Erstellt am: 27. 7. 2016 - 17:46 Uhr
Edge Genetics
Vor Kurzem ist bei mir ein Paket ins Postfach geflattert, mit einem DNA-Abstrichset – also einem Wattestäbchen und einem Röhrchen – von einem Unternehmen namens Edge Genetics. Im dazugehörigen Schreiben steht, dass sie nach DNA-Spenden suchen und man solle auf ihrer Website einen Test machen, ob man als SpenderIn geeignet sei. Sehr mysteriös. Wenn man dann auf die Website geht, findet man neben dem Test zum Ausfüllen auch Stories über genetisch modifizierte Embryonen und auf Youtube dieses Video von Edge Genetics:
Was hat das alles zu bedeuten? Bei mir im Studio waren heute Matthias Leihs und Anna Dremsek zu Gast, die hinter der Sache stecken.
Anna, Matthias, bitte klärt uns auf - worum geht es?
Anna Dremsek: Es handelt sich hier letztendlich um ein Kunstprojekt, das wir an der Uni Wien gemeinsam mit Studierenden entwickelt haben. Genauer ist das ein Alternate Reality Game, kurz ARG, bei dem man dazu angehalten ist, sich an der Entwicklung und Gestaltung der Geschichte, die sich hier entwickelt, zu beteiligen. Das Thema ist Genforschung, deswegen auch die Firma Edge Genetics. Wie sind gerade gestartet, das waren jetzt so die ersten Hinweise, die im Rahmen dieses ARG an die Öffentlichkeit gelangt sind.
An wen habt ihr denn diese DNA-Kits geschickt?
Matthias Leihs: Ca. 30 DNA-Kits wurden an Künstler und Kreative aus dem Umfeld des Popfests verschickt.
AD: Man wird im Verlauf der Handlung herausfinden, wer genau hinter dieser Firma steht und was diese Firma genau vorhat. Derweil ist nur klar, dass diese Firma bestimmte DNA sucht, in erster Linie waren auch diese Musiker angesprochen, aber theoretisch kann jeder auf der Website diese Umfrage machen und herausfinden, ob er eine geeignete DNA hat, die Edge Genetics dann weiterverarbeiten möchte.
Es gibt die Kits, die verschickt wurden und diese gruselige Website. Aber dann gibt es noch eine andere Seite, auf die ich gestoßen bin, eine Art Forum oder Chatroom, wo sich Leute ÜBER Edge Genetics austauschen.
ML: Nachdem die Machenschaften von Edge Genetics mehreren Leuten seltsam vorgekommen sind, hat sich eine Gruppierung geformt, die Bio Ethics Taskforce, die dem Treiben von Edge Genetics gegenübersteht und aufklären will, was da passiert.
Das Ganze ist eigentlich ein Real Life-Theaterstück!
AD: Genau, und es lebt davon, dass sich die Spieler aktiv beteiligen und die Handlung vorantreiben.
Was war die ursprüngliche Idee dahinter, warum macht ihr das?
ML: Die Idee war, eine Geschichte zu erzählen, die nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar ist. Und natürlich auch auf das Thema hinter Edge Genetics aufmerksam zu machen, nämlich, dass im Moment sehr viel Forschung im Bereich Gentechnik passiert. Dass vielen Leuten gar nicht bewusst ist, was dieser Tage alles möglich ist.
Theranos war eine Art StartUp, Gründerin Elizabeth Holmes ist es mittlerweile untersagt in Labors zu arbeiten oder eines zu betreiben. Das Wall Street Journal hat die ganze Story.
AD: Man denke zum Beispiel an Theranos: Eine junge Wissenschaftlerin hat da eine Art Genetik-Wundertest versprochen, der mit ganz wenig Blut funktionieren sollte und die ganz schön viel Geld damit eingenommen hat - bis das Startup verboten wurde. Da haben viele Leute nicht gewusst: Geht das, geht das nicht?
ML: Es gibt noch ganz andere Kuriositäten. In Südkorea kann man zum Beispiel - das nötige Kleingeld vorausgesetzt - seinen Hund klonen lassen. Also die Möglichkeit Haustiere kommerziell zu klonen gibt es bereits.
Wer in das Alternate Reality Game noch einsteigen will: Auf Edge Genetics den Test machen, und schauen, ob die eigene DNA geeignet ist. Oder bei den GegnerInnen von der Bio Ethics Taskforce mitdiskutieren.
Unfassbar gruselig. Ihr hab die Website und die Kits rausgeschickt, es gibt auch einen Twitter-Account. Wie sind denn bis jetzt die Rückmeldungen von außen?
AD: Ein bisschen Irritation. Wenn man genauer hinschaut merkt man, dass das Ganze irgendwie seltsam ist. Einerseits glaubt man es, andererseits zweifelt man es an. Das ist genau das, was wir erreichen wollen. Wir wollen, dass die Leute selber nachdenken und sich selbstständig mit dem Thema Genforschung auseinandersetzen. Letztendlich kann keine Behörde oder die Ethikkommission entscheiden, was wir für richtig oder falsch halten, sondern alle sind dazu angehalten, nachzudenken. Wir sind diejenigen, die entscheiden was wir in der Zukunft wollen und was mit unseren Genen und unseren Familien passiert. Daher sollten wir unsere Meinung aufgrund von Fakten bilden und nicht aus reiner Angst.
Was kommt jetzt noch?
ML: Die Geschichte wird sich weiter und weiter entwickeln und die Spielerinnen und Spieler sind angehalten sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen und unseren Plattformen zu folgen. Es wird immer mehr und mehr Hinweise geben, die, wenn man sie verfolgt, weitere Aspekte der Geschichte offenlegen.