Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Fußballwoche KW 29/16."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 7. 2016 - 14:40

The daily Blumenau. Fußballwoche KW 29/16.

Zukunftsweisende Momente, der neue Alaba und die Macht der Zwischenräume: ein erstes Fazit der Liga-Saisoneröffnung.

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

2016 wieder regelmäßig. Etwa auch mit einem wöchentlichen Fußball-Update.

Es war die 66. Minute im Allianz-Stadion, als wir einen Blick in die österreichische Fußball-Zukunft richten durften. Nein, nicht vorgestern in Wien, sondern Donnerstag in München. Da kamen nämlich, zeitgleich zwei junge Österreicher ins Testspiel Bayern Münchens gegen Manchester City. Marco Friedl, 18, wurde von Carlo Ancelotti in dessen ersten Match als linker Verteidiger hineingeworfen, erledigte seinen Job mutig und mit Bravour. Sinan Bytyqi, 21, spielte seinem neuen Coach, Josip Guardiola, einen inversen linken Flügel vor, übermotiviert, aber voller Wucht und mit Gier auf den Ball. Auf höherem Level kann man sich nicht präsentieren, vor allem auf den Positionen von Alaba und Arnautovic.

Apropos Alaba: da hat Ancelotti Marcel Koller jetzt schon ordentlich Nachdenkstoff mit in den August gegeben. Der neue Bayern-Coach setzt den bestgerankten Ösi-Kicker nämlich als Achter in einem Dreier-Mittelfeld ein, halblinks mit viel Offensivdrang, mittig hinter Ribery. Nicht dass Alaba bei diesem Spiel gut zur Geltung kam (er wirkte weiterhin unsicher, als ob er noch eine Alptraum-Version der Euro nachspielen würde), aber falls das 4-3-3 Ancelottis Einser-System wird, ist auch Koller gut beraten seinen zweiten Anzug (den, der zum, Tragen kommt, wenn Junuzovic ausfällt) neu aufzustellen. Denn die Versuche bei der EM haben ja nicht wirklich gut geklappt.

Anderes hingegen hat gut ausgesehen - und zweierlei EM-Erprobtes wurde von den Liga-Coaches in die neue Meisterschaft eingebracht.

Zum einen hat Damir Canadi Chris Coleman und Wales genau auf die Finger gesehen und im ersten Match gegen Wolfsberg ein echtes 5-3-2 auf die Beine gestellt. Das war gleich doppelt klug von ihm. Zum einen bringt ein neuer Input, der in der kollektiven Wahrnehmung so gut funktioniert hat, sicher gute Akzeptanz. Außerdem ist der WAC dank Co-Trainer Ilzer, der für die Gegnerbeobachtung zuständig ist, bestens über Schwächen der Kontrahenten informiert - dem hat Canadi mit seiner kleinen Überraschung allen Wind aus den Segeln genommen. Altach wird das walisische System sicher nicht durchspielen, aber eine gut funktionierende Variante mehr ist Goldes Wert.

Die andere Neuerung wäre wohl auch ohne Euro irgendwann angekommen; die Frage ist nur, ob auch so schnell und anschaulich. Sichtbar wird das etwa am Beispiel von Rapid.

Rein vom System her hat Mike Büskens im Vergleich zum Vorjahr nichts geändert, man bleibt im 4-2-3-1; allerdings stehen die Formationen deutlich enger aneinander, die Barisic'schen Löcher, die Rapids Spiel in den letzten Jahren so ausrechenbar und langatmig gemacht hatten, sind weg. It's the Zwischenräume, stupid! Und wenn sich dann auch noch die vier Offensiven nicht fix an eine Flanke oder Position binden, sondern flexibel agieren, wenn der zentrale Mann der Dreier-Reihe nicht nur beim defensiven Pressing, sondern auch im Angriffsfall tendenziell auf der Höhe der Spitze agiert, dann ist das angriffige 4-2-4 hergestellt, mit dem man (individuelle Klasse vorausgesetzt) in Europa mitspielen kann. Und um die Meisterschaft sowieso.

Ähnlich läuft es bei der Austria ab, die ihr 4-2-4 zwar wieder ganz anders organisiert, aber die nämlichen Effekte erzielen kann. Wenn Holzhauser, wie in den letzten Spielen überraschend oft, dann über die linke Seite kommt, ist ein spezifisches 4-1-4-1 oder gar 4-1-5 möglich, mit dem die personell (vor allem im Vergleich zu Rapid) schwächer erneuerte Austria zusätzliche Prozentpunkte herausholen kann. Auch hier: alles eine Frage der Zwischenräume. Achtet einmal auf die Raumaufteilung zwischen Holzhauser und Kehat.

