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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

7. 8. 2016 - 19:00

150 Jahre Transatlantikkabel

Zum Jubiläum lassen Facebook und Microsoft das erste Kabel über den Atlantik legen, das weder Telekoms noch Carrier, sondern die beiden Internetkonzerne kontrollieren.

Im August haben die Verlegearbeiten für ein neues Glasfaserkabel quer über den Atlantik begonnen. Mit einer Übertragungskapazität von 160 Terabit pro Sekunde ist "Marea" nicht nur das bisher leistungsfähigste Kabel zwischen Europa und den USA, es ist auch das erste Kabel, das nicht von Telekoms oder Carriern kontrolliert wird, sondern von Internetkonzernen. Marea ist nämlich ein Joint Venture von Facebook und Microsoft, der Dritte im Bunde, die spanische Telefonica, ist nur über ihre Tochterfirma Telxius eingebunden, die für die Verlegung und das operative Management von "Marea" zuständig ist.

Die Great Eastern in New York

CC BY-SA 3.0 Wikimedia/Stacy

Vier Dampfmaschinen trieben die Schaufelräder der "Great Eastern" an, die fünfte die Schiffsschraube. Zusammen ergab das 8.000 PS. Dazu kamen sechs Segelmasten.

Diese neue Verbindung wird - Zufall oder nicht - genau 150 Jahre nach der ersten zwischen den beiden Kontinenten verlegt, denn 1866 ging das erste Transatlantikkabel in Betrieb. Während die Verlegung eines Seekabels heute Routine ist und von darauf spezialisierten Schiffen vorgenommen wird, kam 1866 ein umfunktionierter Passagierdampfer zum Einsatz. Die 1854 in Großbritannien gebaute "Great Eastern" war mit 211 Metern Länge damals eines der größten Dampfschiffe überhaupt. Dieses erste, funktionstüchtige Kabel verlief auf der kürzestmöglichen Route zwischen Neufundland und dem Südzipfel Irlands.

Längeres Kabel, beschleunigter Transport

Die neue Hochleistungsverbindung von Facebook und Microsoft von Virginia Beach nach Bilbao ist deshalb ungewöhnlich, weil sie als einzige weiter südlich verläuft als alle anderen Kabel zwischen Europa und den USA. Mit 6.600 Kilometern ist es auch deutlich länger als alle übrigen Verbindungen, das 1866 verlegte Kupferkabel war im Vergleich dazu nur 3.400 Km lang. Die theoretischen Signallaufzeiten sind zwar in Kupfer und Glasfaser annähernd gleich, da sich die Signale annähernd mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, Kupferkabel sind weitaus anfälliger für Störungen und weisen eine höhere Dämpfung auf. Dadurch kommt es zu höheren Fehlerraten, die durch Protokolle zur Fehlerkorrektur zwar korrigiert werden können, die Übertragungsrate wird dadurch aber naturgemäß gebremst.

Transatlantikkabel im Jahr 2016

CC BY SA 3.0 Submarinecablemaps.com

"Marea" ist das grau eingezeichnete, südlichste aller Transatlantikkabel aus den USA nach Europa. Während die übrigen Kabel allesamt viel weiter nördlich terminieren ist hier der Landepunkt in Bilbao, Nordspanien. Damit ist klar, dass "Marea" eine andere Aufgabe als die nördlicher gelegenen Leitungen haben wird, die an West- und Mitteleuropa anbinden

Kampf den Latenzen

Die unvermeidliche Dämpfung des Signals wird durch kleine Verstärker kompensiert, die sich in Abständen von mehreren Dutzend Kilometern im Kabel selbst befinden. Diese Verstärker werden über ein dünnes Kupferrohr, das gleichzeitig zum physischen Schutz der Glasfaserbündel dient, über Strom versorgt. Den sogenannten Nullleiter, also den zweiten Pol, der für den Stromfluss nötig ist, bildet das Salzwasser. Das Kupferrohr wird durch mehrere Isolationsschichten und geflochtene Schutzhüllen gegen das Eindringen von Wasser abgeschirmt. Der Datenstrom wird durch diese optischen Verstärker, die einen äußerst niedrigen Strombedarf haben, kaum gebremst, messbare Verzögerungen treten erst beim Switching in den Datencenters auf. Auch wenn die Switches dort auf derselben optischen Übertragungstechnologie basieren, entstehen Latenzen, die sich mit jeder dieser Umleitungen summieren.

Seekabel Glasfaser

CC BY SA 3.0 Mysid/Wikimedia

Der Mantel des Glasfaserkabels ist aus Polyäthylen, die lilafarbenen Schicht darunter besteht aus Mylar-Band gefolgt von Stahldrähten, einer Schicht Aluminium (4) zum Schutz gegen Wasser sowie Polykarbonat (5). Ein Kupfer- oder Aluminiumrohr dient als Leiter zur Stromversorgung(7) , im Innersten liegen die Glasfaserfaserbündel, die in einen Mantel aus Vaseline eingebettet sind.

Im Kupferkabel von 1866 waren noch keine Verstärker, weil sie noch nicht erfunden waren. Die Signallaufzeiten waren damals nicht das Problem, sondern die Lesbarkeit der äußerst schwachen Signale. Diese ersten Übertragungen waren wie in den Jahrzehnten danach als Morsezeichen codiert. Welches übergeordnete Protokoll für Empfangsbestätigungen oder Ersuchen um Wiederholung dabei zum Einsatz kam, ist nicht überliefert. Das Protokoll dürfte jedenfalls dem Q-Code geähnelt haben, der seit 1909 in verschiedenen Varianten in der zivilen Luftfahrt, auf See, bei Funkamateuren und Militärs im Einsatz ist.

