Erstellt am: 25. 8. 2016 - 06:03 Uhr
Teddy, we're ready for Rock’n’Roll
I think I might do something drastic if they don’t let me go.
Phil Sharp
Ezra Furman, Popstar, Rock’n’Roll Queen, Liebhaber roten Lippenstifts, überdimensionierter Goldketten und vor allem geblümter Röcke eröffnet seine neue EP „Big Fugitive Life“ mit gewohnter Theatralik. Die oft wahllos hingeworfen wirkenden Drohungen, bei denen man ihm im ersten Moment nur schmunzelnd auf die Schulter klopfen will, meint er dabei bitterernst. Ezra gegen alle, gegen die Welt, gegen Rassismus, Vorurteile, Hass und Ungerechtigkeit. Klingt naiv und ist es nicht.
Von vorne.
Einmal Krach, bitte
Rough Trade
Die EP "Big Fugitive Life" von Ezra Furman ist via Rough Trade erschienen.
Grundsätzlich ist es ihm egal, erzählt er, ob er vor großem Publikum spielt, oder einfach nur der Familie und Freunden auf der Akustikgitarre ein Ständchen singt. Das wird auf der neuen EP, die sechs Nummern umfasst, auch genauso umgesetzt:
Da gibt es die ersten drei Songs, Ezra Furmans unverkennbarer, giggelnder, schrulliger, schunkelnder Rock’n’Roll, der sich so sehr ins Saxophon verliebt hat - und eigentlich auch alle anderen Blasinstrumente, die ihn laut und tatkräftig auf die Wolken heben. Bum-Zack-Blitz, Aufschrei. Hell zuckender, köstlicher Wahnsinn.
The first three songs are our vision of rock and roll. A madness that overtakes your mind and body. It is wanting to go somewhere you’ve never been, knowing you’re on your way.
„Teddy I’m Ready“ ist die erste Single, berstend vor Dramatik, Narzissmus, Selbstironie. Angefangen mit einem einsam klingenden, zitternden Gitarrenriff steigert sich der Song bis zur Explosion: Ja, wofür bist du ready? Für Rock’n’Roll, lieber Teddy.
Welcome to Ezra's world: A Guide For The Perplexed.
Als Ezra noch zur Schule ging, schrieb er seine Texte, um sich vor den Hausaufgaben zu drücken - jetzt, da er die Schule schon seit Längerem abgeschlossen hat, ist er damit viel, viel langsamer. Er sammelt immer bedächtig Zitate, on the road, im Tourbus, zuhause, im Urlaub. Auch die neue EP ist ein Puzzle aus Satzfetzen, die man am liebsten wie ein Wörterbuch mitnehmen und auf Geheiß frei heraus zitieren möchte. An Glanzstücke wie „Death is my own Tom Sawyer“ ("Restless Year", vom Album „Perpetual Motion People") schließt jetzt zum Beispiel „I’m blowin‘ in the wind, I’m blowin‘ all around“ ("Little Piece Of Trash") an.
Und einmal Ruhe, danke
Nach diesen ersten drei getriebenen, lauten, frechen Songs gibt es die drei letzten, die folkiger, inhaltlich viel politischer sind. Auf denen man ab und zu nur die traurige Stimme hört, die sich an die gezupfte Gitarre anschmiegt.
The second side is acoustic guitar, as an open wound, a troubled mind on display. Emotional in a different way, tender like a bruise.
Ganz am Schluss singt Ezra Furman „Refugee“, die Geschichte seines jüdischen Großvaters und dessen Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg; sie ist die wahrscheinlich persönlichste, fragilste die er seinen Zuhörern je erzählt hat.
We dedicate this record to refugees of all kinds, all over the world. May all the wanderers find the homes they seek, and and may those with power welcome them as fellow citizens of humanity.
Gaelle Beri
Ezra Furman versteht unter seinem Dasein als Musiker die Möglichkeit, sein Leben voller, dichter, tiefgründiger zu leben, als es ihm ohne diese Ausdrucksform möglich wäre. Am besten immer auf der Bühne, jeden Moment nutzen. Und natürlich und gerade deshalb seine Stimme.
Ezra live!
Ezra Furman spielt mit seinen Boyfriends live demnächst hier:
- 3. 11., WUK Wien
- 5. 11., Posthof Linz (Ahoi Pop Festival)
Die EP - schon ein bisschen wie das Vorgängeralbum "Perpetual Motion People”, diesmal aber noch stringenter wegen der klaren Zweiteilung - zeichnet das Bild eines zerrissenen Künstlers. Der das Ruhige und das Schrille, das Laute und die Melancholie verbindet. Der sich zwischen Punk und Folk, zwischen Falsett und Geschrei, zwischen Rock und Hose, zwischen rotem oder grünen Nagellack nicht entscheiden will.
Warum sollte er auch?
Ezra Furman ist seine eigene Marke, "Big Fugitive Life" der neueste, wunderbare Beweis dafür.