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Martina Bauer

Geschriebenes und zu Beschreibendes. Literatur und andere Formate.

4. 8. 2016 - 17:43

Almodóvar und Munro

"Julieta" ist Pedro Almodóvars 20. Spielfilm. Starke Frauenfiguren und ein Gerüst von Alice Munro bestimmen ihn.

Manche Filme sind wie ein Nachhause-Kommen. Nach der ersten Sequenz weißt du einfach, wo du bist. Knallroter Stoff, der weich in große Falten fällt. Dazu ein sanft-wabernder Soundtrack mit diesem speziell, melodramatisch-spanischen Timbre. Die eingeblendeten Worte "Un film de Almodóvar" dann die Bestätigung. Angekommen.

Julieta

Tobis

Interessant übrigens, dass der Vorname "Pedro" bei Plakat und Vorspann quasi verlorenen gegangen ist - eine Markenüberlegung vielleicht?

"Julieta" ist der 20. Spielfim des spanischen Regie-Meisters und voll von seinen bevorzugten, ja klassichen Motiven. Starke Frauenfiguren, kompliziert-komplexe Beziehungs-geflechte, Leidenschaft, Schuld und Tod. Drei Erzählungen der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro, zu finden im Band "Runaway" (dt. Tricks), haben Almodóvar inspiriert und aus Munros Juliet eine Julieta gemacht.

Zug der Zeit

Wir begleiten die titelgebende Heldin auf drei abwechselnd montierten Zeit- bzw. gewissermaßen Zustands-Ebenen: in der Madrider Jetzt-Zeit als sozusagen Verlassene, als ungebundene Lehrerin sowie als Frau und Mutter. Gespielt wird sie dabei von zwei unterschiedlichen Schauspielerinnen.

Die Storyline: Auf einer Zugfahrt Mitte der 1980er Jahre hat Julieta ein Buch auf dem Schoß liegen. Sein Thema: die griechische Tragödie. Kein Wunder also, dass jener Gesprächspartner, dem sie die kalte Schulter zeigt, später unter dem Zug begraben sein wird. Während Julieta zur gleichen Zeit der Faszination zu Xoan erliegt, mit dem sie noch in derselben Zug-Nacht Antía zeugt. Ungeachtet der Tatsache, dass Xoans Frau im Koma liegt.

Einer kurzen, glücklich-gemeinsamen Zeit folgt ein weiterer Tod, ein Zusammenbruch, eine Mädchenfreundschaft und Liebe sowie eine verschlunge Mutter-Tochter-Beziehung. Wir sind im Heute angelangt, wo Julieta von den Geistern der eigentlich ausgesperrten Vergangenheit aufgesucht wird.

Julieta

Tobis

Vertraut

"Julieta" ist mit vertraut-geliebten Almodóvar-Zutaten gespickt und inszeniert. Von Farbakzenten (knallrot!), über Musik, Räumlichkeiten, künstlerischem Ambiete bis hin zu Seitenhieben auf Kirche, Verweise auf frühere Werke oder bekanntes Personal. Alles da. So erinnert die junge Julieta (gespielt von Adriana Ugarte) in ihrer Aufmachung stark an "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" (1988), in dem auch Rossy de Palma mitwirkte, die diesmal eine hitchcockesk anmutende Haushälterin gibt.

Persönlicher Sidestep: Emma Suárez spielt die ältere Julieta und war einst Protagonistin in dem von mir heißgeliebten Julio Médem-Film "La ardilla roja".

"Julieta" mag nicht der weltbeste Almodóvar aller Zeiten sein, aber es ist ein wunderbarer, mitunter anrührender Film. Ohne Schrillheit, eher ruhig - vielleicht auch altersmilde. Allein, eine grobe Irritation: eine durchwegs misslungene Einbindung eines Product Placements während einer Autofahrt.