Erstellt am: 31. 7. 2016 - 14:01 Uhr
Brut vs. Prechtlsaal
Popfest
Alle Infos zum Popfest 2016 auf fm4.orf.at/popfest
Wenn die Sonne hinter der Karlskirche verschwunden ist und langsam die Lichter auf der Seebühne gedimmt werden, wenn statt Musik nur mehr angeregtes Plaudern am Karlsplatz zu hören ist, dann ist es am Popfest Zeit sich auf den Weg in die Indoor-Locations zu machen.
Die zwei traditionell beliebtesten sind da der Prechtlsaal in der TU und das Brut im Künstlerhaus, die am jeweils anderen Ende vom Karlsplatz etwa 200 Meter voneinander entfernt liegen. Jedes Jahr gibt es in den Venues immer viel Neues zu entdecken, Altbekanntes wiederzuentdecken oder einen Lieblingsact zu feiern. Auch dieses Jahr wieder. Wobei einen der gestrige Samstag vor eine ganz besonders schwere Aufgabe stellte: Zeitgleich spielten mehrere, ganz besonders hervorragende Bands in den beiden Locations.
Als Seebühnenheadliner Ogris Debris die letzten Takte anspielt, finden sich schon die ersten Schlangen vor Brut und Prechtlsaal ein. Um 23 Uhr spielen dort Hearts Hearts bzw. Lime Crush bis der Samstag am Popfest schließlich um 2 Uhr mit Powernerd bzw. Koenig zu Ende geht. Anschauen, so nehme ich mir vor, will ich vieles davon. Im Idealfall alles. Und letzten Endes hat das dann auch sogar so funktioniert.
Das Brut kann der ärgste Schwitzkasten der Stadt sein, eine heiße, kompakte Musiksauna. Mit einem Balkon, auf den die Menschen zum Luft schnappen kommen, und einem wirklich tollen Bühnenbereich. Heute ist das mein erster Stopp auf meiner Quest der vielen Konzerte zwischen Brut und Prechtlsaal, Lime Crush spielen dort. Die Fettkakao-Allstar-Band bringt den guten alten Garagenrock aufs Popfest. Über 1900 Polizisten wird gesungen, Fanzines werden verteilt und ein Spaziergang durchs Publikum gemacht.
Die Schlange vor dem Prechtlsaal ist auch lang, aber bei weitem nicht so lang wie vor dem Brut. Und auch die Hitze lässt sich eigentlich ganz gut aushalten, als ich gerade noch rechtzeitig zu Hearts Hearts dorthin komme. Die spielen ein wirklich schönes, verträumtes Set und drücken mit ihrem emotionalen Sound genau die richtigen Knöpfe beim Publikum. Und so macht sie sich wieder bemerkbar, die alte Wegbegleiterin am Popfest, die Euphorie.
Am Weg zurück ins Brut ist der Karlsplatz noch voll besetzt, die Leute sitzen aber schon eher als sie stehen. Auf den Parkbänken, am Brunnen, der dieses Wochenende zum Schwimmteich umfunktioniert wurde und auf den Stufen vor der Karlskirche. Ich stelle eine vermutlich neue Bestzeit zwischen Prechtlsaal und Brut auf, 3 Minuten dauert mein Weg von der einen zur anderen Location. Beim ersten Übergang hab ich aber auch noch nicht mitgestoppt, vielleicht war ich da sogar schneller.
Im Brut spielt jetzt gleich Schmieds Puls, ein Act, auf den nicht nur ich mich unglaublich freue. "Hallo Wien, ich glaube wir kennen uns", sagt Mira Lu als Begrüßung von der Bühne und bemerkt: "Es ist verfickt heiß." "Endlich sagt's mal wer," kommt es aus dem Publikum zurück. Dabei ist die Hitze ja das traditionelle Hauptgesprächsthema im Brut. Trotz der schwierigen Temperaturen ist Schmieds Puls dann ein absoluter Höhepunkt dieses Jahr. Der Zauber, den die verbreiten, findet sich in der wunderschön inszenierten Ruhe, in den Pausen zwischen den Noten. Ein ganz besonderer Konzertmoment, für alle, die es rein geschafft haben, für alle die der Hitze trotzen.
Es ist mittlerweile kurz vor 1 Uhr, als ich mich wieder auf den Weg zurück zur TU mache. Am Karlsplatz fühlt es sich mittlerweile so an, wie eine Art Alternativfestival zum Popfest. Rumhängen und Abquatschen, die Schlangen vor den Locations möchten sich viele nicht mehr antun. Chick Quest spielen gerade im Prechtlsaal, noch so eine Band, von der einem im Vorfeld erzählt wird, sie nicht verpassen zu dürfen. Die Spaghetti-Western-Post-Punk-Band spielt gut, spielt schnell und solide, da wird auch ordentlich vom Publikum mitgegangen.
Wieder zurück im Brut ist es noch verhältnismäßig kühl, Ankathie Koi weist in ihrer Anmoderation von Mynth aber darauf hin, dass es in einer halben Stunde wieder 50 Grad haben wird. So schlimm wird's dann glücklicherweise nicht. Das Elektronik-Duo, das vor kurzem gerade noch in Mexico City gespielt hat, gibt dann eine wirklich schöne, polierte Performance, zu der die Leute im Publikum sehr gut tanzen können. Da machen sich die von der Band erwähnten Portishead-Einflüsse bemerkbar und auch die von den späteren Nine Inch Nails-Sachen. Mich erinnert der Sound der Band oft an ein anderes Trent Reznor-Projekt, How To Destroy Angels. Softe Vocals, die über herumglitchende Beats performt werden.
Ähnlich atmosphärisch, wenn auch eine Spur reduzierter, geht es auch im Prechtlsaal zu. Der Weg dorthin wird auch immer mehr zur einfachen Routine und auch davor löst sich die lange Schlange immer mehr auf. Vague, die Band, die man wie das französische, nicht das englische Wort ausspricht, bauen uns hier spacige Traumwelten mit ihren verwaschenen Gitarren auf. Da kann man schon ein bisschen drin verweilen, bevor die finalen Acts der Nacht beginnen.
Die letzten beiden Bands scheinen irgendwie dem selben bizarren Universum entsprungen zu sein, dem einer neuen Generation von musikalischen Superhelden. Im Brut ist das Koenig, eine Hälfte von Königleopold, der als fluoreszierender Multi-Instrumentalist in bunten Farben seine Fertigkeiten zum Besten gibt, im Prechtlsaal sind das die Mensch gewordenen Roboter (oder doch die zu Roboter gewordenen Menschen?) von Powernerd.
Das ist so schön, da kommt man aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. Synthpopeskapaden treffen auf kavinskyeske Videospielmusik, wenn Powernerd als weißbekleidete, maskentragende Mensch-Maschinen über die Bühne highkicken. Während "BMX", der großen, ersten Single, gibt's sogar einen Spagat auf der Bühne, das namensgebende Fahrrad befindet sich während der Show als Trophäe hinter der Band. Zugabe gibt's eine, nach einer zweiten ruft das Publikum aber auch trotzdem. Eine der besten Shows am Popfest für mich.
Am heutigen Sonntag geht's dann in die finale Runde, mit dem Black Palms Orchestra, Demi Broxa und dem Johann Sebastian Bass Orchestra. Das vollständige Line-Up findet ihr hier.