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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

7. 8. 2016 - 16:18

Für immer jung

Der Song zum Sonntag: Noname - "Diddy Bop"

Ab Mitte der 90er-Jahre war Sean Combs ein paar Jahre lang ein ziemlicher König. Unter dem Namen Puff Daddy ein größenwahnsinniger Prinz, Topproducer, Hitmaschine, zwar zweifelhafte, aber doch unbestrittene Fashion-Ikone. Albernes Großmaul und selbsternannter Renaissance-Mann. Proto-Kanye.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Zu Puff Daddys Auftreten, seinen Videos gehörte neben shiny Suits meist auch eine Kombination verschiedener, aufsehenerregend ungelenker Moves, in diversen Variationen, die vielleicht nicht unbedingt als "Tanz" bezeichnet werden müssen, aber gemeinhin unter dem Logo "Diddy Bop" gefasst werden.

Die aus Chicago stammende Rapperin und Sängerin Noname gehört seit einigen Jahren schon zum engeren Kreis um den ähnlich entspannt gepolten MC Chance the Rapper, gerade ist unter dem Titel "Telefone" ihr erstes, sehr gutes eigenes Mixtape erschienen, kann man gratis und legal runterladen. Der Vibe auf "Telefone" ist wie oft bei Chance ein relaxter, gepolstert auf jazzy Instrumentals, die Sonne scheint, Positivismus verdrängt den harten Gangsta-Stuff.

Trotz gut dokumentierter Nähe zu Verbrechen und dem gern bemühten Kokettieren mit der besonders toughen Pose hat im Werk des Puff Daddy später auch eine seltsame Form von Humor Einzug gehalten: Hier war plötzlich ein Mann, der sich selbst nicht immer ständig todernst nehmen musste, man frönte der cartoonhaften, quietschbunten Überhöhung, anstelle von bemüht nachdenklicher Verbitterung trat oft Unbekümmertheit.

Noname

Noname

Noname selbst ist 1991 geboren, wird die 90er zu weiten Teilen also nicht komplett scharf im Geiste memoriert haben, das macht aber nichts. Wenn die junge Frau ein Lied schreibt, das dieses funkelnde und kaputte Jahrzehnt feiern soll, vor allem aber das Jungsein im Allgemeinen nostalgisch verklären und gut gelaunt hochleben lassen will, dann ist für so einen Song "Diddy Bop" schon ein richtiger Titel.

Der "Diddy Bop" – ein eben kaum genauer definierter Tanz, der gerne fast schon ins Clowneske kippt und als Symbol für eine gute Zeit herhalten darf. Eine Zeit, in der man bunte Plastikjacken trug und für längst vergessen Boybands wie B2K schwärmte.

An solche Dinge erinnert sich Noname in ihrem Song mit mühelosem Flow, Unterstützung kommt von dem Sänger Cam O'bi und dem erst 20-jährigen MC Raury. Man hört Markennamen wie FUBU, es geht um Eiscreme auf der Frontporch, BBQ und Summertime. Man musste sich noch nicht so mit dem Leben herumschlagen, man hat von all dem noch gar nichts gewusst, eine Hauptsorge war bloß wieder der nächste Vortrag der Eltern, sollte man mal wieder zu spät nachhause gekommen sein.

Der Song benennt – eben schon auch im Titel – explizit mit einer Phase in der Zeit verknüpfte Moden und Styles, dabei gelingt ihm doch – hier liegt seine Stärke – das Erwecken eines universellen Gefühls, fast schon können wir es "Zeitlosigkeit" nennen.