Erstellt am: 9. 8. 2016 - 14:47 Uhr
Die Kinder vom Bahnhof Zoo in Mallorca
Die Kinder vom Bahnhof Zoo in Mallorca? Schwer vorstellbar. Und doch vergleicht der Illustrator und Schriftsteller Gabi Beltrán die Lebensbedingungen dieser beiden Orte. Er lebt Anfang der 1980er Jahre in Palma de Mallorca, im Stadtteil Barrio Chino. Im Chinesenviertel bestimmen Prostitution, Drogen und Gewalt den Alltag.
Avant Verlag/Gabi Beltrán/Bartolomé Seguí
Folglich auch den von Gabi Beltrán. Sein Vater erwürgt ihn fast, als er zwei Jahre alt ist. Kurze Zeit später verlässt der Vater die Familie. Die Mutter ist ständig krank, tablettenabhängig und völlig überfordert. Prügel stehen an der Tagesordnung.
Avant Verlag/Gabi Beltrán/Bartolomé Seguí
Gabi Beltrán hängt mit einer Gang ab, die ebenso planlos wie aggressiv ist. Man klaut Handtaschen, Motorräder und Autos, nimmt alle möglichen Drogen in Kombination mit viel Alkohol und schlägt Rivalen wortwörtlich aus dem Revier. Zukunft spielt sich woanders ab.
Die einzige, bei der sich Gabi Beltrán wohlfühlt und so etwas wie Liebe empfindet, ist seine Oma. Auch sie lebt zwar in Armut, im Gegensatz zu vielen hat sie ihre Würde nie verloren. "Du musst dich nicht dafür schämen, arm zu sein. Nur dafür arm zu wirken."
Immer wieder flüchtet Gabi Beltrán aus dem tristen Alltag, um irgendwo allein zu sein und in Ruhe zu lesen. Allerdings erkennt er bald, dass er sich selbst nicht entfliehen kann.
Dann lernt der 16-Jährige eine sehr viel ältere schwedische Nachhilfelehrerin kennen, die ihm einen möglichen Ausweg aus dem Viertel bietet.
Avant Verlag/Gabi Beltrán/Bartolomé Seguí
So viel sei verraten: Gabi Beltrán schriebt mittlerweile Kolumnen für die Tageszeitung "El Mundo" und ist für seine Comics und Illustrationen mehrfach ausgezeichnet worden. Dennoch hat er seine autobiographischen Erinnerungen nicht selbst gezeichnet, sondern dies dem ebenfalls in Palma geborenen Bartolomé Seguí überlassen. Die beiden haben sich bereits in der Coming Of Age Graphic Novel "Geschichten aus dem Viertel" als gutes Duo gezeigt.
Auch in diesem zweiten Teil sind die Zeichnungen besonders gelungen. Bartolomé Seguí bildet die Atmosphäre der Stadt ab und schafft es, mit wenigen Strichen Gefühle darzustellen. Die einfachen und leichten Zeichnungen harmonieren gut mit dem Text, der mitunter große Lebensweisheiten beinhaltet.
"Manchmal vollziehen sich Veränderungen – also die wirklich wichtigen – nicht auf einmal. Sie treten leise ein, ohne dass man bemerkt, wie sich der Boden unter den Füßen langsam zu bewegen beginnt. Diese Veränderungen können zufällig oder bewusst erfolgen, verursacht durch die kleinen Entscheidungen, die man intuitiv fällt."
Avant Verlag/Gabi Beltrán/Bartolomé Seguí
Veränderungen hat das ganze Viertel erlebt. Das Chinesen- oder auch Töpferviertel ist mittlerweile gentrifiziert und wird in Reiseführen als Künstler- und Szenestadtteil empfohlen. Umso bedeutender ist das Zeitzeugnis der beiden Zeichner und Autoren Gabi Beltrán und Bartolomé Seguí.