Erstellt am: 1. 8. 2016 - 15:03 Uhr
Auf einen White Russian mit Nick Cave
Rock'n'Roll und Blues, schwermütig-eleganter, gitarrenlastiger Postpunk: das ist der Sound der ersten EP "Odyssey" von Vicious. Das Debütalbum ist gerade im Entstehen.
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So entstehen Legenden
Maxi und Rolli haben sich vor guten zwei Jahren in Wien kennengelernt, beim Ausgehen, Gin war auch im Spiel. Da haben sie beschlossen, auch wenn sie sich erst gute zehn Minuten gekannt haben, dass sie eine Band gründen müssen. Leider, und das ist wirklich sehr schade, gibt es von dieser Nacht keine Beweisstücke, immerhin hatten wir noch keine Smartphones.
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"Bis wir dann andere gefunden haben, die mit uns spielen wollen, hat es dann doch noch ein bisschen gedauert", erzählt Maxi. Die Anfangseuphorie ist ihnen aber natürlich nicht abhanden gekommen.
Michael Lackner
Maxím Eczyk (Vokals, Gitarre) kommt aus Landshut in Bayern, genauso Torsten Rollinger (Leadgitarre). Die Connection nach Österreich bzw. Wien kommt von nicht weit her – Maxis Papa ist hier geboren, Rolli hat auch schon ganz früh seine Liebe zum Alpenland entdeckt. Dominic Rubas, der einzige echte Wiener der Band, wurde am Bass verpflichtet. Christian Anich kümmert sich um Keys und Synthies, Patrick Huter um die Drums, beide kommen aus Tirol. Vicious sind komplett.
Und wie sieht’s mit der musikalischen Biographie der fünf Wahlwiener aus?
Patrick erzählt, er hat zwar ein Jahr Schlagzeug studiert, aber es taugt ihm eigentlich mehr, wenn er sich zuhause einsperrt und mal einfach so für sich selbst lostrommelt. Mit verträumten Blick erzählt er von seinem großen Vorbild, dem Drummer der Arctic Monkeys Matt Helders: "Der ist wirklich super."
Rolli ist auch eher so der Typ Autodidakt. Ein paar Gitarre-Basics hat er sich vom Musikschullehrer schon beibringen lassen, dann war der Sturschädel aber zu groß. Dass er im Interview auch seine dunklen Geheimnisse verrät, macht ihn sehr sympathisch: Mit zehn Jahren stand er in der ersten Reihe bei den Zillertaler Schürzenjägern, "die ich damals echt sehr gefeiert habe". Die Eltern haben ihn musikalisch eben mit Schlager sozialisiert, aber so hatte die Österreichliebe Zeit, sich zu entfalten. Er ist eh nicht lang hängengeblieben, schnell war dann Kurt Cobain cooler.
Crony Records
Die Debut-EP "Odyssey" von Vicious ist via Crony Records erschienen.
Maxi und sein fabelhafter Bariton lachen eigentlich nur, wenn gefragt wird, ob er eine klassische Ausbildung hinter sich hat. Er hat mit 15 Jahren angefangen Gitarre zu spielen, und gesungen hat er anfangs mal einfach nur unter der Dusche. Auch, wenn das jetzt überhaupt nicht mehr so klingt. Domi wurde ein bisschen überrumpelt gebeten, am Bass einzuspringen – eigentlich hat er nämlich auch an der normalen Gitarre begonnen. Dass das ein Glücksgriff war, hört man.
Sounds like?
Auch, wenn die Band gerade erst im Februar ihre erste EP namens "Odyssey" veröffentlicht hat, regnet es schon die ersten Vergleiche. Sehr gute sogar: Editors, Interpol. Manche davon, wie etwa auch The Doors, finden Vicious bescheidenerweise aber stark übertrieben. Einmal wurde schmerzlicherweise auch The Boss Hoss erwähnt. "Dann bitte lieber keine Vergleiche."
Nach der Veröffentlichung der Single "Is she worth it", eine Single der EP, wurde der Begriff "Bluesband" laut.
