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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 8. 2016 - 16:40

The daily Blumenau. Fußballwoche KW 30/16.

Warum in den nächsten Tagen die Entscheidung über die europäische Zukunft der Bundesliga fällt. Und wieso die Erste Liga ihren Reiz verloren hat.

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig. Etwa auch mit einem wöchentlichen Fußball-Update.

IN DEN vergangenen Jahren war es guter Brauch, dass kurz nach dem Saisonstart der zweiten Leistungsstufe, also der Ersten Liga, nachdem alle strukturellen Probleme abgearbeitet waren, eine zart-euphorische Einschätzung der dort vorgebrachten taktisch/strategischen Leistungen folgte. Vor allem im Vergleich zur angstvoll in formelhaften Klischees feststeckenden Bundesliga-Vereinen war das, was in den letzten Jahren Erstliga-Trainer wie Hütter, Kogler, Canadi, Scherb, Kleer, Zeidler, Schuldes, Weissenböck, Schmidt, Tatar uvam auf den Platz stellten, vergleichsweise deutlich pfiffiger.

LETZTE Saison war davon schon recht wenig zu spüren, die Anpassung ans Konventionelle war gestiegen. Heuer nun ist der alte Zauber verflogen, Risikonahme, Experimentierlust ist abgesagt. Bis auf die - letztlich außer Konkurrenz daherkommenden - Lieferinger, bei denen Thomas Letsch dann doch wöchentlich seine Spielideen auswechselt und seine junge Offensive durcheinanderwirbelt und so strategisch gut ausrüstet für eine vielfältige fußballerische Zukunft, bleibt die restliche Liga im System-Einheitsbrei des Mittelmaßes stecken. Aus dem dann Rene Wagner, der sich als einziger mit nur einem einzelnen Sechser (in einem 4-1-4-1) aufzulaufen traut, hervorsticht. Der Rest spielt das 4-2-3-1/4-4-1-1-Hybrid, das allerspätestens seit Marcel Koller die Nummer 1 der heimischen Liga-Systeme ist, und zwar in einer recht variationsarmen Form.

AUCH jenseits der Spielideen und Matchpläne fehlt es an Originalität: die Freistoß-Tricks finden ebenso oben statt, wie die Risiko-Auswechslungen oder In-Game-Coaching. Und ausnahmsweise sind es nicht die österreichischen Trainer der alten Schule, die schuld dran sind: die Liga ist multinational durchsetzt. Horn und Kapfenberg haben Landsleute ihrer japanischen bzw bosnischen Investoren installieren müssen, Ali Hörtnagl hat einen vormaligen Koller-Co-Trainer aus der Schweiz geholt, Glasner und Letsch kommen aus der international geprägten Red Bull-Schule und der Ex Rapidler Rene Wagner von Zbrojovka in Brno. Die restlichen vier sind allesamt lokal gerootet, Lassaad Chabbi in Vorarlberg ebenso wie Silberberger in Wattens, Wahlmüller in Linz oder Halper in Wien.

Im Juli/August 2018 geht es dann in ein neues System. 12 oben, 16 unten. Das könnte so aussehen: Bundesliga mit Rapid, Austria, Admira, St.Pölten, Mattersburg, Sturm, Wolfsberg, Ried, LASK, Red Bull, Innsbruck, Altach. Das wäre auch bundesländertechnisch schön gestreut, ebenso wie eine Erste Liga mit A. Lustenau, Wattens, Grödig, A. Salzburg, Red Bull II, BW Linz, V. Steyr, A. Klagenfurt, Kapfenberg, Hartberg, Horn, Wr. Neustadt, Ritzing, Vienna, FAC, Rapid II/Austria II (es werden wohl nur maximal drei Amateur-Teams zugelassen)...

UND WEIL die Ansprüche in dieser vorletzten "normalen" Saison höhere sind, weil mehr als nur die zwei oder maximal drei Vereine, die es wirklich draufhaben, in zwei Jahren in der neuen 12er-Bundesliga stehen wollen, und weil alle Angst haben vor dem dann neuen Unterbau, der neuen 16er-Liga, ist es jetzt Schluss mit lustig. Das bedeutet zum einen den Verzicht auf Boulevard-Helden der marke Pacult, zum anderen aber auch: Risiko-Minderung. Ein Trainer wie einer der oben genannten wird immer die mittelfristige Perspektive betonen - aktuell ist aber ausschließlich Kurzfristigkeit angesagt. Nebeneffekt: der Entdeck-Faktor geht massiv in den Keller. Es ist nicht so sehr das sinkende Level der 1. Liga, es ist eher die sinkende Fähigkeit zu überraschen; nicht per Resultat, sondern per Idee und Ausprobiererei.

WAR DIE Liga in den letzten Jahren eine Art ungezügelter Würstelstand, bei dem sich Verhaltensauffällige und wahre Philosophen Gute Nacht sagten, erinnert die aktuelle Version an eine brav nach allen Franchise-Regeln hingestellte Fast-Food-Filiale. Die Musik spielt weiter oben. Mit Canadi und seinem walisischen System (gute Analyse hier auf abseits.at) oder, trotz aktueller Schwächephasen, Oliver Lederer und Oscar Garcia.

APROPOS "Aktuelle Schwäche": vom kurzfristigen Durchtauchen dieser Phase wird das Wohl und Wehe des österreichischen Vereins-Fußballs für die nächsten zwei, drei Jahre abhängen. In der Projektion für 2019 droht nämlich ein Absturz, den nur Punkte im Wettbewerb verhindern können. Und auch kurzfristiger ist der angepeilte Platz 15 weiter entfernt als man noch vor kurzem glauben wollte.

NACH DER schlimmen Vorwoche, in der sich sowohl die Austria als auch die Admira selber das Haxl stellten und sich Rapid eine schlechte Ausgangslage schuf, sind die zwei abzustrebenden Plätze in der Champions und Europa League schon in Gefahr. Salzburg sollte am Mittwoch zwar weiterkommen (die haben in Elbasan gut vorgearbeitet), angesichts ihrer wieder recht instabilen Performance ist ihnen (und dem österreichischen Fußball) aber kein Champions League-Platz (mit einem Remis und fünf Niederlagen gegen zu gute Gegner, die ein Topf-4-Team eben so erwarten), sondern eine ansehnliche, aber schlagbare Euro-League-Gruppe zu wünschen - in die man noch dazu ziemlich sicher aus Topf 1 gelost werden würden. Das ist zwar schlecht fürs Selbstbewusstsein und den Host-Broadcaster, aber gut für die Fünf-Jahreswertung, die wiederum die Ausgangs-Position bestimmt.

DIESE Rechnung würden allerdings Rapid und die Austria mit einem Ausscheiden in der dritten Quali-Runde obsolet machen - dann wär's nämlich wurscht, dann ist der Absturz in die Zone rund um Platz 18 - 20 unvermeidbar. Was vor allem angesichts der Tatsache, dass die beiden Wiener Klubs in den Play-Off-Spielen zur Gruppenphase gesetzt und zudem dort aus zumindest Topf 3 gelost würden, fatal wäre. Und weitreichende Folgen hätte, die - in einer destruktiven Kombination mit dem Post-Euro-Frust - einige Entwicklungen um Jahre zurückwerfen könnte.