Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ein Roadtrip mit den Avalanches"

Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

18. 7. 2016 - 10:36

Ein Roadtrip mit den Avalanches

"Wildflower" heißt das neue Album der Avalanches. Eine Platte, sechzehn Jahre in Produktion. Unser Artist of the Week.

Artist of the Week

Musikempfehlungen aus der FM4 Redaktion

Als ich vor etwa zehn Jahren im australischen Melbourne war, da gab es einen Namen, um den man nicht herumkam, wenn man sich abends in die Clubs begeben hat: DJ Streetparty. Nicht weil der große Liveshows spielte oder auf irgendwelchen coolen Labels Platten veröffentlichte. Nein, Streetparty war bekannt für seine Mix-CDs. Die wurden besonders clever am Eingang zu diversen Clubs verteilt. Zum Eintrittspreis für den Abend gab's immer eine gratis CD dazu, quasi. Streetparty-CDs waren damit nicht nur ein Ding, das man als Souvenir vom Ausgehabend mitnehmen konnte, sondern waren auch richtig gut. Jahre später habe ich die CDs immer noch, hör' sie mir zuhause an oder leg' sie beim Auflegen schnell ein, wenn man mal eine Pause braucht. Denn Streetparty funktioniert immer.

Das neue Album der Avalanches, die genauso wie DJ Streetparty aus Melbourne kommen, hat mich beim ersten Anhören genau an das erinnert: an diese kreativ konzeptionierten Mix-CDs, voll mit musikalischen Referenzen, in die man leicht einsteigen und mitwippen kann, über die man einen Abstecher in musikalische Raritäten machen und die altbekannte Melodie oder den einen großen Riff mal in einem anderen Kontext entdecken kann.

3 1/2 Minuten Musik fast geklärter Herkunft

Der Song zum Sonntag: The Avalanches - "Subways"

"Wildflower" heißt das erst zweite Album der Avalanches. Ein Release, der die Faszination von Melbournes musikalischer Subkultur, gewollt oder ungewollt, demonstriert. Die Streetart und HipHop-Szene, die DIY-Punkclubs in den Seitengassen, die 60er-Jahre-Psychedelia-Parties, für die es dort sogar eigene Flusskreuzfahrten gibt. Und dazwischen die klassischen Melodien aus Musicals wie "The Sound of Music", zu denen die Leute als die Charaktere verkleidet zu Sing-Alongs auftauchen.

Die Avalanches sind die Sample-Könige, das war schon auf ihrem ersten Release, dem vielgepriesenen "Since I Left You" klar, von dem es vor allem ein Track für alle Ewigkeiten in den popkulturellen Mainstream geschafft hat: Pferdewiehern, Peitschenhiebe, die Zeile "you're crazy in the coconut": "Frontier Psychiatrist", der Sample-Supersong.

The Avalanches

The Avalanches

Sage und schreibe sechzehn Jahre hat es gedauert, bis die zweite Platte der Avalanches fertig war. Einfach nur auf den "Frontier Psychiatrist"-Lorbeeren ausgeruht hat sich die Band aber nicht in der Zeit: "Es hat eine Weile gebraucht, bis wir die Richtung gefunden haben, die wir haben wollten", sagt Tony De Blasi, neben Robbie Chater und James Dela Cruz das dritte Mitglied des derzeitigen Line-Ups der Band. "Je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr ist der Druck gewachsen. Das ist ein komplexes Album und das braucht alles Zeit, um richtig zu klingen. Wir haben Hunderte Songs gehabt und haben die dann runterfiltern müssen."

Eines ist den Avalanches aber von Anfang an klar gewesen: Die neue Platte muss was ganz Eigenes werden: "Wir haben uns gedacht, okay, wir werden nicht 'Since I Left You' Teil 2 machen, wir machen was anderes, aber was das ist, das haben wir nicht gewusst. Wir haben herausfinden müssen, was wir machen wollten und haben einfach viel Musik gemacht. Am Anfang war das eher langsame, traurige Musik, wie My Bloody Valentine oder 'Smile' von den Beach Boys. Und dann haben wir gedacht: Das passt einfach nicht so."

Wildflower Albumcover

The Avalanches

"Wildflower" von The Avalanches ist auf Modular Recordings erschienen.

"Wildflower" ist dann eine musikalische Reise geworden, ein schöner Ausflug an einem sonnigen Sonntag, auf den uns die Avalanches in ihrem alten Cabrio mitnehmen. Mit offenem Verdeck, damit wir auch den Wind hören können, die Hintergrundgeräusche, den Straßenlärm. Denn der natürliche Soundtrack der Welt, der spielt auch eine Rolle am Album: Da hören wir auf "Sunshine" das ferne Gewitter und die ersten Regentropfen am Fenster, das Autohupen der New Yorker Innenstadt auf "Frankie Sinatra" und die fernen Wellen, den kühlen Wind am Strand auf "Livin' Underwater (Is Something Wild)".

"Das startet alles in einer Art hyper-realistischen Stadtumgebung, dann geht man auf einen Roadtrip zum Meer oder in die Wüste oder aufs Land, während man auf Acid ist", sagt Robbie Chater über die musikalische Reise von "Wildflower". Das fühlt sich dann so an wie ein Album, das immer in Bewegung ist, das seine Samples nicht nur miteinander vermischt, sondern sich auch nach ihnen und ihrem Ursprung orientiert. Und damit einen ganz neuen Kontext erzeugt. Ein hypnotisches Album, das musikalische Entdecker auf eine Erkundungsreise in die Welt seiner vielschichtigen Samplewelten einlädt. Oder auch einfach nur zum gemütlichen Mitwippen und Tagträumen.