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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

21. 8. 2016 - 20:17

Grinding in der Unendlichkeit

In "No Man's Sky" kann man 18.446.744.073.709.551.616 Planeten und Monde besuchen. Bliebe man auf jedem davon nur eine Sekunde lang, würde die Reise fünf Milliarden Jahre dauern. Aber reicht das für ein gutes Spiel?

Jahrelang wurde das angekündigte Videospiel "No Man’s Sky" des Indie-Developers Hello Games mit Vorschusslorbeeren überschüttet. Als das Entwicklerstudio dann auch noch eine Kooperation mit Sony einging, wurde der Hype noch intensiver. Die faszinierende Idee hinter dem Weltraumspiel kennt man mittlerweile: Es sollte größer sein als jedes andere bisher, mit 18 Trillionen verschiedenen Planeten und Monden, berechnet und gestaltet durch komplexe mathematische Algorithmen. Prozedural erstellt werden im Spiel nicht nur die Landschaften, sondern auch Pflanzen und Tiere auf jedem Planeten, sodass eine quasi unendlich vielfältige Artenvielfalt zu bewundern ist. Im Internet hat das mittlerweile zu einigen kuriosen Memes geführt - einige Spieler etwa sammeln auf der Website Dicks of No Man's Sky Bilder von Landschaften und Lebewesen, deren prozedural generierte Gestalt an die Form eines Penis erinnert.

Hello Games

Trotz der optischen Vielfalt stellt sich die Frage: Was hat "No Man’s Sky" sonst noch zu bieten - und muss es das überhaupt, oder reicht das Erforschen eines quasi unendlich großen Universums?

Fremde Welten

Meine Reise beginnt auf einem Planeten. Anscheinend bin ich hier gestrandet. Vor mir steht ein kaputtes Raumschiff. Seltsam anmutende Gewächse schauen zwischen bizarren Steinformationen und Kristallformationen hervor. Ich sammle Resourcen, um mein kaputtes Raumschiff zu reparieren, begegne einem saurierartigen Wesen (harmlos) und einer in der Luft herumfliegenden Drohne (aggressiv). Irgendwie gelingt es mir zu überleben, das Raumschiff in Gang zu bringen und den Planeten zu verlassen.

Der Weltraum

In "No Man’s Sky" sind die Weiten des Alls nicht schwarz, sondern grün, rot, violett oder blau. In dem bunten Nebel entdecke ich eine Raumstation, deren Design aus einem alten Comic-Heft zu stammen scheint. Wirkliches Weltraum-Feeling kommt nicht bei mir auf.

Hello Games

Hässlichere Weltraumgrafik hatte keine Space Sim seit den achtziger Jahren

Im Inneren der Raumstation kann man mit einem Alien ein paar Tauschgeschäfte machen und mittels eines Computerterminals handeln. Sonst ist nicht viel los. Ich verlasse den tristen Ort und fliege auf den nächstgelegenen Mond, der interessanter und realistischer ausschaut als die Raumstation. Wieder sammle ich Materialien ein, diesmal um mein Lebenserhaltungsystem aufzuladen und um Treibstoff für den interstellaren Hyperraum-Antrieb herzustellen. Dann kann ich endlich dieses Sonnensystem verlassen – es gibt ja noch 18 Trillionen weitere.

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Bizarre Aliens und Mondlandschaften sind die Stärke des Spiels

Im neu entdeckten Sonnensystem erscheint der Weltraum in einer anderen Farbe. Das Muster, dem das Spiel folgt, wird klar: In jedem System fliegt man zu Planeten, Monden und Raumstationen, um dort Resourcen für Raumschiff und Raumanzug zu sammeln oder einzutauschen. Dann fliegt man ins nächste System in Richtung des Zentrums der Galaxie. Dort gibt es ein Wurmloch und man gelangt in eine andere Galaxie. Manchmal wird man auch in Weltraumkämpfe verwickelt - gegen Computergegner, denn "No Man's Sky" ist ein Singleplayer-Spiel.

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Natürlich kann man aus dem Grinding-Muster ausbrechen und das Spiel auf andere Weise interpretieren. Manche Spieler machen es sich auf einem einzigen Planeten ihrer Wahl gemütlich. Andere wollen soviele Sonennsysteme und Galaxien wie möglich bereisen. Die einen kämpfen mehr, die anderen handeln mit Gütern. Der Weg ist das Ziel. "No Man’s Sky" wird manchmal mit Minecraft verglichen, aber dieser Vergleich hinkt: Zwar wird die Welt von Minecraft ebenfalls prozedural generiert und ist quasi unendlich groß, aber in Minecraft kann man jedes Detail der Welt selbst formen, gestalten und umbauen. In "No Man’s Sky" fehlt diese Komponente der Kreativität völlig.

Unendliche Weiten

Als Weltraumspiel ist mir die Grundidee von "No Man's Sky" - ein unendlicher Kosmos, den es zu erforschen gilt - grundsätzlich sympathisch. Gleichzeitig ist mir das Spiel aufgrund seiner Kaugummi-Ästhetik im Weltraum aber zu unrealistisch. Das im vorigen Jahr erschienene "Elite Dangerous" sieht schöner aus, stellt die 400 Milliarden Sonnensysteme unserer Galaxie astronomisch korrekt dar - und bietet einen echten Multiplayer-Modus. Und alle, die einen unendlich großen Weltraum-Baukasten wollen, seien auf das großartige Indiegame "Star Made" hingewiesen - das ist quasi Minecraft in Space. "No Man’s Sky" ist eine technisch beeindruckende Hommage an die unvorstellbare Größe des Universums – den vollen Preis von 60 Euro für beide Versionen (PS4 und PC) ist das aber nicht wert.