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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

20. 8. 2016 - 18:41

Spielen und Staunen in Köln

Die Videospielshow Gamescom hat wieder zigtausende Spielefans in die deutsche Großstadt gelockt. Es gab Virtual Reality, Kunstinstallationen und den größten Game Jam der Welt.

Es ist jedes Jahr aufs Neue verblüffend, wie geduldig die unzähligen, zumeist sehr jungen, Gamescom-Besucher/innen sind. Dass man keine Berührungsängste haben sollte, wenn man sich vier Tage lang durch voll mit Menschen gestopfte Messenhallen wälzt, liegt auf der Hand. Aber auch, wenn man Klappstuhl, Buch und Nintendo 3DS dabei hat, damit einem beim Warten in der Schlange nicht langweilig wird: Die Zeit, die man mit dem Antesten vieler neuer Spiele verbringen könnte - der Grund, warum man überhaupt die Gamescom besucht -, geht letztendlich hauptsächlich fürs Warten drauf. Es ist ein bisschen so, wie beim Schifahren: 95% An-, Rück- und Liftfahrt, 5% Schifahren. Und doch hat die Gamescom in den letzten acht Jahren nichts an ihrer Populariät eingebüßt. Im Gegenteil: Jedes Jahr kommen noch mehr Leute, und man fragt sich, wie sich das platztechnisch und logistisch immer irgendwie ausgeht.

Spielkultur auf FM4

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Erster Rundgang

Am Grundprinzip ändert sich schon seit einigen Jahren kaum etwas: Die meisten Hallen sind mit einigen wenigen, dafür jeweils riesig großen Messeständen gefüllt, deren immenser Umfang mittels Fotos nicht so recht übertragen werden kann. Aber Größe ist ohnehin nicht alles: Denn so protzig EA, Blizzard, Bethesda, 2K und Co. ihre Booths auch gestalten: Was zählt, sind natürlich die jeweiligen Spiele. Viel Erwartbares - zumindest vom Titel her - gibt es da aufzuzählen, Games wie "Battlefield 1", "Mafia III", das neue "Zelda" oder die neue "World of Warcraft"-Erweiterung. Aber auch neue Namen wie "Detroit: Become Human" oder "Cuphead" stehen am Speiseplan für Ende 2016 und Anfang bis Mitte 2017.

"Mafia III"-Messestand auf der Gamescom

Robert Glashüttner

Virtual Reality ist gekommem, um zu bleiben

Ein Neuzugang konnte in Sachen Messeständsgröße mit den eingespielten Playern problemlos mithalten: Oculus (mit dem VR-Pioniergerät Rift) hat auf der Gamescom nämlich auch ordentlich geklotzt, wie überhaupt das Thema Virtual Reality nicht mehr wegzudenken ist. Wo vor einem Jahr die Skepsis noch groß war, ob sich die neue Technologie für Games überhaupt durchsetzen würde oder doch nur ein kurzlebiger Hype bleiben sollte, waren nun schon die meisten überzeugt. Kein Wunder: Die großen Verlage wie Ubisoft oder Sony hatten allesamt einige kommende VR-Titel im Angebot sowie herkömmliche Spiele, die über einen zusätzlichen Virtual-Reality-Modus verfügen.

Sony hat naturgemäß das größte Interesse am Erfolg von Virtual Reality, erscheint doch schon im Oktober Playstation VR. Es ist im Vergleich zu HTC Vive und Oculus Rift die zweifellos günstigste Premium-Brille, um deren Performance man sich noch dazu keinerlei Sorgen machen muss, da sie nicht auf einem möglicherweise zu langsamen PC, sondern auf der Playstation 4 in Aktion treten wird. Abstriche gibt es zur Konkurrenz dabei auf den ersten und zweiten Blick keine: Auflösung, Bildwiederholfrequenz und Geschwindigkeit sind solide, darüber hinaus sitzt die Playstation-Brille sogar etwas bequemer am Kopf und sieht durch ihr schwarz/weiß/blau-Design noch dazu etwas einladender aus.

