Erstellt am: 23. 7. 2016 - 13:05 Uhr
Fotzenfenderschweine
Drei Jahre ist es also schon her, dass Almut Klotz an Krebs gestorben ist. Es war ein Schock für die FM4 Redaktion, sind doch viele von uns mit den Platten der Lassie Singers, deren Gründungsmitglied Almut Klotz war, (musikalisch) sozialisiert worden. Auch ihre späteren Projekte - der Popchor Berlin, ihre schriftstellerische Tätigkeit oder Flittchen Records mit der bis heute stattfindenden Flittchenbar in Berlin - waren für viele von uns wichtige Orte und Begleiter.
Künstlerisch tätig war Almut Klotz-Dabeler (wie sie nach ihrer Heirat hieß) die letzten Jahre über meistens im Duo, zusammen mit ihrem Freund und späterem Ehemann Reverend Christian Dabeler. Dieser hat zusammen mit Klotz' Sohn Aaron Klotz nun auch ihr vermutlich letztes Werk herausgegeben: das schöne Buch "Fotzenfenderschweine".
Verbrecher Verlag
Der Kampf namens Beziehung
Es ist auch eben jener Ehemann, der Almut Klotz in ihren Aufzeichnungen am meisten beschäftigt. Wer sich hier einen verklärten Blick in ein fröhliches Lassie Singers-Tourtagebuch erwartet, liegt gänzlich falsch. Und das ist gut so, denn "Fotzenfenderschweine" ist ein Buch, das intimer nicht hätte ausfallen können. So intim nämlich, dass es oft schmerzt.
Die Beziehung der beiden ungleichen Liebenden, des diskussionsfreudigen Hamburger Musikers Dabeler und der anfänglich oft viel zu stillen Künstlerin Klotz, ist eine, die weder einen Hollywood-tauglichen Anfang hat, noch den glücklichen Verlauf, den man gerne lesen würde. Es ist ein hartes Stück Arbeit, dass sich die beiden mit ihrer Zweisamkeit aufhalsen und oft fragt man sich, warum sie sich das antun.
Das Gespräch eskalierte derart, dass wir beide gezielt ausfallend wurden. Irgendwann, als schon Gläser geworfen und die hässlichsten Aussprüche gefallen waren, saßen wir völlig erschöpft an dem großen geöffneten Fenster im Wohnzimmer und schwiegen. (...) Reverend war in seinem Sessel eingeschlafen, und ich hörte einfach nur den Vögeln zu. Vielleicht streiten die sich ja auch die ganze Zeit, dachte ich.
Dragnet Records
Eine Liebesgeschichte?
Die Lassie Singers - "Ich glaub ich hab ein Faible für Idioten"
Bei den Aufschlüsselungen der zahlreichen Streits zwischen den beiden, geht Klotz immer sehr hart mit sich selbst ins Gericht und nimmt meistens ihren Partner in Schutz. Lange ist nicht klar, warum sie das macht, erscheint der Mann an ihrer Seite doch immer harsch, roh und kalt, ohne viel Mitgefühl und ohne die Gabe, Kompromisse eingehen zu können, die für viele doch zu einer gelingenden Beziehung dazugehören.
Die Zweifel ihrer Freund_innen an dieser Partnerschaft kann man als Leser_in sehr schnell sehr gut verstehen. Doch genau wie die Menschen, die Almut Klotz sehr nahe standen, müssen auch wir gegen Ende des Buches erkennen, dass sie natürlich selbst am besten weiß, was und wer ihr gut tut. Und obwohl es in "Fotzenfenderschweine" vorrangig um Reverend Dabeler zu gehen scheint, ist es doch Klotz, die uns diese Geschichten über ihren Lebenspartner erzählt und zwischen den vielen Anekdoten über sein Leben, sind es ihr Leben und ihre Gedankenwelt, die Satz um Satz deutlicher in Erscheinung treten.
Früher hatten viele Leute zu mir gesagt: "Du kannst so gut zuhören." Was meistens nichts anderes bedeutete als: Dich kann man so gut zulabern.
Der Popchor Berlin performt "How Soon Is Now" von The Smiths unter der Leitung von Almut Klotz, das musikalische Playback kam von Reverend Christian Dabeler und ist viel besprochener Gegenstand im Buch.
Durchhalten
Die Almut Klotz, die uns in diesem Buch entgegentritt, arbeitet sich weder daran ab, uns ihre Krankheit und deren Verlauf zu schildern (tatsächlich wird der Krebs nur circa drei Mal - und da auch nur indirekt - erwähnt), noch wie es ist, eine junge Mutter oder gar eine Musikerin zu sein, auch wenn das natürlich alles eine Rolle spielt.
Ein feministischer Text ist "Fotzenfenderschweine" jedoch kaum, viel zu sehr macht sich Klotz von ihrem männlichen Gegenpart abhängig, ja sie reproduziert sogar manch seltsam verstaubte und gänzlich unfeministische Ansicht: "Also, die Aussage, eine Frau würde sich nur schminken, um Männer scharf zu machen, ist grundsätzlich richtig."
Aber sie zeigt uns in diesem Fragment aus ihrem Leben - wie kitschig das auch klingen mag - dass sie sich nicht zu schade war, für die Liebe zu kämpfen. Dass sie, obwohl sie das im Buch öfter über sich selbst behauptet, keineswegs eine "faule Sau" war, also auf keinen Fall dann, wenn es um diese Beziehung ging.
Nach etwa zwei Jahren unserer Beziehung wurde alles etwas besser. Also in der Zeit, wo andere Paare, nachdem sie in nahezu verrückter Verliebtheit die Nächte durchgemacht hatten, von einem Höhenflug zum nächsten getanzt waren und alles andere keine Rolle spielte, ernüchtern und ihr Zusammenleben arrangieren. Oder sich trennen. Das meine ich gar nicht zynisch. Ich hätte mir diese Zeit der leichtfüßigen Verliebtheit auch gewünscht. Aber so war es eben nicht. Dafür wurden wir fürs Durchhalten belohnt.
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fm4.orf.at/buch
"xxx"
"Fotzenfenderschweine" ist ein unvollendetes Buch. Immer wieder sind einzelne Stellen mit "xxx" markiert und man kann nur spekulieren, was Klotz hier noch hinzufügen oder wegstreichen oder ändern wollte.
Almut Klotz hat bis zu ihrem Tod im August 2013 an "Fotzenfenderschweine" gearbeitet. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, dass das Buch - in welchem Stadium auch immer - veröffentlicht werden soll. Es ist also in gewisser Weise ein Geschenk von Almut Klotz an die Welt, an uns. Um ein Lassie Singers-Zitat zu paraphrasieren:
Wir sind ihr jetzt schon dankbar.