Seekabel von 1866

CC BY SA 3.0 Markus228/Wikimedia

Die Seekabel der damaligen Zeit waren ganz ähnlich wie die aktuell verwendeten in Schichten aufgebaut, wenngleich das verwendete Material archaisch war. Statt Polytäthylen und Mylar kamen kautschukähnliche Materiale wie Guttapercha zum Einsatz.

Archaische Fehlerkorrekturen

Beginnend mit "Q" besteht der einstmals für die britische Marine erstellte Code aus drei Buchstaben, der funktechnische oder geografische Informationen, aber auch Rückfragen zur Fehlerkorrektur und Steuerungsbefehle übermittelt. "QRV" sowie die Kennung der eigenen Station bedeutet zum Beispiel "ich bin empfangsbereit", ohne die eigene Kennung ist es eine Frage an die Gegenstation. "QRO" denotiert nach demselben Muster "ich erhöhe die Sendeleistung" oder stellt eine Aufforderung dazu dar, "QSB" gibt Auskuft über die Stärke des Signalschwunds, "QRN" bezeichnet den Rauschanteil, "QSL" ist die Empfangsbestätigung usw.

Die Maschinerie zur Kabelverlegung an Bord der "Great Eastern"

CC BY-SA 3.0 National Maritime Museum/Wikimedia

Die Maschinerie zur Verlegung des Kabels von 1866 auf dem Meeresgrund war ebenso monströs dimensioniert wie die "Great Eastern" selbst. Wegen seines Tiefgangs von neun Metern und der exorbitanten Länge konnte der Dampfer nur an wenigen, ausgewählten Piers anlegen.

"Point to Point"-Duplex, wie gehabt

Die Metadaten der analogen Kommunikation wurden - und werden bis heute - im Frage- und Antwortschema von den Operators auf beiden Seiten sozusagen manuell ausgetauscht. Aufgrund der starken Dämpfung des Signals war das Kabel extrem verrauscht und starkem Schwund ausgesetzt, samt "Fehlerkorrektur" konnte die Übertragung eines Telegramms im Morsecode mehrere Stunden dauern. Die für damalige Verhältnisse exorbitanten Preise von zehn Dollar pro Wort sorgten dafür, dass nur große Unternehmen und staatliche Organe die transatlantischen Telegrammservices während der ersten Jahrzehnte nutzten. Im digitalen Datenverkehr erledigen diese Aufgabe zwar Maschinen, technisch-strukturell gesehen ist es freilich immer noch dasselbe Duplex-Verfahren wie heute zum Datenaustausch im "Point to Point"-Verkehr.

CC BY SA 3.0 Karl-Heinz Hochhaus/Wikimedia

Der 2008 in China gebaute und in Bremerhaven zum Kabelleger ausgerüstete "Nostag 10" ist mit 92 Metern nur etwa halb so lang wie dereinst die "Great Eastern".

Die Strategie hinter "Marea"

Die Netzwerktochter der spanischen Telefonica Telxius bietet zum Beispiel "Carrier Grade Ethernet" über Glasfaser mit 10 bis 100 Gіgabit an

Im Falle von "Marea" sind diese beiden Punkte Bilbao in Spanien und Virginia Beach. Im selben US-Bundesstaat baut Microsoft seit 2010 eines der größten seiner modularen Datencenter auf, das bisherige Investitionsvolumen in Boydton, VA beläuft sich auf mindestens 850 Millionen Dollar. Facebook ist ebenso in Virginia mit einem großen Datencenter an der Ostküste vertreten, in beiden Fällen fungieren sie als "Slaves" der Datenzentralen an der Westküste der USA, wo beide Konzerne ihren Hauptsitz haben. Diese Center sind daher über nur zwei "Hops" an Bilbao in Spanien angebunden, die Übertragungsprotokolle auf der gesamten, fast 7.000 Kilometer langen Datenstrecke stehen dabei unter der Kontrolle der beiden Internetkonzerne.

Von Bilbao aus ist London nur einen "Hop" entfernt, von dort wickelt Microsoft derzeit schon einen Großteil seines europäischen Datenverkehrs ab. In Bilbao terminiert auch das weltumspannende Glasfasernetz des indischen Carriers Tata. Der Landepunkt in Nordspanien zeigt auch, dass Facebook wie Microsoft wohl auch hier große Datenzentren einrichten werden, um Südeuropa sowie die Wachstumsregionen in Nordafrika und Nahost möglichst frei von Verzögerungen anzubinden. Vor allem in den letztgenannten Regionen, wo vergleichsweise schwach dimensionierte regionale und lokale Netze und entsprechend hohe Latenzen die Regel sind, ist das Bedingung, um Echtzeitdienste ohne Aussetzer bzw. gar Timeouts abzuwickeln.

Leviathan und die Weltkommunikation

Die "Great Eastern" hieß ursprünglich sehr passend "Leviathan", umgetauft wurde sie nach einer Kesselexplosion mit mehreren Toten. Bereits hatte es beim Stapellauf zwei Tote gegeben, erst den von einem Schlaganfall Tags davor dahingerafften, ursprünglichen Eigentümer und Bauleiter des Schiffs, das nach seinem Konkurs längst schon Banken gehörte sowie einen Matrosen, als beim Wassern eine Ankerkette riss. Es folgten Havarien und eine erneute Pleite, weil die Kosten für den Passagierverkehr zwischen den Kontinenten die Einnahmen überstiegen. Erst dann wurde die Great Eastern zu einem Kabelleger umgebaut, der den Anfang des Zeitalters der Weltvernetzung markieren sollte.