Erstellt am: 22. 8. 2016 - 16:52 Uhr
Die dunkle Ecke
In der ruppigen FM4 Sendung House Of Pain bin ich der Musik-Beauftragte für so Feelgood-Genres wie Dark Wave, Industrial und alles dazwischen. Nehmen wir uns doch kurz die Zeit und sehen wir uns an, welche Platten ich in meinen letzten dunklen Ecken vorgestellt habe.
Mick Harvey: Delirium Tremens
Mick Harvey, der kreative Langzeit-Partner von Nick Cave trennte sich 2009 von den Bad Seeds. Persönliche und künstlerische Gründe nannte der Australier damals als Grund für seinen Ausstieg.
Mick Harvey
Seitdem hat Mick Harvey zwei Soloalben veröffentlicht, die wie Bad Seeds-Alben aus den Frühneunziger klingen. Sehr niveauvoll, sehr schön, allerdings ein wenig uninspiriert. Nicht so seine aktuelle Liedsammlung „Delirium Tremens“.
Vor 20 Jahren hat Mick Harvey die Platten „Intoxicated Man“ und „Pink Elephants“ veröffentlicht. Beide Alben waren Übertragungen des Werkes des berühmt-berüchtigten französischen Sängers und Komponisten Serge Gainsbourg ins Englische. 2014 sind diese Alben wiederveröffentlicht worden und nun führt Mick Harvey sein Projekt weiter. Auf seiner aktuellen Platte „Delirium Tremens“ hat er 12 neue Lieder von Serge Gainsbourg ins Englische übersetzt und musikalisch neu-interpretiert. Und diese Übersetzungsarbeit geht ihm meisterhaft von der Hand.
Marissa Nadler: Strangers
Marissa Nadler
Wir bleiben musikalisch bei Todes Country und Mörderballaden.
Seit 2004 hat die US-amerikanische Musikerin Marissa Nadler 10 Alben veröffentlicht, die alle von enorm guter Qualität sind.
Ästhetisch geht es bei ihr stets tieftraurig, hoch-emotional und melodie-eskapistisch zu. Eine geschickte Nacheiferin von Nick Cave und Mick Harvey. Zehn neue Lieder in geschmackvoller Edgar Allen Poe-Romantik hat Marissa Nadler für ihre neue Langspielplatte „Strangers“ aufgenommen. Produziert von Randall Dunn der eigentlich von Drone Metal-Produktionen für Sunn O oder Earth bekannt ist. Der perfekte Regisseur für die schon immer mit Black Metal kokettierende Nadler.
Teho Teardo & Blixa Bargeld: Nerissimo
Blixa Bargeld & Teho Teardo haben 2013 ihre erste gemeinsame Platte „Still Smiling“ veröffentlicht. Eine klassische Blixa Bargeld-Arbeit. Alles war da: Blixas typische Texte über Alltägliches und die Erhöhung des Alltags, sein Sarkasmus, seine Romantik und sein kluges Spiel mit Sprache. Auch seinen Sinn für Melodie hat er nicht gezügelt.
Teho Terado & Blixa Bargeld
Angespornt vom Italiener Teho Teardo hat er sich sogar so weit aus dem Fenster Richtung Pop gelehnt wie kaum zuvor. Teho Teardo übrigens hat sich seine musikalischen Sporen im Hardcore und Industrial-Umfeld der Spät-Achtziger und Neunziger verdient. Lydia Lunch, Wire oder Girls Against Boys tauchen im Lebenslauf von Teardo auf. In den 2000er Jahren näherte sich Teardo dem Jazz an und komponierte Musik für mehrere italienische Filme. Das zweite gemeinsame Album von Teardo und Bargeld setzt souverän den Weg des Debütalbums fort. Geschmackvoller schöner Kammerpop für Leute, die früher wild waren oder für junge Menschen, die schon mit 21 mit ihrer Abgeklärtheit hadern.
Xiu Xiu: Xiu Xiu Plays The Music Of Twin Peaks
Ein Kabinett aus verwobenen Klangwolken und Melodie. Indie-Electronica, New Wave, Post Punk und Queer-Goth. Leichte musikalische Kost hat der Amerikaner Jamie Stewart mit seinem Musikprojekt Xiu Xiu noch nie produziert. Ähnlich fordernd sind seit jeher auch die textlichen Inhalte in den Xiu Xiu-Werken zwischen den Polen Sex und Gewalt.
Xiu Xiu
Nun hat Stewart mit seiner Band die Filmmusiken der legendären Mystery-Serie von David Lynch gecovert. Für die Originalkompositionen, die nahezu genauso berühmt sind wie die Serie selber, ist der Komponist Angelo Badalamenti verantwortlich. Und die sind so meisterhaft, dass man sich die Sinnhaftigkeit diesbezüglicher Coverversion stellen muss. Aber alle Dünkel lösen sich in Wohlgefallen auf, denn Xiu Xiu erheben die meisterhaften Soundtracks ins Total-Transzendente. Vielleicht die beste Xiu Xiu-Platte überhaupt.