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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

18. 8. 2016 - 08:00

Drehort: Eisenerz

Schlafsack, Kamera, Schnittplatz: Eine Woche Zeit haben junge FilmemacherInnen, um einen Kurzfilm zu realisieren. Die Premieren gibt es am Samstag beim Rostfest in Eisenerz zu sehen.

Rostfest

Festival für regionale Impulse, 18. bis 21. August 2016, Eisenerz

"Eine Gruppe ist auf einem Hochsitz im Wald und dreht ein psychedelisches Szenario. Die andere Kollegin ist in ihrem Zimmer verschlossen und arbeitet ihr Archiv durch. Alles wird sich bei der Präsentation am Samstag auflösen", teasert Jakob Glasner.

Das Modell des zweiten Apparats, den August Musger gebaut hatte. Musger hat die Zeitlupe mit seinen Erfindungen möglich gemacht

Technisches Museum Wien

August Musgars zweiter Apparat. Eine Ausstellung erzählt nun von seinem Schaffen.

Das Street Cinema Graz hat junge FilmemacherInnen zu einer Residency in Eisenerz geladen. Einer von ihnen, Florian Pochlatko, wird abends ankommen. Noch ist Zeit. Diesen Samstag werden die Filme bei der Kurzfilmwanderung beim Rostfest in jener Stadt zu sehen sein, in der der Erfinder von Slow-Motion geboren worden war: Eisenerz hat eine reiche Filmgeschichte! August Musgers Erfindung von 1907, mit der die Zeitlupe erstmals möglich wurde, kam noch ohne Strom aus.

Jetzt ist die Kabeltrommel der wichtigste Gegenstand. Denn das Rostfest setzt nach wie vor auf das Eigenengagement seiner BesucherInnen und will, dass leerstehende Räumlichkeiten in Eisenerz genutzt werden. "Urban Camping" ist ein Übernachtungsabenteuer in ausgeräumten Wohnungen für FestivalbesucherInnen und auch viele Kollektive, die beim Rostfest Programm machen, brauchen handwerkliches Geschick.

Was ist denn mit der Realness?

Will man in einem der Altbauten mit den schmucken Außenfassaden ins Atelier der FilmemacherInnen finden, folgt man also einem Kabel. Der bildende Künstler Jakob Glasner nimmt die Ateliersituation sportlich. "Jetzt haben wir es geschafft! Jetzt haben wir einen schönen Raum mit Schneideplatz, Strom und Licht!", freut sich der gebürtige Steirer.

Jakob Glasner liegt in einem Schlafsack, dick eingepackt, auf einem Holzboden und schaut, als wäre ihm kalt.

Maria Motter

Ein Artist in Residence: Jakob Glasner ist ausgerüstet

"Ich brauche eine Hand, um über Claras Gesicht zu swipen". Die Dreharbeiten für seinen Kurzfilm sind im Gange. "Es wird darum gehen, wieviel Zeit wir damit verbringen, über Bildschirme zu swipen." Ich werde eingeteilt. Plötzlich fällt es unglaublich schwer, der gegenüberstehenden Person über das Gesicht zu streichen. "Durchaus aggressiv, bitte", lautet die Regieanweisung.

Eisenerzer Filmgeschichten:

Von Österreich-Ungarn nach "Casablanca"
Mihály Kertész Kaminer drehte für "Sodom und Gomorrha" (1922) mit bis zu 14.000 Personen, die Angaben schwanken. Später arbeitete der eifrige Regisseur unter dem Namen Michael Curtiz in Hollywood: Er ist der Regisseur von "Casablanca".

Bodo Hells Postkartensammlung in einer Dokufiktion: "Im Anfang war der Blick" von Bady Minck

Nikolaus Geyrhalter, Sebastian Brameshuber und Wolfgang Murnberger drehten vor Ort. Auch in der kommenden ORF-Miniserie „Pregau“ mit u.a. Ursula Strauss und Robert Palfrader ist die Stadt ein Schauplatz.

Jakob Glasner hat auf der Angewandten in Wien studiert. Je nach Konzept entscheidet er sich für das Medium: Performance (wie "Face Weight Lifting"), Skulpturen, Videoarbeiten oder auch Design (wie der "Fingerschinder", ein Brett für Klimmzüge). In einer Soziologie-Vorlesung hörte er, wie der Kapitalismus in alle Sphären der Gesellschaft eindringe, nicht zuletzt auch in die politische. Daraufhin bot Jakob sich als Demonstrant an und ging mit einem Schild mit der Aufschrift "Hier könnte Ihre Werbung stehen" herum. Den Demonstrationsraum bot er als Werberaum an. Einige Monate darauf gab es eine Werbung mit diesem Sujet. "Solche Ideen liegen in der Luft und werden aufgegriffen", sagt er. "Ich sehe Copyright auch kritisch und bin der Open-Design-Idee zugetan." Wenn eine Idee kommerziell ausgebeutet wird, frage er sich als Künstler allerdings, auf welcher Seite man stehe. Die Residencys für die FilmemacherInnen hat das Street Cinema Graz via Crowdfunding und mit eigenen Mitteln aufgestellt.

