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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

20. 8. 2016 - 06:00

Dabei sein ist nicht alles

2020 werden fünf neue Sportarten ins Programm der Olympischen Sportarten aufgenommen. Die Freude darüber hält sich allerdings in Grenzen. Vor allem im Klettern, Skateboarden und Surfen gibt es viele Zweifel und Unsicherheiten.

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Nicht für jede Sportlerin oder jeden Sportler ist eine Teilnahme bei Olympischen Spielen das höchste der Gefühle: Golf-Stars schieben Angst vor Zika vor, um nicht sagen zu müssen, dass ihnen Olympia-Medaillen zu wenig Prestige bedeuten, NBA-Spieler rasten sich lieber für die nächste Regular Season aus und im Fußball ist das Olympische Turnier ohnehin nur eine etwas aufgepeppte Nachwuchs-Veranstaltung.

Auch in den fünf Sportarten, die 2020 neu ins Programm der Olympischen Spiele in Tokio rücken, Baseball/Softball, Karate, die Boardsportarten Wellenreiten und Skateboarden, sowie Klettern sprühen nicht alle AthletInnen vor Freude. Besonders im Klettern, Skateboarden und Surfen sind die Zweifel groß. Kletter-Superstar Adam Ondra denkt bereits jetzt öffentlich über einen Boykott der Olympischen Spiele nach und der Skate-Szene droht durch die Olympischen Spiele eine Zerreißprobe. So unterschiedlich die Bedenken in den einzelnen Sportarten sein mögen, stehen sie doch auf dem selben Fundament.

Die Frage nach dem Wie?

Als Bewegungsform ist Klettern uralt, als Sportart, in der Wettkämpfe ausgetragen werden, allerdings noch relativ jung. Die Disziplinen und Formate, um Kletterleistungen miteinander zu vergleichen, mussten erst gefunden werden. Erst seit den späten 1980er Jahren werden überhaupt offizielle internationale Wettkämpfe ausgetragen und erst seit 1998 gibt es den Kletterweltcup mit den Disziplinen Vorstieg, Bouldern und Speedklettern.

Jakob Schubert in der Kletterwand

Heiko Wilhelm

Jakob Schubert beim Kletterweltcup in Mokpo

Über die Jahre hinweg haben sich diese drei Disziplinen ziemlich ausdifferenziert: Beim Vorstiegsklettern geht es darum, in einer schweren Route möglichst weit zu kommen, beim Bouldern werden höchste technische Schwierigkeiten gelöst und im Speed soll eine genormten Kletterroute möglichst schnell bezwungen werden. "Bouldern und Vorstiegsklettern ist beides Schwierigkeitsklettern. Speed geht eher in Richtung Leichtathletik und hat nicht viel mit den beiden anderen am Hut", meint etwa Jakob Schubert, mehrfacher Kletter-Weltcupsieger und 2012 Weltmeister im Vorstieg.

Die meisten Kletterinnen und Kletterer haben sich in den letzten Jahren auf eine Disziplin spezialisiert. Für Tokio 2020 heißt es für sie nun wahrscheinlich umdenken. Das IOC hat dem Klettern nämlich nur eine Medaillenentscheidung zugestanden, und da der Internationale Kletterverband IFSC keine Disziplin ausschließen will, wird es wahrscheinlich auf eine Kombination aus allen drei Disziplinen hinauslaufen.

Reduce to the Max?

Diejenigen, die von dieser Entscheidung direkt betroffen sind, die AthletInnen selber, sind davon alles andere als begeistert. Selbst Jakob Schubert nicht, obwohl er als einer von ganz wenigen AthletInnen an zwei Disziplinen im Weltcup klettert, Bouldern und Vorstieg. Eine Kombination habe im Sportklettern einfach keinen Stellenwert.

Es wird eine besondere Herausforderung werden, ein Format zu finden, dass bei AthletInnen, ZuschauerInnen und dem IOC gut ankommen wird, meint Heiko Wilhelm, Sportdirektor des Kletterverband Österreich. Wilhelm hat in den letzten Wochen bei den Olympischen Spielen in Rio mit einer Kletterwand Werbung für das Sportklettern gemacht. Wie Sportklettern bei den Olympischen Spielen in vier Jahren aussehen wird, hat er dort allerdings auch nicht erfahren. Das Ziel sollte allerdings schon sein, den Sport in seinen Grundwerten und seiner Grundphilosophie zu erhalten.

Die Frage nach der Identität

Die Grundphilosophie des Sportes zu erhalten ist auch im Skateboarden und im Surfen oberstes Ziel, wobei die meisten dann auch sagen würden, dass Skateboarden weniger Sport als Kultur sei, bei der der Wettkampfgedanke eher in den Hintergrund tritt. Mit der Aufnahme der Boardsportarten in das Olympische Programm könnte sich diese Auffassung ändern, befürchten viele.

In dieser Kurzdoku über den Weg Skateboardens zu Olympia kommen Befürworter und Gegner zu Wort.

