Erstellt am: 3. 8. 2016 - 14:59 Uhr
Summer of 1969
Summer of...
Summer of... - Pictures, Pop and other Postcards from the Past: Ein Blick zurück auf umwälzende Sommerereignisse, die den Lauf der Popkultur(-Industrie) nachhaltig verändert haben. Im Sommer 2016 auf FM4.
Bryan Adams hatte damals, wie man einem gewissen schnulzigen Welthit entnehmen kann, eine verdammt gute Zeit. Dabei fängt das Jahr 1969 schon düster an. Das Ende einer politischen Aufbruchsstimmung liegt in vielen Ländern in der Luft. In den USA wird der reaktionäre Richard Nixon im Januar als Präsident vereidigt. In Vietnam tobt ein Krieg, der auch die westliche Medienberichterstattung dominiert. In Prag setzt sich ein Student aus Protest gegen die einmarschierenden Truppen des Warschauer Paktes in Brand.
In Kalifornien, einem Epizentrum der Popkultur, glaubt man aber noch an vage Ideen von Freiheit. Schließlich ist es doch etlichen Jugendlichen gelungen, spätestens seit dem Summer of Love 1967, aus dem Norm-Gefängnis der Nachkriegsgesellschaft auszubrechen, die bürgerlichen Fesseln abzulegen. Hinter uns die Sintflut, denken sich auch die beiden Motorradfahrer Wyatt und Billy im Film "Easy Rider", vor uns die endlose Straße.
Columbia Pictures
American Nightmare
"Easy Rider", dieses Heiligtum des New Hollywood, dieser vermeintliche Propagandastreifen der Gegenkultur, handelt nicht von der Revolutionsstimmung, die Ende der 60er auch amerikanische Jugendliche erfasst hat. Statt linken Studenten stehen zwei proletarische Outlaws auf ihren Harley-Davidson-Maschinen im Mittelpunkt. Und einer trägt sogar ungebrochen die US-Flagge auf der Lederjacke. Diese zwei kleinen Drogendealer, ikonisch von Peter Fonda und Regisseur Dennis Hopper gespielt, glauben dennoch an eine neue, alternative, befreite Form des amerikanischen Traums.
Diese Vision verblasst nach anfänglichen Besuchen in Hippie-Kommunen aber allmählich im Laufe des Films, verwandelt sich in einen Albtraum. Fonda, Hopper und ihr Begleiter Jack Nicholson fahren durch ein Land, in dem weiterhin rechtskonservative Spießer regieren. Die Stimmung verdunkelt sich aber nicht nur in "Easy Rider", der im Juli 1969 in den Staaten anläuft. Sondern auch draußen in der wirklichen Welt.
Summer of Hate
Gerade hat Amerika noch einen euphorischen Schub erlebt; nachdem Neil Armstrong, ebenfalls im Juli, eine Flagge in die Mondoberfläche rammt, wird die Nation erschüttert. Eine Gruppe junger Hippiefrauen, indoktriniert vom Sektenführer Charles Manson, metzelt sich mit langen Messern durch Hollywoods dekadente Partyszene, zu den Opfern gehört die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate.
Die grausamen Morde zerstören das Bild vom freundlichen langhaarigen Außenseiter, der gerne Blumen in Gewehrmündungen steckt. Als Mitte August das legendäre Woodstock-Festival stattfindet, bei dem sich hunderttausende Jugendliche unter dem Symbol der Friedenstaube im Regen und Schlamm versammeln, ist Sharon Tate gerade ein paar Tage tot. Im Dezember 1969 stirbt dann beim Altamont-Festival der Rolling Stones ein weiteres Stück des Love & Peace-Mythos. Mitten im Publikum ermorden Mitglieder der Hells Angels Gang einen afroamerikanischen Jugendlichen. Der Film "Gimme Shelter" dokumentiert diesen Wahnsinn hautnah.
Criterion Collection
Krieg in den Städten
1969 zerplatzt die also pychedelische Seifenblase und auch das klassische Hollywood-Happy-End macht Pause. Zentrale Filme wie der blutige Western-Abgesang "The Wild Bunch" von Sam Peckinpah oder John Schlesingers triste Outlaw-Ballade "The Asphalt-Cowboy" entlassen die Zuseher ernüchtert aus dem Kinosaal.
Die Typen aus "Easy Rider" landen im Film beim Mardi Gras Karneval in New Orleans, erleben dort einen Horror-Drogentrip, der auf einem Friedhof im grellen Morgenlicht endet. Danach ist wirklich Schluss mit lustig. Ein paar Rednecks schießen am Ende die langhaarigen Außenseiter kaltblütig von ihren Motorrädern.
Columbia Pictures
Die Utopien einer ganzen Generation scheinen in diesem Schlussbild gescheitert, auch wenn die Zeitgeschichte natürlich komplexer funktioniert. Punk, Industrial, Gangsta-Hip-Hip und jugendliche Frustration, die sich in Gewalt entlädt, dämmern jedenfalls am popkulturellen Horizont heran. Iggy Pop & The Stooges bringen die Atmosphäre in diesem tragischen Sommer auf den Punkt: "It’s 1969 OK, War across the USA".