All das kann der Primus auch; und mehr. Dass Salzburg trotzdem schlecht in die Meisterschaft gestartet ist, hat mehr damit zu tun, dass Trainer Oscar ernsthaft davon ausging gegen Sturm Graz auf Schwegler, Bernardo (& Samassekou) und vor allem Kapitän Soriano verzichten zu können. So durchrotieren kann er mit seiner (eben auch Naby-losen) Truppe nicht. Das fehlen von Soriano hatte den letzten furchtbaren Start (samt EC-Aus) zur Folge. Daraus hätte man eigentlich auch etwas lernen können. Vielleicht genügt der Schuss vor den Bug. Da wäre dann aber noch ein Problem: keines der drei bisherigen Systeme, weder das 4-3-3 noch das 4-2-2-2 noch das vorgestrige 4-1-4-1 hat so richtig gezündet. Da passen zwar die Abläufe und Abstimmungen (ja, auch die Zwischenräume), aber Lazaro und Berisha haben immer noch keine optimale Position, es herrscht große Flügel-Unsicherheit, ich sehen im aktuellen Konzept nicht was der Coach eigentlich will.

Das sehe ich zwar bei Sturm und Foda auch nicht, aber das hat Tradition. Im Ernst: auch in Graz hat sich die Zwischenraum-Situation gebessert, die Balance-Fähigkeit von Jeggo und Matic ist ausgereifter als sagen wir die von Piesinger und (dem in dieser Position eh falschen) Offenbacher, Huspek und Schmerböck haben mehr Anbindung an Hinter- und Vorderleute, Alar bewegt sich in alle Richtungen. Ja, und Schoissengeyr-Spendlhofer ist mein aktuelles Lieblings-Innenverteidigerpaar. Ich brauch den Schulz nicht.

Und die anderen? Ried etwa ist, sagt der neue Coach, derzeit nicht bundesligatauglich. Das ist richtig. Teilweise. Was nämlich ihn betrifft.
Nach langen Gludovatz'sch inspirierten Jahren eines komplex-variablen Spiels mit 3/5er-Abwehr kann man schon auf ein 4-4-2 umstellen (ist ja zwischenzeitlich immer wieder passiert) - es sollte nur die Breite des Feldes mitbedenken und nicht in der Mitte festpicken. Benbennek hingegen band ein fixes 2-Meter-Schnürl zwischen seine Innenverteidiger und vergaß auch seine Außenspieler im Mittelfeld in die Abwehrarbeit einzubinden, sondern ließ sie inversiv spielen. Das brachte offensiv (auswärts bei Rapid reicht das nicht) nix, und war defensiv deutlich zu unvorsichtig. Unkenntnisreicher vercoachen kann man sein Ried-Debut gar nicht.

Apropos St. Pölten: die Erste Liga würde ich mir gern noch ein zweites Mal anschauen, ehe ich zu Einschätzungen komme.

Alles beim (mäßigen) Alten blieb in Wolfsberg, Mattersburg und St.Pölten. Wobei der Aufsteiger vielleicht nicht gut beraten wäre sich jetzt komplett neu zu erfinden. Daxbacher kann sein solides 4-2-3-1 sicher auf okayem Niveau stabilisieren. Wobei auch Mattersburgs 4-5-1-Fächer gar nicht so übel ausgesehen hat, offensiv immer wieder in ein 4-3-3 kippte und beim Gegenpressen mit gleich 5 Leuten seinem Gegner schon einen Schrecken einjagen konnte.

Der Gegner, die Admira, sah bei weitem nicht so plan und gewagt aus wie im Europacup (wo man bisher vier absolut tadellose Partien abgeliefert hat). Hauptgrund dafür - erraten: die schlecht gestaffelten Zwischenräume. Vor allem die rechte Offensivseite, die die Schwachstelle der Mattersburger anbohren sollte, übertrieb und brachte so das rund um die Chef-Spinne Knasmüllner gebaute Netz in Schwierigkeiten.

Dass sich trotz scheinbar klar bezogener Positionen keine validen Vorhersagen betreffend Herbst-Meisterschaft machen lassen, hat nicht nur mit dem bis Ende August offenen Transfer-Fenster zu tun, sondern auch damit, dass die Strategieberechtigten deutlich flexibler/aufnahmebereiter sind als noch letzte Saison. Der Wechsel Barisic -> Büskens ist da ein paradigmatisches Symbol. Nicht weil der Ex-Schalker ein Genie wäre, sondern weil er für international übliche, schnelle Antizipation steht und das alt-österreichische "nur ned hudeln" gar nicht mehr kennt. Andere wie Oscar, Fink, Lederer, Canadi und Ilzer haben das auch intus, aktuell scheint Franco Foda den Sprung zu schaffen, im Vorjahr galt Vastic schon als Hoffnungsträger. Soll heißen: auch ganz ohne Winter-Verstärkungs-Panik ist jedem dieser Trainer jederzeit ein Turnaround zuzutrauen.

Die bisherigen Vorstellungen auf europäischer Bühne bestätigen diese Annahme jedenfalls; auch wenn die Gegnerschaft bisher aus der dritten Reihe kam. Trotzdem: EM-Gegner Ungarn beispielsweise ist aktuell fast schon komplett draußen; Ferencváros, Debrecen, MTK sind schon weg, nur noch Videoton ist dabei. Mehr zu den internationalen Aussichten der Vereine demnächst.