Viele SkaterInnen wollen lieber in ihrer Nische bleiben als durch die Olympischen Spiele in den Mainstream gehoben zu werden und dadurch vielelicht ihren Charakter und ihre Identität zu verlieren. Eine Online Petition aus der Szene, adressiert an IOC Präsident Bach, streicht genau das hervor. Doch dass Skateboarden olympisch wird, lag nicht unbedingt in ihrer Hand.

Die Frage nach den Profiteuren

Dass Skateboarden und Surfen ins Olympische Programm aufgenommen werden, ist ein genuines Interesse des IOC. Denn ihr Produkt, die Olympischen Spiele, gerät in Gefahr zu überaltern. Der Großteil der Fernsehzuschauer bei Olympischen Spielen ist über 50 Jahre alt und mit den "jungen" Boardsportarten hoffen die Funktionäre auch wieder junges Publikum heranziehen zu können. Bei den Winterspielen hat das mit Freeski und Snowboard zumindest so gut funktioniert, dass bei den nächsten Winterspielen sogar jeweils in drei Freestyle-Disziplinen Medaillen vergeben werden.

Kelvin Hoefler and Leticia Bufoni with IOC President Thomas Bach, ISF Athlete Representative Neal Hendrix and professional skateboarder Candy Jacobs

International Skateboarding Federation

Skate Pros Kelvin Hoefler, Leticia Bufoni, Neal Hendrix und Candy Jacobs mit IOC Präsident Thomas Bach bei den Youth Olympic Games 2014 in Nanjing.

Den Schluss, den Skate-Legende Tony Hawk daraus in einem Larry King Interview zieht, ist, dass die Olympischen Spiele Skateboarden mehr brauchen würden als umgekehrt. Im Snowboard-Bereich haben die Olympischen Spiele Verbandsstreitigkeiten gebracht, die den Sport auf Jahre hinaus gelähmt haben. Dem Snowboarden an sich hat Olympia weniger gebracht als einzelnen SportlerInnen, so KritikerInnen.

Terje Haakonen schimpft 18 Jahre nach seinem Olympia-Boykott noch immer über die Spiele und Snowboard-Altstar Antti Autti warnt SkaterInnen und SurferInnen nun davor, die gleichen Fehler wie SnowboarderInnen zu machen und ihre Freiheiten für kommerzielle Interessen aufzugeben. Trotzdem hat Tony Hawk aktiv für eine Aufnahme von Skateboarden beim IOC geworben. Verbandsstreitigkeiten gab es auch hier, doch die scheinen vorerst bereinigt. Für Tokio 2020 sind jetzt mit Street und Park zwei Medaillenentscheidungen angesetzt.

Beim Klettern, da sind sich die ProtagonistInnen weitaus einig, profitieren vor allem AthletInnen. Mehr Länder werden Fördergelder fürs Sportklettern zur Verfügung stellen und mehr KletterInnen werden von ihrem Sport leben können. Doch eine Olympia-Teilnahme wird sich nur für eine Handvoll von ihnen erfüllen können.

Beinharte Qualifikation

Sicher ist, dass die Qualifikation für Olympische Spiele für KletterInnen beinhart werden wird. Da das IOC die Anzahl der TeilnehmerInnen für die neuen Sportarten begrenzt hat, werden nur jeweils 20 Männer und Frauen im Klettern zugelassen. Zum Vergleich: Allein beim Boulder-Weltcup letztes Wochenende in München waren bei den Männern ca. 140 und bei den Frauen 90 AthletInnen am Start. Wie die Qualifikation ablaufen wird, ist noch völlig unklar: Ob die besten 7 KletterInnen aus Vorstieg, Boulder und Speed antreten dürfen oder ob in den nächsten Jahren überhaupt ein ganz neues Format mit neuer Qualifikation entwickelt wird, ist genauso offen, wie die Frage, ob Länderbegrenzungen oder Quoten kommen werden.

Jakob Schubert beim Boulder Weltcup in München

Heiko Wilhelm

Jakob Schubert beim Boulder Weltcup in München

Für die AthletInnen, die bei den Olympischen Spielen dabei sein wollen, wäre es wünschenswert, dass möglichst bald Ergebnisse präsentiert werden, denn für sie sind es "nur" noch vier Jahre bis zum Großereignis. Adam Ondra hat bereits anklingen lassen, sich nicht zu jedem Preis in ein Olympia-Schema hineinpressen lassen zu wollen, Jakob Schubert hingegen möchte wenn möglich einmal in seinem Leben an Olympischen Spielen teilnehmen. Doch auch er hofft, genauso wie die ProtagonistInnen im Skateboarden und Wellenreiten, dass das Klettern in den nächsten Jahren nicht komplett verändert und angepasst wird, nur um die Olympischen Vorgaben zu erfüllen. "Die Sportart soll bei den Olympischen Spielen genauso stattfinden können, wie es die Athleten und alle anderen, die sie ausüben, lieben. Das ist mein Traum."