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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

20. 7. 2016 - 17:22

Fortsetzung folgt

Erneut machen Geflohene aus dem Irak, Syrien und Afghanistan in Graz mit einem Protestcamp auf sich aufmerksam.

"Obwohl wir in Österreich Friede und Freiheit und Freunde gefunden haben, können wir unsere Familien nicht nach Österreich bringen. Wir haben jetzt mehr Angst als zuvor, wenn ein Familienmitglied stirbt. Im Irak gibt es fast täglich eine Explosion", sagt Omer Altameme. Nahe des Paulustores im Grazer Stadtpark kann man derzeit wieder viel über andere Welten erfahren. Doch: "Wir sind nicht anders als die Leute hier. Mich interessiert nicht, ob die Leute hier Muslime sind oder nicht. Wir können einfach mit den Leuten leben. Wir sind Menschen."

Seit zehn Tagen versuchen Geflüchtete erneut, mit einem Protestcamp auf ihre Situation und ihr Leben aufmerksam zu machen. Deutsch- und Arabischkurse finden statt, es wird viel gesungen und gemeinsam gegessen. Vis-à-vis steht das Amtsgebäude, in dem auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine steirische Regionalstelle hat. Es ist ein Ort der Entscheidungen. Und genau auf diese warten die Männer, die das Protestcamp mit einigen Zelten errichtet haben, seit Monaten. Manche warten und bangen bereits eineinhalb Jahre.

Siebdrucken beim Protest Camp der Flüchtlinge in Graz

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Eine der gemeinsamen Aktivitäten, zu denen das Protest Camp einlädt: Siebdrucken auf T-Shirts

Ali Jamel Mohsin spricht kein Englisch, ich kann nur "Shukran" und auf Arabisch nach Tageszeiten grüßen. Darum erzählt Omer Altameme aus dem Leben seines Bekannten: "Mein Bruder ist in meinen Armen getötet worden. Ich habe meine Augen und meine Hand durch eine Explosion verloren. Meine Eltern sind sehr alt. Wenn ich hier den ganzen Tag warte, verliere ich meine Ziele. Ich bin Mechaniker und habe zu studieren begonnen." Ali Jamel Mohsin hat einen Antrag auf Asyl gestellt, ein Interview hatte er noch nicht.

Omer Altameme ist 24 Jahre alt, in Bagdad hat er als Frisör gearbeitet und studiert. "Aber hier darf ich nicht arbeiten, weil ich noch keinen positiven Bescheid bekommen habe." Omer will studieren, die Studiengebühren kann er sich aber nicht leisten. "Ich bekomme 320 Euro von der Regierung, 200 Euro zahle ich für die Miete, es bleiben 120 Euro. Wie kann man mit 120 Euro leben? Ich will auch mit den Leuten feiern und am Wochenende rausgehen. Ich muss auch Bücher kaufen, um Deutsch zu lernen." Omer borgt sich Geld von Freunden.

"Das Camp ist wichtig für uns", erklärt ein junger Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Er ist aus Mosul im Nordirak geflohen und lebt seit 14 Monaten in Österreich. Seine Mutter wäre vor einem halben Jahr vom sogenannten Islamischen Staat ermordet worden, andere Familienmitglieder wären in die Türkei geflohen. Die übriggebliebene Familie möchte in der Türkei eine Wohnung kaufen. Zurück in den Irak könne er nicht. Er hat abends beim Protestcamp vorbeigeschaut, um einen österreichischen Freund zu treffen. Der beteiligt sich am Protest, indem er einer der UnterstützerInnen ist, die sich abwechseln, um rund um die Uhr als Ansprechpersonen für Behörden zur Verfügung zu stehen. Das Protestcamp ist angemeldet.

Ein Jahr und vier Monate warten

Im Forum Stadtpark treffen sich Flüchtlinge und Einheimische einmal im Monat zum "Forum im Forum". Am 4. August gibt es das nächste Special mit einem Ausflug. Vor allem durch die Unterstützung des Forum Stadtparks und seines Publikums haben sich Freundschaften entwickelt.

