Erstellt am: 19. 7. 2016 - 15:38 Uhr
Weltweit gemeinsam menstruieren!
Seitdem sich Stefanie Sargnagel flankiert von der Burschenschaft Hysteria ihren Publikumspreis beim Bachmannwettesen abgeholt hat, sind die martialisch auftretenden Frauen mit roter Kappe und Hyäne auf dem Rücken einem größeren Publikum aufgefallen. Mir werden die Tätigkeiten der Burschenschaft schon seit ein paar Monaten in die Timeline gespült.
Burschenschaft Hysteria
Das auffällige Auftreten und die originellen Posts erregen Aufmerksamkeit - gerade in den Sozialen Medien bekommt die Hysteria große Resonanz. Mehr über die Burschenschaft herauszufinden oder direkt in Kontakt zu treten ist allerdings gar nicht so einfach. Interviews und Kontakt mit Medien werden grundsätzlich abgelehnt. Ich habe allerdings eine Kontaktperson aus dem innersten Kern der Hysteria und immerhin wurden mir Teile des Statuten und des Hysteria-Handbuchs zugespielt - das übrigens nur Frauen lesen dürfen. Ich bin also quasi Maulwürfin und kann aus dem geheimen Pamphlet zitieren. Daraus und aus der Facebook-Aktivität lassen sich einige haltbare Thesen über Hysteria extrahieren:
Lieder, Wichs und lebenslange Freundschaft
Burschenschaft Hysteria
Hysteria hat alles, was eine echte Burschenschaft braucht. Dazu zählt auf der äußerlichen Ebene die Uniform, traditionell "Wichs" genannt. Dazu schwarze Fahnen mit dem Hyänen-Logo. Aber keine Burschenschaft ist vollkommen ohne gemeinsame Rituale - da kann die Hysteria einen eigenen Gruß und mehrere Trinklieder vorweisen. Zur Uniform gehört auch eine Kappe, genannt "Deckel" - dazu heißt es im Burschenhandbuch:
Das Rot unseres Deckels bezieht sich auf die roten Haare unserer Gründerin, der Habsburgerin und Kaiserin Leopoldine von Österreich […] Den Deckel vererbt der Leibbursche an einen würdigen Fuchs. Unser Deckel symbolisiert die lebenslange Bindung an Hysteria und die damit verbundenen Werte und Pflichten.
Damit ist auch schon eine weitere wesentliche Charakteristik von Burschenschaften angeführt: Wer einmal bei einer dabei ist, bleibt ihr lebenslang verbunden. Auch bei Hysteria ist das nicht anders. Dazu kommt die Geheimniskrämerei, das Abschotten gegenüber der Öffentlichkeit und ein Übergriff auf das Privatleben eines Wiener Autors durch eine radikale Splittergruppe, von der sich die Burschenschaft sofort distanzierte.
Burschenschaft Hysteria
Die clevere Installation eines historischen Mythos
Keine Burschenschaft ohne die Berufung auf eine langjährige historische Tradition. Im Fall von Hysteria beruft man sich auf Maria Leopoldine von Österreich (ja die hat es wirklich gegeben) - eine Zeit lang Kaiserin von Brasilien. Sie soll die Burschenschaft Anfang des 19. Jahrhunderts als Geheimloge gegründet haben. In einem Punkt distanziert sich die Hysteria aber heute von ihren Vorfahrinnen: 1816 fand eine Bücherverbrennung statt, "heute, 200 Jahre später sind derartige barbarische, antiintellektuelle Methoden selbstverständlich gänzlich abzulehnen", heißt es in "Mein Mampf".
Die historische Leopoldine war ihrem Mann Pedro intellektuell überlegen und hat ihn bei der Führung Brasiliens beraten, unter ihrem Einfluss wurde die Unabhängigkeit Brasiliens eingeleitet. Trauriges Detail: Gestorben ist die noch nicht 30-jährige Kaiserin nach einem Streit mit ihrem Mann Pedro, bei dem er der Schwangeren so stark in den Bauch getreten hat, dass sie eine Frühgeburt erlitt und starb.
Burschenschaft Hysteria
Definition über Menstruation
Die Hysteria steht nur Frauen offen, ist aber trotzdem keine Mädelschaft (die sind in der Burschenschaftstradition nicht satisfaktionsfähig, daher eher nur als Aufputz gedacht). Die Mitglieder heißen Burschen und Voraussetzung für eine Mitgliedschaft scheint aktives Menstruieren zu sein. Heißt es doch im Leitbild der Hysteria unter dem Punkt "Wir verlangen": "Die Angleichung unserer Zyklen und infolgedessen die Angleichung aller Zyklen weltweit".
Ultimatives Ziel: Es soll das weltweite Matriarchat erreicht werden - in diesem Zusammenhang ist auch das Wappentier Hyäne gut gewählt, leben diese doch in matriarchalischen Verbänden, in denen Männer nichts zu sagen haben.
Männerschutz
Somit hat sich die Hysteria auch dem Schutz der Männer verschrieben. Das Männerwahlrecht soll eingeschränkt werden, heißt es im Leitbild – auch im Zuge der vergangenen Präsidentschaftswahlen wurde diese Forderung wiederholt. Denn so hätte ein Kandidat dann eindeutig mit sechzig Prozent gewonnen:
Auch sonst liegt das Wohl der Männer, die laut "Mein Mampf" der Sphäre des Privaten zugeordnet werden und mit einem "fürsorglichen, liebevollen Wesen" ausgestattet sind, den Burschen sehr am Herzen. Niemand soll "unsere Männer" begrapschen, und zum Erhalt der Spermienqualität sollen sie sich nicht überanstrengen. Für die EURO sollten daher kleinere Fußballfelder und 60 Minuten Spielzeit genügen.
"Im Unterschied zum echten Fußball ist der Männerfußball nicht als Sport, sondern als Unterhaltung anzusehen. Daher fordert die Burschenschaft Hysteria, dass Männerfußball ausschließlich in engen Trikots und sehr knappen Shorts ausgeführt werden darf."
Heißt es dazu von Hysteria auf Facebook.
Burschenschaft Hysteria
Satire! – Keine Satire! – Doch! – Nein!
Die genannten Bespiele sind Vorurteile und Anmaßungen, die immer wieder Frauen gegenüber geäußert werden und die die Hysteria umdreht und ins Groteske steigert. Klassisches Mittel eigentlich, um gesellschaftliche Missstände durch Humor aufzuzeigen. Hysteria-Mitglieder reagieren allerdings empfindlich, wenn man ihre geliebte Burschenschaft als Satire-Projekt bezeichnet. Der Falter wurde diesbezüglich schon als Schmierblatt verunglimpft, auch meine Kontaktperson lehnt es vehement ab, Hysteria ins Satire-Eck zu stellen.
Ich würde ja nicht von Satire sprechen, sondern vielleicht Kunstprojekt in der Tradition von Laibach sagen. Dafür spricht auch das beharrliche Aufbauen des Mythos und die Verweigerung von Erklärungen. Auch wenn diese Zuschreibung sicher ebenfalls Protest unter der Mitgliedern hervorrufen wird. Denn die Hysteria beharrt stur auf ihrer Tradition und hat im Zuge dessen auch zum Ziel, Mitglied des Wiener Korporationsring zu werden und am nächsten WKR-Ball zu tanzen.