Als flöge ein Alien über fremdes Territorium

Am Erzberg ist 1911 der erste österreichische Industriefilm gedreht worden. Auf Clara Wildbergers Smartphone-Screen erscheint der Erzberg fern und betörend. So, als würde ein Alien über unbewohnte Weiten irgendwo in den USA fliegen. „Ich hatte eine vage Idee, was in einer Woche umsetzbar ist. Vor allem wirkt der Ort. Wenn nicht gerade Rostfest ist, wirkt Eisenerz wie ein verschlafenes Dörfchen. Der mächtige Erzberg thront über der Ortschaft.“ Ihren Kurzfilm montiert sie aus Aufnahmen aus ihrem Archiv und gerade Gedrehtem, die Atmosphäre des Aufenthaltorts wird komprimiert auf Bildsequenzen und Noise.

Die Fotografin und Filmemacherin Clara Wildberger ist ebenso Artist in Residence des Street Cinema Graz. In vergangenen Arbeiten hat sie TouristInnen aus arabischen Ländern in Zell am See porträtiert und verändert damit den heimischen Blick auf diese Landschaft.

Clara Wildberger mit Schutzhelm am Erzberg, hinter ihr steht eine der großen Baufahrzeuge, ein sogenannter "Hauly"

Clara Wildberger

Clara Wildberger ist an einem Tag Fan der "Erlebniswelt Schaubergwerk" und des "Abenteuer Erzbergs" geworden. "Es ist etwas Superspannendes, mit dieser Bahn in den Berg hineinzufahren und tief im Inneren herum zu wandern. Man bekommt einen Eindruck, wie hart die Arbeit noch vor einhundert Jahren war."

Hochsitzen

"Es ist schwer, irgendetwas zu verraten, ohne, dass es schon zuviel wäre!", sagt Vincent Seidl vom Grazer Kollektiv Henx am Telefon über ihr Projekt. In ihrem Kurzspielfilm verbringt ein Jäger sehr viel Zeit auf einem Hochsitz und das macht was mit dem. Um Geld zu verdienen, macht Henx Werbung. "Und für uns machen wir Projekte wie Dokus und Musikvideos". Letztere drehten sie vor allem für The Base, die kommenden Samstag beim Rostfest spielen werden. Ins Himalayagebirge folgte Raoul Kopacka von Henx dem Radfahrer Jacoub Zurl im Vorjahr für die Doku "The High Road".

Kurzfilmdreh in einem Hochsitz: Das Kollektiv HENX mit einem Jäger

HENX

On-Location-Selfie: Henx drehen ein psychedelisches Szenario am Hochsitz. Der Jäger hat vor fünf Tagen zugesagt, er ist Schauspieler.

Die anderen beteiligten FilmemacherInnen kannten sie zuvor noch nicht. Umso mehr sind sie von der Idee der Residency angetan. "Jetzt drehen wir noch die letzte Szene, dann gehen wir schneiden in Graz und dann fahren wir wieder rauf!"

3 Tipps für das Rostfest

  • Badesachen (Freibad! Leopoldsteinersee!) und Herbstjacke einpacken! Draußen heizt die Sommersonne alle Gesichter der Gäste im Barbarastüberl (Mehlspeisen!) auf, wo gerade die lieben Menschen von Numavi Records Kaffee trinken. Sie sind auch schon da. Die Nächte werden garantiert unerwartet frisch.
  • Kurzfilmwanderung am Samstag, 20. August 2016, zur Primetime: 20:15!
  • Jammerschade ist, dass das Rostfest erneut zeitgleich wie das FM4 Frequency stattfindet. Doch: La Boum De Luxe reist in die Eisenerzer Alpen und wird am Freitag, 19. August 2016, aus der Knackstube einen Floor bereiten. Hier das Line-up:

22.00 - 23.00 Synthe Kurt
23.00 - 02.00 Sebastian Schlachter
02.00 - 04.00 Pulsinger & Irl live
04.00 - 07.00 Slack Hippy