Einer, der sich schon beim ersten Refugeeprotestcamp in Graz im vergangenen Herbst eingebracht hat, ist Mohaned. Ein Jahr und vier Monate lebt er jetzt in Österreich. "Alle Menschen hier warten", sagt der Koch mit betonter Langsamkeit. Was macht er in der Wartezeit, was macht er den ganzen Tag? Die Frage macht ihn ratlos. Mohaned will vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wissen: "Wie lange dauert meine Zeit hier? Und warum?" Drei Männer gesellen sich hinzu. Untereinander kommen die Geflüchteten gut aus. Die Iraker haben allerdings den Eindruck, dass die Bearbeitung ihrer Asylanträge lange dauert. Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan erhielten schneller Antworten.

Flüchtlinge und GrazerInnentreffen sich beim Refugees Protest Camp am Grazer Parkring am Rand des Stadtparks

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Als Reaktion auf das erste Protestcamp habe die Regionalstelle des BFA den Demonstrierenden erklärt, dass die Anträge Asylsuchender mit der Eröffnung einer zweiten Stelle der Behörde in Puntigam schneller bearbeitet werden könnten. Jetzt versuchen die Geflüchteten erneut, auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen. "Der Irak ist nicht sicher. Im Irak sind über drei Millionen Menschen auf der Flucht. Wie ich sind zwei, drei Millionen Menschen in andere Länder geflohen", sagt Mohaned, der seine Familie verloren hat. Er will in der Steiermark bleiben, hier habe er schon fünfzig Freunde gefunden. "Ich kenne einen Kinderarzt, der einen Negativbescheid bekommen hat. Er könnte österreichischen Kindern helfen! Er ist ja Arzt!"
Kennt Mohaned Flüchtlinge, die freiwillig in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind? "Ja. Viele Leute haben Kinder und ihre Familie im Irak, um die sie bangen."

Mehr Personal für das Bundesamt

Behauptungen, dass eine Regionalstelle des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (kurz:: BFA) schneller als eine andere arbeite, seien ohne Grundlage, sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. "Die durchschnittliche Verfahrensdauer richtet sich nach dem Prüfaufwand". Die Anzahl der Anträge auf Asyl hierzulande hat sich im Vorjahr verdreifacht gegenüber 2014. "Natürlich ist das etwas, wo es Engpässe bei den Kapazitäten gibt", räumt Grundböck ein, "es braucht Zeit, bis man die Entscheidungskapazitäten sprich das Personal auch erhöht".
Die steirische Regionalstelle des BFA startete 2014 mit vierzig MitarbeiterInnen. Inzwischen wurde das Personal verdoppelt und schließlich sollen es 140 MitarbeiterInnen werden. Im April eröffnete eine Außenstelle der Regionalstelle in Puntigam.

Es gibt Faktoren, die sich auf die Dauer eines Asylverfahrens auswirken können. Das formale Zulassungsverfahren geht dem inhaltlichen Verfahren voran. Die Klärung, ob Österreich zuständig für die Verfahrensführung ist oder aber ein anderes Land, aus dem jemand eingereist ist, kann Monate dauern. Gibt es Zweifel an einer behaupteten Minderjährigkeit, fordern die BeamtInnen ein Gutachten zur Feststellung des Alters an.

Was können Menschen dazu tun, die um Asyl ansuchen? "Mitwirken", antwortet Karl-Heinz Grundböck. "Gerade in dieser Formalfrage beim Antrag um Asyl ist es ganz wesentlich, dass plausible und ehrliche Auskünfte gemacht werden."

Männer aus dem Irak, Syrien und Afghanistan sitzen im Grazer Stadtpark und beraten über die Verlängerung ihres Refugees Protest Camps.

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Die Männer im Protestcamp wollen sich jetzt mit einem Brief an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wenden. Heute Nachmittag haben die Männer im Stadtpark entschieden, ihr Protestcamp zu verlängern. Am Donnerstag, 21. Juli, um 14.00 laden sie zu einem Fußballspiel ein.