Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die Wild Beasts sind zurück!"

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

5. 8. 2016 - 12:45

Die Wild Beasts sind zurück!

Die Wild Beasts aus England melden sich mit einem neuen Album zurück. Und das klingt nach, nun ja, Nine Inch Nails meets Justin Timberlake, und das ist gut so.

Vier junge Männer, die sich Wild Beasts nannten, kamen einmal aus dem schönen Lake District im Nordwesten von England, einer beeindruckenden Landschaft aus Bergen und Seen, deren berühmtester der Lake Windermere ist und schon vom britischen Romantikdichter William Wordsworth - er stammte aus dem Lake District - beschrieben wurde. Inzwischen sind die Wild Beasts beim fünften Album angelangt und leben längst in London, auch wenn sie immer wieder gern zurückkehren an jenen Ort, aus dem sie stammen.

Wild Beasts

Tom Andrew

Wild Beasts sind: Chris Talbot, Ben Little, Tom Fleming und Hayden Thorpe.

Weniger mit Wordsworth als mit Lord Byron hat der neue Longplayer der Wild Beasts aber zu tun. Der düstere Spätromantiker steht der Band wohl etwas näher als Wordsworth mit seinen berühmten frühen Gedichten. Er habe mit dem neuen Album seinen inneren Byron rausgelassen, meint Hayden Thorpe von den Wild Beasts in Interviews zum neuen Album der Band. Der Sänger mit der Falsettstimme erläutert weiter: "On the last day of making 'Boy King' I had a minor breakdown in knowing what part of myself I was revealing. It´s a bit ugly, a bit grubby, arrogant."

Hayden Thorpe: "After five albums there had to be an element of 'what the fuck?'"

Lassen wir den zweiten Sänger der Band, den viel gesetzteren Tom Fleming, der ansonsten den Bass spielt, weitererzählen, bevor Hayden Thorpe noch mehr Untiefen aus seiner Seele zu Tage befördert oder einfach meint, dass das hier ein "was soll´s?"-Album geworden ist. Er meint wohl, "Fuck it, this is our rock record!"

Das neue Wild-Beasts-Album "Boy King" ist keines voller Liebeslieder, klärt Tom Fleming auf, sondern es geht eher um, ah, Sex. Nicht, dass das nicht ohnehin ein Lieblingsthema der vier Briten wäre, aber das letzte Album der Band hatte doch eine recht große Portion Liebe in sich.

Im neuen Album, so sagt Tom Fleming im FM4-Interview, geht es etwa um die Gitarre als phallisches Symbol. Die Songs dieses Konzeptalbums tragen dann auch Titel wie "Big Cat", "Tough Guy" oder "He The Colossus". Adonis kommt vor, und die Vorabsingle heißt gar "Get My Bang", aber auch einen Titel namens "Alpha Female" gibt es auf "Boy King".

NIN versus Justin Timberlake

Der Longplayer war eigentlich als eine Art Soul-Album geplant gewesen, aber dann kam Tom Fleming jeden Tag mit einer weißen Gitarre ins bandeigene Studio, wo die ersten Ideen zu "Boy King" entstanden, und er riss wie wild an den Saiten herum. Eine Art Rivalität enstand zwischen Tom und Hayden, was das Songwriting und die Richtung betraf, aber es war eine "friendly rivalry", wie die Wild Beasts betonen.

Hayden Thorpe: "It became apparent that that guitar almost became the character within the songs - that all-conquering male."

Nach einem Jahr waren die Wild Beasts dann so weit fertig mit Songideen oder kompletten Songs, die nun den nächsten Schritt gehen mussten: Jemand von Außen, von Draußen sollte sie unter die Lupe nehmen und sie zusammen mit der Band einspielen. Ein Producer musste also her. John Congleton wurde es schließlich. Der Amerikaner betreibt in Dallas, Texas sein eigenes Aufnahmestudio, wo er etwa schon Musik von St. Vincent produzierte, von den isländischen Stars Sigur Ros, oder auch von den US-Lärm-Legenden Swans, die Tom Fleming von den Wild Beasts fast schon kultisch verehrt.

John "Paperchase" Congleton

John Congleton, dessen eigene Band The Paper Chase für Indierock-Feinspitze eine wahre Freude war, ist als Produzent so gefragt, dass er selbst kaum mehr zum Musikmachen kommt. Den Wild Beasts gab er mit auf die transatlantische Reise zu ihm, dass sie einfach kommen sollten "with an open heart and an open mind".

Hayden Thorpe: "We wanted to find the most crude way of finishing the album. It had to be guttural, the opposite of our last album 'Present Tense' - that was the only way of keeping it alive."

Albumcover Wild Beasts "Boy King" - rot, Kopf, Maske (schwarz)

Domino

Wild Beasts - "Boy King"

Die Wild Beasts haben sich also mit dem 'raw pop' ihres neuen Albums ganz schön neu erfunden, sind mal Funk-Rocker, klingen soulful wie einst Michael McDonald, und dann wieder haben sie Synthie-Sounds entdeckt, die wohl bisher im Keller von David Sylvians Spät-70er-Jahre Synth-Pop-Band Japan eingesperrt gewesen sein müssen. Die Wild Beasts sind aber trotzdem immer noch die Wild Beasts. Der komplexe Electro-Indie von "Boy King" ist an vielen Stellen verführerisch. Als apokalyptische Platte will die Band "Boy King" gar verstanden wissen, nun ja, so arg ist es aber auch wieder nicht. Der Song "Dreamliner" etwa ist höchst sinnliche Electronica-Kunst. Und der New Musical Express - kurz NME - in London befindet: "Hayden Thorpe sings the praises of the 'come-to-bed eyes' of his 'junkie love' like Suede´s Brett Anderson of by Aphex Twin." Na wenn das kein Kompliment ist.

Wer die Musik der Wild Beasts noch gar nicht oder kaum kennt, wie wär´s zum Einstieg mit "A Simple Beautiful Truth", "Mecca" - vielleicht im sensiblen Sohn-Remix, oder gar dem kompletten Debutalbum der Band, "Limbo, Panto", das vor acht Jahren bei Domino Records erschienen war. Domino (The Kills, Arctic Monkeys etc) ist weiterhin das Zuhause der Wild Beasts - ein Plattenlabel, das das schiere, besessene Talent dieser einstigen Indierock-Greenhorns aus dem Lake District früh erkannt hatte.