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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

14. 7. 2016 - 14:13

Unterirdisch außerirdisch

In Roland Emmerichs "Independence Day: Wiederkehr" kehren die Aliens zurück und lassen Städte fliegen

Es ist ja kein großes Geheimnis, nein, eigentlich ist es landauf, landab bekannt, dass Roland Emmerichs Independence Day 1996 eine neue, eine unrühmliche Ära des Spektakelfilms eingeleitet hat. Wo die Architekten der Blockbuster-Kultur, Steven Spielberg und George Lucas, noch primär Geschichtenerzähler waren und das fertige Produkt schließlich via Werbe-Offensiven nachdrücklich in die Zuschauerköpfe geboxt haben, haben Emmerich und sein Kreativ-Partner Dean Devlin in enger Zusammenarbeit mit der Marketing-Abteilung von 20th Century Fox die Werbung für den Film wichtiger eingestuft als den Film selbst.

Damals begann eine kontinuierliche Abwärtsspirale, die sich mittlerweile zum zwanzigsten Mal jährt und die das Filmemachen in Hollywood grundlegend verändert hat. Regisseure wie Joe Dante und John Carpenter, die in den Achtzigern noch mittelgroße Spektakelfilme machen konnten wurden schrittweise durch kostengünstige und beliebig formbare Techniker wie Zack Snyder ersetzt. Wo man damals noch Künstler wie Drew Struzan atemberaubende Poster hat zeichnen lassen, errechnet heute ein Computer einen wahrnehmungspsychologischen Mittelwert und spuckt texturlose, von allen Eigenheiten befreite Werbemittel aus.

Poster The Thing

Universal Pictures

Drew Struzans legendäres Poster zu John Carpenters Meisterwerk The Thing

Hochkonzeptschrott

Roland Emmerich, dieser eifrige Schwabe, ist der "missing link" zwischen der klassischen und der postklassischen Blockbuster-Ära: Ohne es zu bemerken hat er das, was er am meisten liebt – seine Sehnsucht nach dem Hollywood der Siebziger- und Achtziger-Jahre ist überall spürbar – umgebracht. Etwa mit dem Coup, in einer Werbepause des 30. Superbowl einen dreißigsekündigen Teaser für Independence Day zu schalten, der zuerst in den USA, bald aber in der ganzen Welt einen Hype kaum bekannten Ausmaßes angestoßen hat, den man sich bildlich vorstellen kann wie die Feuerwalze, die im Film durch die Hochhausschluchten New Yorks rast. Das Taglining und Teasering kombiniert mit einem dreißigminütigen Fernsehspecial auf den FOX-Kanälen, das mit einer fingierten News-Sendung zur Ankunft der Außerirdischen als eines der frühesten Beispiele des viralen Marketing gelten muss.

Jetzt also, zwei Jahrzehnte später, hockt man im zweiten Independence Day-Film, untertitelt als Wiederkehr und sucht, fast schon verzweifelt, nach einer dramaturgisch starken, oder zumindest sinnigen, Handlung, hält nach spannenden Charakteren Ausschau oder hofft, sich zumindest am Arrangement der erwartbaren Zerstörung ergötzen zu können und wird in allen diesen Fällen enttäuscht. Denn, und das ist unbestreitbar, dieser Film ist nicht Wirklichkeit geworden, weil Emmerich eine zweite Geschichte im selben Universum unter den Nägeln gebrannt hätte, sondern weil die korporatistische Logik diktiert, dass man diese zu lange brach liegende Marke jetzt gefälligst noch einmal zu Geldwert zu machen habe. Den Rest besorgt die Werbung, die Allzweckwaffe des zeitgenössischen Hollywood, deren Effizienz man sich so sicher ist, dass man regelmäßig Hochkonzeptschrott durch die Multiplexe jagt, weil der Film hinter das vorhin verkaufte Erlebnis, das Event, tritt, an dem jeder teilhaben will oder sogar muss.

Riesiges Raumschiff kommt auf die Erde

Sony

Ein Sündenfall, gewiss: Im Grunde erzählt der zweite Independence Day-Film nur eine leichte Variation vom ersten, ist wie so vieles in der Gegenwart, ein Reboot desselben - auch das im Übrigen ein Marketing-Begriff, der mittlerweile überall gebraucht wird und fest mit der Spektakelindustrie verschraubt ist. Ein, zwei Charaktere von damals, in diesem Fall Jeff Goldblums Technikgenie und Bill Pullmans (Ex-)Präsident, dürfen noch mitmischen, ansonsten pflanzt man halbwegs kassenkräftige, mindestens aber gut aussehende Jung-Stars wie Liam Hemsworth in diese schöne neue Welt, auf dass sie die Jungen und Jugendlichen ins Kino treiben mögen.

Fliegende Städte

Ein Raumschiff gibt es natürlich auch wieder, und es ist wenig überraschend weitaus größer als das damalige. Die Menschen hatten immerhin zwanzig Jahre Zeit, sich auf diese Wiederkehr des Titels vorzubereiten, denn am Ende von Independence Day haben diese "Predator"-artigen Außerirdischen einen Hilferuf gen Heimatplanet abgesetzt. Goldblum hat derweil ein avanciertes Verteidigungssystem unter Zuhilfenahme der Alien-Technik errichtet: Es gibt eine Mondbasis und schußbereite Satelliten in der Erdumlaufbahn, all das natürlich komplett nutzlos, wenn die Außerirdischen erstmal da sind.

Kampfpilot

Sony

Liam Hemsworth verrichtet als Kampfpilot Dienst auf der Mondbasis

Dann wird zerstört was das Zeug hält, ganze Städte werden vom Raumschiff aufgesogen um sie über einer andere Metropole vom Himmel fallen zu lassen. Wo im ersten Film die Ankunft der Raumschiffe vermittels toller digitaler Trickserei noch einen "sense of wonder" bei den Zuschauern ausgelöst hat, wird der Computereffekt mittlerweile so beliebig eingesetzt, dass er noch im Moment des Spektakels bedeutungslos wird. Das liegt freilich auch an den Charakteren: Die "originals" wirken wie Parodien ihrer ursprünglichen Rollen, müssen more of the same liefern und mal mehr, mal weniger lässiger Einzeiler ausspucken, während die Neuen im Digitalschrott untergehen.

London wird zerstört

Sony

London nach dem Brexit? Nein, Herr Emmerich ist in Zerstörungslaune

Man kann nur hoffen, dass sich nicht genügend Zuschauer von dieser Zumutung lumpen lassen und den Kinobesuch verweigern. Das wird vermutlich nicht passieren, das stellt schon der Marketing-Plan sicher, der hier auf einer bewährten Marke aufbauen kann, wie schon Jurassic World letztes Jahr die Nostalgiedrüsen stimuliert und wieder einmal das Spektakel der Spektakel ankündigt. Aber irgendwann wird auch dieser Emmerich untergehen müssen, von dieser Maschine, die er selbst errichtet hat, verbrannt werden, verglühen im Marketing-Zunder. Und dann wird ein junger VideoclipWerbeComputereffektkünstlerRegisseur sein Vermächtnis fortführen und Werbung machen für Filme, die es gar nicht mehr gibt. Wenn der Zuschauer zum letzten Glied eines Marketingplans wird, dann sitzt man nicht mehr im Kino, dann ist man nur mehr eine Zahl in einer Kolumne in einer Bilanz irgendeines Unternehmens.