Erstellt am: 25. 7. 2016 - 10:38 Uhr
What makes the Icelandic sound?
Júníus Meyvant ist in der Nähe von Reykjavik aufgewachsen. Rein optisch könnte er als Wikinger durchgehen: Roter Vollbart, lange, wellige Haare, finsterer Blick, zynische Zunge.
Record Records
Er sieht sich - gewollt oder nicht - schnell im Vergleich mit all den anderen, teils sehr berühmten Musikerkollegen aus seinem Heimatland. Als ich ihn frage, was für ihn den typisch isländischen Sound ausmacht, überlegt er kurz. Während ich gedanklich in meiner mystisch-geheimnisvollen, von Elfen, Schiffen und Walgesang beseelten Phantasiewelt schwelge, unterbricht er mich.
Maybe the typical Icelandic sound is Sigur Rós’, is Björk’s music. I don't really fit in there, I guess.
Und was ist Júníus Meyvant’s Sound?
Jess Huddleston
Júníus Meyvant findet viele seiner Kollegen sehr gut, gesteht aber, nicht viel isländische Musik zu hören. Sein Vater hat ihn mit den Stones und den Beatles aufgezogen. Und allem anderen, was in den Sechzigern und Siebzigern die Rock’n’Roll-Szene, vor allem Amerikas, geprägt hat. And a little bit of the new eighties sound, too.
Diese schon seine frühe Jugend begleitenden musikalischen Eindrücke - später auch kombiniert mit Blues und Jazz - kombiniert Júníus Meyvant mit seinen eigenen Ideen. Schon auf seiner 2015 veröffentlichten, selbstbetitelten EP, und nun auch auf seinem Debütalbum.
Into darkness
Júníus Meyvant liebt die isländische Dunkelheit. Weil er ein "ginger man" ist, wie er sich selbst bezeichnet, und sich deshalb superleicht einen Sonnenbrand holt. Vielleicht ist es aber auch die Dunkelheit, die Widrigkeiten, die den “isländischen Sound”, zu dem das Gespräch mehrmals zurückkehrt, ausmacht.
I would say, it’s the weather here in Iceland. It is really raw and windy, it’s crazy. So, you get a crazy mixture of people here.
Außerdem, und das ist wahrscheinlich nichts wirklich Neues, ist die Musikszene Islands großartig, aber überschaubar. Jeder kennt jeden.
All of my friends are playing in ten different bands. And if you are good at playing the guitar, you might even play in 15 bands. Maybe that’s the Icelandic sound. There’s just one band - but with 200 names.
Let's do some... Retrofunk-Folk
Die erste sehr erfolgreiche Single, “Color Decay”, listete KEXP als Song des Jahres. Júníus Meyvant gibt sich wenig beeindruckt, eher bescheiden.
Those are just opinions. There are people who praise you very much and others who let you down even more so. It’s just a nomination, a title, chosen by one. Another might have not chosen it.
Mit “Floating Harmonies” veröffentlicht Júníus Meyvant jetzt sein Debütalbum. It’s a big load off my shoulders. Eigentlich hätte es in drei Monaten eingespielt sein sollen, schließlich hat es zwei Jahre gedauert.
Record Records
Das Debütalbum Floating Harmonies von Júníus Meyvant ist auf Record Records erschienen.
Retrofunk meets Blues, meets Jazz. Und meets Bob Dylan. Der übrigens einer der wenigen ist, den sich Júníus Meyvant auch selbst live ansehen würde, Because he’s a legend. Sonst genießt er lieber die Ruhe zuhause.
Genau dort, schreibt er unter anderem auch seine Songs: Überall, nur nicht im Studio. Er denkt sich die Melodien aus, wenn er Möbel restauriert. Schreibt vielleicht einen Text, nachdem wir unser Skype-Gespräch beenden, sagt er. Der Wind rauscht, es ist wunderbar. Gerade steht er auf der Terrasse einer alten Farm, ein wenig außerhalb Reyjkjaviks.
So intuitiv und spontan die Songs entstehen, so detailreich sind sie ausgefeilt, wenn erst einmal fertig arrangiert. Weil sie, nachdem die rohen Umrisse fertig ausgedacht sind, im Studio poliert werden. Júníus Meyvant singt sogar die dichten Chöre selbst ein, die er so liebt und die fast jeden Refrain schmücken. Nur die Streicher und Bläser, nach dem Chor die zweitwichtigsten Protagonisten auf “Floating Harmonies”, überlässt er lieber jemand anderem.
I’m good at arrangements. For me it’s all about the sound, the complexity, the whole thing. I know how something should sound in the end. Or I at least try to.
I do play instruments?
Auf die Frage, welche Instrumente er selbst spielt, muss er das erste Mal herzlich lachen. Er würde überhaupt nicht sagen, dass er ein einziges Instrument wirklich ausgezeichnet beherrscht. I would say, the guitar is my thing.
Sigrid Unnur Ludvigsdottir
Eine klassische Ausbildung hat er nie genossen, abgesehen davon hat er mit dem Musizieren erst relativ spät begonnen. Das sieht er selbst jedoch positiv: Jetzt weiß er eben genau, wo er soundtechnisch hinwill. Live holt er sich Verstärkung: Júníus Meyvant steht mit Band meist zu fünft, wenn es sich ergibt, aber auch gerne zu acht auf der Bühne.
Auch an dieser Stelle lacht er erneut. I wouldn’t have a concert with just me playing all the instruments, that would be terrible.
Der isländische Musiker ist, wie man vielleicht schon gemerkt hat, eher der zurückhaltende, bescheidene Typ. Vielleicht weiß er aber auch einfach, wie er sich selbst und seine Skills einzuschätzen hat - und was er für sich selbst noch herausfinden muss. Auch ans Rampenlicht on Stage muss er sich noch gewöhnen.
Júníus Meyvant spielt am 6. September im Rahmen einer exklusiven FM4 Indiekiste im Wiener Chelsea.
I haven’t been playing a lot live. This is my first year playing in front of a crowd, it’ just a thing I’m getting used to. When you get used to your skin it’s gonna be more fun.
Und sollte es mit der Musikerkarriere nicht klappen, hat er immerhin einen Plan B. “I’m going to be a plumber. Just put the music career on the shelf.”
Weitere Tourdaten gibt es hier.
Das wird, so die Wikinger, Elfen und Gnome wollen, aber nicht notwendig sein.