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Burstup

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12. 8. 2016 - 13:47

Der Drogenhandel im Darknet nimmt zu

Surprise, surprise! Menschen kaufen lieber reine Drogen bequem vom Wohnzimmersofa aus anstatt gepanschtes Zeug in dunklen Straßenecken.

Vor drei Jahren hat das FBI die Entfernung der Drogen-Handelsplattform Silk Road aus dem Darknet als großen Sieg gefeiert. Jetzt gibt es rund 50 Websites, auf denen Drogen vertrieben werden, und das Handelsvolumen hat sich verdreifacht. Das geht aus einer Studie zweier Universtitäten (Manchester und Montreal) sowie des Forschungsinstituts RAND hervor.

Viele der aktuellen Drogen-Plattformen sehen professioneller aus als Silk Road. Sie haben Diskussionsforen und komplexe Bewertungssysteme, auf denen die Kunden Feedback sowie Sternchen für Lieferzeit und Qualität der Ware geben.Wie bei eBay und Amazon gibt es auch auf den Drogen-Websites tausende verschiedene Händler, und weil die Konkurrenz zwischen diesen Verkäufern groß ist, überschlagen sie sich geradezu mit Probepackungen und Rabatten. Zunehmend beliebt ist auch eine Drogen-Suchmaschine, die gleich Preise auf den unterschiedlichen Plattformen vergleicht.

Foto: Francisco Peralta Torrejón

Heino Stöver CC BY-SA3.0de

Der gescheiterte War on Drugs

Als der deutsche Drogenhändler Shiny Flakes voriges Jahr verhaftet wurde, war er erst 19 Jahre alt – und machte im Monat 200.000 Euro Umsatz. Das sei wenig überraschend, meinte im April der Frankfurter Suchtforscher und Soziologe Heino Stöver bei FM4. Der Drogenhandel im Darknet werde auch weiterhin zunehmen - denn warum, so Stöver, solle man sich noch länger auf der Straße schmutziges, gepantschtes Zeug kaufen, wenn im Internet durch viele Käuferempfehlungen nahegelegt wird, es bei diesem oder jenem Händler zu kaufen.

Drogenverbreitungsmuster und Drogenkonsummuster würden gesellschaftlichen Trends folgen, sagt der Soziologe: "Wir leben heute in einer Gesellschaft, die eine Pluralisierung von Lebensstilen erfährt. Wir werden in allen Bereichen als mündige Bürger und Konsumenten angesprochen. Aber in einem Bereich sollen wir dem Staat glauben, der sagt, was das beste für uns ist, was wir im Garten anzubauen haben und was nicht." Dieses Überbleibsel des gescheiterten Kriegs gegen Drogen wirke heute völlig anachronistisch, so Stöver. Auch aus diesem Grunde sei damit zu rechnen, dass Websites für Drogen im Darknet zunehmend populärer werden. "Die Menschen werden sich zunehmend selbst kundig machen und selbst entscheiden, was für sie gut ist, was weniger gut ist und was ihnen schadet."

S. Fischer Verlag

Geschichte eines Krieges

In die gleiche Kerbe schlägt auch der britische Journalist Johann Hari. In seinem großartigen Buch "Drogen: Die Geschichte eines langen Krieges" begibt er sich weltweit auf die Suche nach den Wurzeln und den Konsequenzen der Drogenprohibition. Mehr über diese journalistische Meisterleistung habe ich in einer Rezension hier geschrieben.

Johann Hari spannt den Bogen vom Rassismus und Hass gegenüber afroamerikanischen Jazzmusikern in den fünfziger Jahren, das weltweite Cananbis-Verbot in den Sechzigern, über die grausamen Bandenkriege in Mexiko bishin zu aktuellen Problemstellungen und Lösungen. Für letztere reiste er nach Portugal und in die Schweiz - Länder, die mit der Abgabe von Heroin auf Rezept an Abhängige einen starken Rückgang von Konsum, Gewaltverbrechen und Krankheiten erreicht haben.

Die gekonnte Auswahl der Interviews und deren spannende Darstellung, sowie die messerscharfe Analyse des Drogenkriegs und seiner Konsequenzen machen "Drogen: Die Geschichte eines langen Krieges" zu einem Buch, dessen Lektüre ich wirklich jedem empfehlen möchte - insbesondere angesichts der aktuellen RAND-Studie, die alles bestätigt, was Johann Hari und Heino Stöver in den vergangenen Monaten gesagt haben.