"Das hat mich eigentlich ein bisschen gestört", so Maxi, "Eine gute Bluesband wollen wir eigentlich nicht sein, schon komplexer. Es gibt nicht wirklich eine Band, an der wir uns dezidiert orientieren."
Wir wollen eigentlich Vicious klingen. Einfach Vicious.
So, und was ist nun "einfach Vicious"?
"Unser Name soll Programm sein. Böse, aber ohne Metal oder Punk. Musik, in der etwas Zwielichtiges, Dunkles, Fieses liegt."
Vergleiche sind die eine Sache, Vorbilder die andere. "Wichtig ist hier vor allem Nick Cave", sagt Maxi. "Er war halt der, der den Punkgedanken in ernsthafte Musik verpackt hat." Vicious wollen zwar auf keinen Fall Punkmusik machen, aber die Idee ist schon irgendwie dieselbe. "Wir haben uns zwar nicht direkt nach ihm benannt, aber man könnte hier auch auf Sid Vicious von den Sex Pistols verweisen."
Darf man hier fluchen?
Darf man.
"Wir huldigen schon auch einer gewissen Scheißdrauf-Attitüde."
Post-Nihilism heißt passenderweise das Genre, das die Jungs sich mehr oder weniger selbst ausgedacht haben. Sie haben sogar, weil sie so oft gefragt wurden, eine Spotify-Playlist erstellt, um zu erklären, welche Bands sie da meinen. Zum Beispiel: Sparkle Horse, Suuns, Cloud Nothings, White Rabbits, Holograms. Auch Interpol, aber die alten Sachen.
What the hell is Post-Nihilism?
Vicious haben eine Playlist dazu erstellt, die gibt's hier.
"Nihilismus ist ein schwieriges Thema. Wir dachten bei dem Namen an so einen Typen, wie man ihn aus The Big Lebowski kennt. Der im Pool liegt und halt so wirklich nichts tut, sagt oder will. Ein anderer fragt: Was macht der da? Antwort: Naja, er ist eben Nihilist."
Die Jungs von Vicious liegen jetzt nicht die ganze Zeit am oder im Pool, soviel ist klar. Es ist eher so wie wenn man Atheisten und Agnostiker vergleicht. "Ein Atheist glaubt bewusst nicht an Gott, steckt Energie in seinen Nicht-Glauben. Ein Agnostiker gibt sich nicht einmal dafür die Mühe." Und das "Post" vor dem Nihilism kam eben dazu, weil Vicious gerne Postpunk hören.
Oder aber, weil ihnen sogar wurscht ist, dass ihnen alles wurscht ist, je nachdem.
You got the wrong impression, babe
Die Idee, die zwar vorher noch nicht feststand, sich im Laufe des Schreibens, Probens und Aufnehmens aber herauskristallisiert hat, die sich nun durch die EP und vermutlich inhaltlich auch durchs Album ziehen wird - ist (leider) nicht das Liebesdrama, an das man bei den Zeilen der erwähnten Single "Is she worth it" denken könnte. "Statt und Liebe geht es eher um Oberflächlichkeit, und wie wir Leute wahrnehmen." Nämlich meistens falsch.
So wie inhaltlich haben sich Vicious auch soundtechnisch keinen allzu strengen Vorsatz für ihr Debütalbum genommen. Sie haben sehr lange getüftelt und viel ausprobiert, die Idee "Vicious" soll jetzt erst am Album richtig verfeinert werden. Auch die Live-Umsetzung ist noch etwas, das ein bisschen in der Schwebe hängt.
Live kann man Vicious das nächste Mal hier sehen
"Eher Richtung Understatement", so Rolli. Maxi ist da nicht so schüchtern. Er wäre gern ein junger Dave Gahan. "Aber keine Sorge. Es werden keine Alex Turners aus uns"
Im Sommer sitzen Vicious also nicht am Strand, sondern im Studio. Die Ikone, die dort hängt und zu der regelmäßig das Morgen-, Mittags-, und Abendgebet gesprochen wird, ist ein White Russian trinkender Nick Cave.
Auf eine weitere - erfolgreiche! - Odyssee.