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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

21. 8. 2016 - 16:46

Es kommt ein neuer Morgen

Der Song zum Sonntag: Weyes Blood - "Seven Words"

Die Türen und Fenster öffnen sich. Hinein in ein neues, bislang unbekanntes Leben. Das alte müssen wir jedoch hinter uns lassen, einen scharfen Schnitt machen, der weh tut, zunächst. Danach aber können wir frisch beginnen, beim ersten Schritt machen wir vielleicht noch die Augen zu.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Die kalifornische Musikerin Natalie Mering verhandelt in ihrer Musik gerne die guten, alten, die ewigen Themen: Die bittersüßen Geschichten vom Aufbrechen und vom Weiterkommen, aber auch vom Suchen, vom ziellosen und zweckungebundenen Driften, der Orientierungslosigkeit, die das Leben ist.

Weyes Blood

Weyes Blood

Dem Weirdo-Popper Ariel Pink hat Mering ihre Stimme als Backgroundsängerin geliehen, bei dem Noise- und Free-Form-Kollektiv Jackie-O Motherfucker ist sie Mitglied gewesen. Mit ihrer eigenen Musik, unter dem Projektnamen Weyes Blood, hat sie sich bislang vornehmlich an pastoralem britischem Folk der 60er-Jahre abgearbeitet, gerne zerfasert, spinnert, ins Experimentelle gebogen.

Oft ist in den Songs von Weyes Blood kaum mehr zu hören als Natalie Merings warmes, kryptisch vibrierendes Sopran, eine gezupfte Gitarre, sanft, ganz sanft, oder ein paar Töne aus dem alten Klavier. Immer wieder balanciert sie den Naturspirit und die Leichtigkeit des Folk mit kaltem Drone-Minimalismus im Sinne von the Velvet Underground, Nico oder auch Sonic Youth aus.

Demnächst erscheint unter dem Titel "Front Row Seat to Earth" das dritte Album von Weyes Blood, die Vorabsingle "Seven Words" zeigt die Musikerin so zugänglich wie nie zuvor: Eine wohlig-weihevolle Orgel, eine manipulierte Slide-Gitarre, mit dem Samthandschuh behandelte Drums.

Die sieben Wörter, die dem Song den Titel geben, sind die sieben Wörter, die den Endpunkt einer Beziehung zwischen zwei Menschen gesetzt haben: "These seven words are no longer mine. Who am I but a stranger who took you down?" singt Natalie Mering.

Wie diese sieben Wörter lauten, wird nicht ausbuchstabiert. Nach der Trennung erwachen unsere Träume und die guten Absichten zu neuem Leben. Der Song endet auf mehrdeutiger, zwiespältiger Note: "It had to be seven words to set us free", heißt es da. Wir sind jetzt also frei und erlöst und blicken in eine hoffentlich halbwegs frohe Zukunft. "Now I face tomorrow, now I face tomorrow, now I face tomorrow", heißt es ganz am Schluss.

Der anfänglich vage jubilierende Gesang wird langsamer, säuft und stürzt ab, wie eine ohne ihr Einverständnis abgebremste Schallplatte. Die Gewissheit, dass wir etwas verloren haben, mischt sich mit dem Optimismus, mit dem wir die Arme strecken und unsere jungen Körper dehnen.