Erstellt am: 21. 8. 2016 - 14:10 Uhr
Ein kleines bisschen böse
Gibt es überhaupt noch ungebrochene Helden im Actionkino der Gegenwart? Vielleicht sehe ich die entsprechenden Filme nicht, aber mir fallen spontan kaum welche ein. 2016 ist sogar der Mann aus Stahl ein innerlich zerissener, ordentlich grantiger Typ, dessen Aktionen im Brachialepos "Batman v Superman: Dawn of Justice" etliche "Kollateralschäden" in Form unschuldiger Zivilisten hinterlassen.
"Suicide Squad", der neueste Versuch des DC-Comicimperiums an den Erfolg der Marvel-Konkurrenz anzuschließen, versucht dieser Entwicklung noch eines draufzusetzen. Regisseur David Ayer, ein Spezialist in Sachen getriebener Männlichkeit ("End of Watch", "Fury"), schickt gleich ein ganzes Team von Bösewichten als Identifikationsfiguren in die Blockbuster-Schlacht. Das klingt in der Theorie nicht ungewagt, vor allem wenn man bedenkt, dass der Film primär auf eine pubertierende Zielgruppe abzielt.
Genau diese Altersfreigabe erweist sich aber bereits als erster Stolperstein. Während sich der Marvel-Antiheld "Deadpool" genüsslich im zynischen Umgang mit Sex und Gewalt suhlt, dürfen die Soziopathen der "Suicide Squad" nicht einmal das F-Wort benutzen. All die wahnwitzigen Versprechungen der knallbunten Werbekampagnen von einem Haufen unkontrollierbarer Freaks mit gefährlich grenzwertigen Neigungen, sie werden höchstens halbherzig eingelöst.
Warner
Hysterischer Hype, hektische Änderungen
Die mangelnde Härte und schmerzlich fehlende Risikofreudigkeit sind aber nicht einmal das größte Problem von "Suicide Squad". Irgendwie ist dieser Film, selbst wenn man gängige Dramaturgiegesetze ablehnt, leider kein Film. Sondern eher ein überlanger, bisweilen durchaus unterhaltsamer Trailer zu einem Film, der dann nicht wirklich kommt.
Auch wenn David Ayer im Interview versichert, dass er seine Vision ungefiltert umsetzen konnte, möchte man den Gerüchten Glauben schenken, die von Studiopanik in letzter Minute sprechen. Von hektisch umgeschnittenen Versionen. Von einem Blockbuster, der unter dem Gewicht des hysterischen Vorabhypes zerbröselt, noch bevor er in die Kinos kommt.
Dabei kann ich die grundsätzliche Skepsis etlicher Comicnerds gegenüber dem filmischen DC-Universum nicht teilen. Das nachtschwarze Pathos des sträflich unterschätzten "Batman v Superman", das sich in der Ultimate Edition noch epischer entfaltet, wirkt wie ein Gothic-Gegengift zur manchmal nervigen Marvel-Ironie. Bei vielen Kritikern und Fans kam die todernste Heldenhinterfragung des Hollywood-Hooligans Zack Snyder allerdings gar nicht an. Was beim Warner-Konzern zu nervöser Unruhe führte. Der Trailer zur "Justice League" kündigt deshalb schon die neue, flappsigere Richtung an, von der man sich mehr Zuspruch erhofft.
Warner
The Bad, the Worst & the Ugly
Die Panik, die während der Endproduktion von "Suicide Squad" hinter den Kulissen herrschte, ist dem Film jedenfalls in jeder Einstellung anzusehen. Manchmal schimmern noch Bruchstücke der ursprünglichen Ambition durch, von der das ganze Team in hochmotivierten Interviews (siehe unten) schwärmt. Das Spannendste an diesem verkorksten Multimillionenexperiment sind aber letztlich nur noch gewisse Ideen, die der Streifen aufwirft.
Wird darin doch eine Gruppe gemeingefährlicher Verbrecher direkt aus dem Hochsicherheitsgefängnis heraus von der US-Regierung rekrutiert, um gegen eine zerstörerische Macht anzutreten. Schließlich, folgert die Agentin Amanda Waller (eisig: Viola Davis), kann man schon mal das Böse zur Hilfe rufen, um das Ultraböse zu bekämpfen. Außerdem, meint die Geheimdienst-Fädenzieherin, könnte auch der nächste Superman ein Dschihadist sein. Also ist es besser, sich schon vorsorglich mit dem geringeren Übel zu arrangieren.
Wer dabei an die reale Weltpolitik denkt, sich etwa an private Militärunternehmen wie Blackwater im Dienste der amerikanischen Armee erinnert fühlt, liegt wohl nicht falsch. Aber auch generell, sind sich desillusionierte Beobachter längst einig, scheint die Idee vom "Guten" in der Politik so ausgestorben, dass man lieber auf ein lesser evil setzt, anstatt den unverhohlenen Schrecken zu wählen. "Suicide Squad" hätte in diesem Sinn auch ein rabenschwarzer Beitrag zum US-Wahlkampf werden können, aber während Zack Snyder noch entsprechend düstere Kommentare in seine DC-Filme mixte, konnte oder wollte das ausgerechnet David Ayer nicht.
Warner
Bonus-PS: Kleine Plaudereien mit der "Suicide Squad"
Wohl bewusst konträr zu den negativen Reviews, die an allen Ecken und Enden eintrudeln, ist die Atmosphäre bei den Interviews zum Film aufgekratzt freundlich.
David Ayer, ein Ex-Mitglied der US-Navy und angeblicher Drill-Instructor am Set, erweist sich in einem Londoner Hotel als netter Humanist von nebenan. Jared Leto, dem der Ruf der durchgeknallten Diva vorauseilt, zitiert auf betont höfliche Weise Hannibal Lecter. Und Margot Robbie, deren Auftritte als Harley Quinn auf einen Spinoff-Streifen hoffen lassen, vermittelt die Aura einer zukünftigen Glam-Queen des Mainstream-Kinos.
Schimpft mich einen harmoniesüchtigen Pressevertreter, aber ich habe die kurzen Gespräche mit ihnen nicht mit dem schwierigen Produktionsprozess verschwendet, sondern lieber über Gut, Böse, Femme fatales und Antihelden geplaudert.
Regisseur David Ayer
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Jared Leto
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Margot Robbie und Cara Delevingne
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