Erstellt am: 17. 7. 2016 - 16:34 Uhr
3 1/2 Minuten Musik fast geklärter Herkunft
Die Avalanches stellen die Fragen nach Urheberschaft, geistigem Eigentum und nach gutem, echtem, aber wirklich im Schweiße betriebenem Handwerk – und machen sie obsolet.
Unter großem Getöse ist die australische Gruppe – in deren Konzeption auch schon die Konzepte von „Band“ und „Produktionsteam“ verschwimmen – gerade mit ihrem erst zweiten Album „Wildflower“ nach rund 16 von immer wieder sanft aufbrausendem Mediengemunkel begleiteten Jahren zurückgekehrt. „Since I Left You“, das Debütalbum der Avalanches aus dem Jahr 2000, war schon bei Erscheinen ein Klassiker der gewieften Plünderkunst – und ist es heute noch.
Eine – mehr oder weniger – einzig aus kaum zählbaren, von anderen Platten gezogenen Samples zusammengeklebte Collage. Zwischen gut käsigem 80er-Yacht-Rock, vergessener Disco, Exotika, HipHop-Beats und aus dem allerhintersten Softpop-Regal stibitzten Synthesizern war da Platz für so einiges.
The Avalanches
Die Single „Subways“ ist jetzt wieder so ein fesch zusammengeschustertes Stückwerk. Nun kann heutzutage von Zuhörer- und Fan-Seite bekannterweise leichter als vor 16 Jahren noch detektivisch ausgeforscht werden, wo denn bei so einer Sample-Schichtung die Original-Quellen liegen. Und man kann sich darüber austauschen und die geilen Erbsen zählen. Dieses Wissen ist integraler Bestandteil von derlei Musik geworden.
Die Avalanches verbraten also im Song „Subways“ im großen Stile das coole Wissen. Das eben nicht bloß souveränes Checkertum beinhaltet, sondern klarerweise auch bedeutet, im vermeintlich „schlechten Geschmack“ interessantes, verwertbares Material orten zu können. Gute Platten samplen kann jeder, sogar Diddy.
„Subways“ fußt großzügig auf dem gleichnamigen Song aus dem Jahr 1980: ein super windschiefer New Yorker Mutant-Disco/No-Wave-Funk-Geheimhit der damals erst 12-jährigen Sängerin Chandra Oppenheim. Berühmte Musikerin ist sie nicht geworden.
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Das Vocal-Sample, das den Track trägt, verschneiden die Avalanches mit einer – natürlich – Coverversion eines Songs der Bee Gees. Und dann gibt es da noch einen Ausschnitt aus dem Stück „Black Water“ der entspannten Rauch-Freunde von den Doobie Brothers.
Das Original von Chandra besingt und vertont anhand des Bildes der Subway das unruhige Ruckeln, das zweckfreie Weiterkommen, das Fahren ohne Plan. Die Avalanches bauen den Track zu einem gemütlichen Schunkler um, fügen die im Original nicht enthalten Zeile „I ain’t in no hurry“ ein und huldigen so der sexy Ziellosigkeit. Federleichte Umdeutung, von der man aber auch gar nichts wissen muss, um zu diesem Lied seltsamfarbene Getränke aus interessanten Gläsern trinken zu wollen.