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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

20. 8. 2016 - 11:27

Reise in die Tiefsee

Das wunderschöne Indie-Spiel "Abzû" schickt uns auf eine emotionale Tauchfahrt ins Geheimnis Ozean.

Giant Squid

Hoch über mir schimmert die Meeresoberfläche, unter mir weißer Sand und Korallen. Sonnenstrahlen verwandeln das Riff in einen Zauberwald unter Wasser. Algen und Wasserpflanzen wiegen sich sanft in der Strömung, und um mich herum schwimmen exotische Fische in riesiger Zahl. Clownfische huschen herum, ein Mantarochen segelt vorbei, und auch ein eleganter Riffhai zieht seine Runden.

So schön und faszinierend dieser Ort auch ist - mein kleiner, schwarzer Taucher muss weiter. Schließlich hat er einen ziemlich langen Weg unter Wasser zu bewältigen. Von der Welt oberhalb des Meeresspiegels über seichte Riffe bis hin zu versunkenen Ruinen und in die schwarze Tiefsee führt die Reise. Im Indie-Spiel “Abzû” leiten wir unseren einsamen Taucher immer tiefer hinab ins Meer, auf der Suche nach einem Geheimnis.

Überall Leben

Allein sind wir bei dieser Reise ins Dunkel nicht. Überall hier ist Leben, von kleinen Krebsen und winzigen Fischen bis hin zu gewaltigen Walen und riesigen Kraken. Gefährlich wird uns die Tierwelt allerdings niemals - im Gegenteil. An den größten Fischen können wir uns sogar festhalten und uns von ihnen ein Stück des Weges tragen lassen. Besonders beeindruckend sind die riesigen Schwärme aus vielen hundert einzelnen Fischen, die an manchen Orten ihre Tänze aufführen. An speziellen Altaren können wir kurz innehalten und meditieren; dann lässt uns "Abzû" sogar als Beobachter in die schuppige Haut der herumgleitenden Fische schlüpfen und so in Ruhe die Schönheit des Ozeans genießen.

Gegner oder anspruchsvolle Rätsel gibt es in “Abzu” keine, stattdessen macht es unseren Weg zu einem Erlebnis. Das hat vor vier Jahren schon der Indie-Hit “Journey” vorgemacht. Wie bei der mit Preisen überhäuften Pilgerwanderung ist auch "Abzû" eher ein meditativer, letztlich linearer Spaziergang, der eher Emotionen als Herausforderungen bietet. Die Ähnlichkeit beider Spiele ist kein Zufall, denn “Abzû” wurde von dessen Art Director Matt Nava entwickelt. Für den tollen Soundtrack konnte außerdem auch wie bei “Journey” der Komponist Austin Wintory gewonnen werden. Seine klassische Musik macht den Trip ins Meer zu einer meditativen, aber auch berührenden Reise in eine fremde Welt.

Giant Squid

Under the sea

Der Ozean, so meinte Spielemacher Matt Nava, ist auch deshalb so faszinierend, weil er uns immer noch mysteriös und fremd ist. “Abzû” versucht, diese Faszination auf die Bildschirme zu bringen und will dabei kein Tauchsimulator sein, sondern den Traum vom Tauchen lebendig machen. Das ist gelungen: Im Verlauf des etwa zwei bis drei Stunden langen Spiels staunt man immer wieder über die Pracht dieser Unterwasserwelt. Diese Schönheit sowie einige besonders berührende Momente machen “Abzû” zu einem virtuellen Kurzurlaub, an den man sich auch später noch gern zurückerinnern wird.

“Abzû” ist für Windows und PS4 erschienen.

"Journey", dieses große, kleine Spiel, wird von diesem Unterwassertrip als große Ausnahmeerfahrung nicht vom Thron gestoßen; zu archetypisch und gewaltig ist jene Pilgerschaft, zu epigonal und offensichtlich inspiriert ist "Abzû". Das sollte aber keinen, der "Journey" liebt oder wegen seiner PlayStation-Exklusivität gar nicht gespielt hat, davon abhalten, auf diesen Tauchgang zu gehen. Die Unterwasserwelt hat ihre eigenen Geheimnisse - und ist im Gegensatz zu ihrem Vorbild voll von überwältigender Lebendigkeit.