Messestand von "Batman Arkham VR" auf der Gamescom

Robert Glashüttner

Hinter verschlossenen Türen

So riesig die Publikumsmessehallen auch sind, so divers gestalten sich hingegen die kleineren Stände und Präsentationsbereiche in der Business Area der Gamescom. Dort präsentieren Entwickler/innen und Producer/innen ihre aktuellen Spiele der Presse. Auch hier ist Virtual Reality natürlich ein sehr wichtiges Thema, sei es bei großen Marken wie Batman oder Star Wars oder bei renommierten Spieleserien wie "Doom" oder "Fallout". Auch kleinere Titel wie etwa das von der polnischen Demoscene-Gruppe Plastic entwickelte "Bound", wo sich eine grazile Figur in Kleid und mit mysteriöser Maske eine surreale Traumwelt erläuft, erspringt und vor allem ertanzt, werden später in einem eigenen Virtual-Reality-Modus spielbar sein.

Entwickler des Playstation-Spiels "Bound" auf der Gamescom

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Charakteranimator Bartosz Brudy (links) und Gamedesigner Karol Krok vom Team Plastic präsentieren "Bound" - übrigens bereits für PS4 erschienen!
Entwickler von "Little Nightmares" präsentieren auf der Gamescom ihr Spiel.

Robert Glashüttner

Corporate Identity ist alles: Tarsier Studios präsentiert in gelb ihr kindliches Horrorspiel "Little Nightmares", dessen Heldin ein gelbes Regencape trägt.

Der größte Game Jam der Welt

Noch versteckter als der Business-Bereich der Gamescom ist ein Game Jam, an dem rund 200 Menschen aus 27 Nationen teilgenommen haben. Ob der InnoGames Jam tatsächlich der größte Game Jam der Welt war, sei dahingestellt - beeindruckend ist diese Zahl auf jeden Fall. Dass die Veranstaltung nicht so leicht auffindbar war, hatte übrigens einen guten Grund: Denn wenn man etwas beim Entwickeln und Gestalten nicht braucht, dann sind es viele aufgeregte Leute, die lautstark um einen herumwuseln. Gewuselt wurde dafür dann am Freitag am Abend, als die fertigen Jam-Spiele beim umfangreichen Indie-Arena-Stand am Gamescom-Gelände präsentiert worden sind.

Der Indie Arena Jam auf der Gamescom.

Robert Glashüttner

Game Jam im großen Stil
Vania und ihr Team beim Indie Arena Jam bei der Gamescom.

Robert Glashüttner

Indie-Games-Entwicklerin Vania Marita (links) kommt aus Yogyakarta in Indonesien und hat den langen Weg nach Deutschland genommen, um in Köln zu jammen.

Elektronische Spielformen

Für FM4-affine, kulturbeflissene Alternativlinge, die über zu viel Spielekommerz gerne das Näschen rümpfen (oder damit schlicht nichts anfangen können), haben während der Gamescom-Zeit dennoch immer einen guten Grund, nach Köln zu kommen: das Kunstfestival Platine. Die Platine ist quasi eine kleine, feine Indie-Version der Ars Electronica und findet innerhalb einiger Bars im unaufgeregt hippen Bezirk Ehrenfeld statt. Die Objekte sind meist interaktiv und audiovisuell verspielt. Manche haben einen Games-Bezug, andere wieder nicht. Die Veranstalter versuchen nicht mal ansatzweise, das klassische Gamescom-Publikum in die sympathisch abgeranzten Ehrenfelder Kneipen zu locken. Somit bleibt die Platine ein Geheimtipp, der trotzdem immer gut besucht ist.

Vom Spieleindustrie-Wahnsinn zum Indie-Game-Jam, von der Virtual-Reality-Verheißung zum alternativen Kunstfestival - die Gamescom-Tage in Köln sind von Jahr zu Jahr immer wieder sehenswert und für Spielkulturmenschen in ihrer Vielfalt unerreicht.

Ein Vater und seine Tochter spielen auf dem Platine-Festival die Kunstinstallation "Sisyfox".

Robert Glashüttner

Rollen, rollen, rollen ... Sisyphos-Spielen bei der Platine, namentlich bei "Sisyfox".