRS-One zweifelsfrei das Amt des Klassenvorstandes. „The Teacher“, wie sich Lawrence Parker, der Altmeister aus der Bronx betitelt, reformierte in der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre mit der Band „Boogie Down Productions“ und seinem Edutainment die Alte Schule des Raps. Seit dem ist der 51-jährige ihr soziales Gewissen und Botschafter des Hip-Hop-Kulturerbes auf Lebenszeit.
Thomas Unterberger
Auch heute in der (nicht prall) gefüllten Arena Wien erinnert KRS-One mit markanter Stimme und hochtrabendem Gestus, wofür sein Name steht: „Knowledge reigns supreme over nearly everyone". Also, Hefte raus: „You must learn!“.
Lektion 1: "Respect the four Elements"
KRS-Ones reine HipHop-Lehre definiert als vier Elemente die vier Säulen, die HipHop als Kultur aufgebaut haben: Rap, DJaying, Breakdance und Graffiti. Nur wenige MCs verkörpern Rap glaubhafter als KRS-One. Sein Sohn DJ Predator Prime bestellt die Beats statt vom Vinyl vom Laptop. Die heimische United Mind B-Boy Crew (plus one Flygirl) fegen den Boden frei. Und ein Writer malt an der Staffelei das Sketch „Vienna HipHop“, natürlich in rot-grünen Farben. Der Vibe der Hymne "Step into a World" vermittelt die Aura eines Jams aus der guten alten Zeit, allerdings können weder Tanzeinlagen noch Graffiti dem Blastmaster das Wasser reichen.
Lektion 2: "Cooperation is better than competition"
Seit seinen frühen Tagen Mitte der Achtziger predigt KRS-One den Zusammenhalt im HipHop („Stop the Violence“). Konflikte seien verbal zu lösen, nicht mit Waffengewalt. („100 Guns“). Denn rechtschaffen ist, wer nicht nur auf sich schaut, sondern auf andere („American Flag“).
KRS-One war schon immer ein lauter Kritiker der weißen Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner. Sein hektischer Boom-Bap-Meilenstein „Sound of da Police“ („The sound of da beast“) wirkt heute erschreckend aktuell. Zu den Rassismusvorwürfen gegen die Polizei in den USA hat er heute nichts zu sagen, außer: „Fuck the police“.
Lektion 3: "Learn History"
Vor dreißig Jahren erschien KRS-Ones Debüt-Album „Criminal Minded“, das er gemeinsam mit seinem verstorbenen Partner DJ Scott La Rock als Boogie Down Productions aufnahm. Wir hören „Love's Gonna Get'cha“, „South Bronx“, „9mm Goes Bang“. Nicht jeder seiner Zuhörer kenne sein „Legacy“, sagt KRS-One und droppt ein paar Namen aus der Steinzeit des HipHops wie Grandmaster Flash oder Funky Four Plus One. Wen er nicht erwähnt: HipHop-Urvater Afrika Bambaataa. Vor Monaten traten vier Männer an die Öffentlichkeit und sagten, Bambaataa hätte sie damals als Jugendliche sexuell belästigt. Dass für KRS-One die HipHop-Kultur über allem steht, zeigt seine von mehreren Seiten kritisierte Reaktion: Bambaataa müsse unberührbar bleiben, damit HipHop als Kultur unberührbar bleibt. Heute Abend verliert er darüber kein Wort.
Thomas Unterberger
Lektion 4: "Each one must teach one"
Der Teacher überlässt heute gerne dem Nachwuchs die Bühne. Daher darf sein junger Host, Rapper Chris aus Baden, auch noch zwei Songs performen, die sein Partner mit erfrischendem Reggae-Vibe verstärkt. KRS-One signiert indes mit einer Karikatur das Graffiti auf der Leinwand, das er später am Merch-Stand von seiner Tochter verkaufen lässt. Es macht ihn sympathisch, dass er dem jungen MC gefesselt zuhört wie ein Lehrer, dessen begriffsstutziger Schüler endlich verstanden hat, was ein positives Vorzeichen ist.
Lektion 5: "Improvise"
Ein MC muss freestylen können. Was am Beginn seines Auftrittes noch nicht ganz hinhaut, steigert KRS-One, als er zum Vienna-Schriftzug am fertigen Graffiti ein Akronym improvisiert. Das V steht für „Victory", I für „intelligent“, E für „Excellence“, N für „never gonna give up, always try to win“, N für Nachdenkpause, dann für ihn als „New Member of Vienna“ und das A hat er vergessen, weil er einem Handy-Filmer aus dem Publikum den Auftrag erteilt, er möge sein Video als DVD weltweit verbreiten.
Lektion 6: "Listen to the Soundman"
Ein Abend voller HipHop-Klassik geht dem Ende zu, als KRS-One noch drei Songs von seinem neuen Album „Now Hear This" (2015) präsentiert. Dieses sei kommerziell unabhängig, ohne Plattenfirma produziert - was dem Mastering des Albums leider deutlich anzuhören ist. Daher ist sein Song „Sound Man“ ein wichtiges Loblied an alle Tonmischer. Jener in der Arena hat KRS-Ones Schwanken zwischen energetischem Gebrüll und bestimmtem Flüsterton gut im Griff.
Lektion 7: "Don´t let Technology steal your Humanity"
Zum Abschluss, nach kurzen siebzig Minuten, appelliert der Teacher noch einmal, zu Hause in Ruhe nachzudenken, was wir ohne Technologien, ohne dem Internet alles schaffen können. HipHop soll daran erinnern, dass wir menschlich sind. Zum Beweis beginnt er zu beatboxen, nimmt das Mikrofon weg, brüllt unverstärkt von der Bühne in die letzten Reihen der luftig gut gefüllten Arena, ob sie ihn hören können. „The human voice is more powerful than anything else“. Vor allem seine.
Fazit: Dankenswerterweise lässt KRS-One seine spirituellen Predigten - so gut es geht - hinterm Berg und erwähnt seine Sicht auf Gott in nur wenigen Sätzen. Nicht jeden seiner Hits packt er aus, mancher Refrain holpert, auch sein Singsang verfehlt immer wieder sein Ziel. Dennoch: KRS-Ones Aura bleibt anziehend, sein Spaß an der Sache nach wie vor ansteckend, seine moralischen Botschaften größtenteils begrüßenswert.