Erstellt am: 15. 7. 2016 - 11:08 Uhr
"Nizza erwacht im Schock"
Mehr als 80 Menschen sind gestern Nacht bei einem Anschlag in Nizza getötet worden. Ein Mann raste mit einem LKW in die Menschenmenge, die sich auf der berühmten Promenade des Anglais eingefunden hatte, um das Feuerwerk anlässlich des französischen Nationalfeiertags zu sehen. Der Mann wurde schließlich von Polizisten erschossen. Stuart Freeman und Alex Wagner haben heute in der FM4 Morning Show mit dem ORF-Frankreich-Korrespondenten Christophe Kohl gesprochen.
Was ist denn der aktuelle Stand, was wissen wir bis jetzt über den Anschlag in Nizza?
Das französische Innenministerium hat die Zahl der Opfer gerade von 80 auf 84 erhöht. 18 Personen schweben noch in Lebensgefahr, die werden in den Krankenhäusern versorgt. Die Krankenhäuser haben auch zum Blutspenden aufgerufen, es herrscht Ausnahmezustand in Nizza, die Stadt erwacht im Schock, die Promenade ist großräumig abgesperrt, die Menschen trauen sich nicht raus auf die Straße. Man weiß mittlerweile auch, dass der Attentäter aus seinem LKW herausgeschossen hat und nicht nur im Zick-Zack-Kurs den Menschen nachgefahren ist. Es wurden offenbar auch weitere Waffen in dem LKW gefunden.
Frankreichs Präsident Hollande spricht von einem terroristischen Hintergrund; du hast gerade gesagt, der Mann hat aus dem LKW rausgeschossen, er wurde dann von Polizisten getötet - was wissen wir denn bisher über den Täter und gibt es Komplizen?
Man hat im LKW einen Ausweis gefunden, demnach handelt es sich bei dem Täter um einen Mann aus Nizza, um einen Franzosen tunesischer Abstammung, 31 Jahre alt. Der Mann war vorbestraft, allerdings für kleinere Delikte. Er hatte keine sogenannte “Fiche S“, das ist in Frankreich ein Dossier für terrorverdächtige, radikalisierte Personen, Personen, die unter Beobachtung stehen. Komplizen sind bisher nicht ausgeschlossen, die Ermittlungen laufen, auch eine Fahndung nach möglichen Komplizen, allerdings dazu weiß man bisher noch recht wenig.
Wissen wir, warum Nizza als Ort für diesen Anschlag ausgewählt wurde?
Wieso genau, ist schwer zu sagen, natürlich hat man in den letzten Wochen auch seitens der Regierung immer davor gewarnt, dass nicht nur Paris Ziel von Terrorattacken sein könnte. Nizza hat jetzt schon natürlich einen gewissen Symbolcharakter. Eine Stadt, die in der ganzen Welt bekannt ist, sie ist das Herz der Cote D’Azur und wir sind mitten im Sommer, es sind tausende Menschen gerade hier auf Urlaub – aus Europa, der USA, der ganzen Welt. Diese Promenade ist die Postkarte der Cote D’Azur, da hat man eine wichtige Tourismusregion Frankreichs mitten ins Herz getroffen. Gleichzeitig sind im Süden Frankreichs viele der terrorverdächtigen Personen, die unter Beobachtung stehen, angesiedelt. Das alles können Gründe sein, warum Nizza getroffen wurde.
Nach der EURO wollte man ja den Ausnahmezustand wieder aufheben, den es seit den Anschlägen in Paris letztes Jahr gibt, doch der wird jetzt verlängert. Sind erhöhte Sicherheitsvorkehrungen jetzt der Normalzustand in Frankreich?
Damit müssen die Franzosen wohl umgehen lernen bzw. sie haben es schon gelernt, seit einem dreiviertel Jahr herrscht hier der Ausnahmezustand. Man hat sich an das Bild von Soldaten in den Straßen gewöhnt, man hat sich damit abgefunden, dass man beim Besuch von Theater oder Kino seine Taschen öffnen und durchsuchen lassen muss. Allerdings dieser Anschlag und diese perfide Art des Anschlags mit relativ einfachen Mitteln, der sorgt hier natürlich für verstärkte Unsicherheit, nachdem bei den Anschlägen vom Bataclan und vom Stade de France die Terroristen gezeigt haben, dass es jeden treffen kann – man muss natürlich sagen, das sich noch niemand zu dem Anschlag bekannt hat, hat man nun das Gefühl, dass es mit sehr einfachen Mitteln möglich ist, eine Vielzahl an Menschen zu töten.