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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

13. 7. 2016 - 16:51

Bankomat, Schmankomat

Geldautomaten sind wie Faxgeräte - Technologie von vorgestern. Es wird Zeit für etwas Besseres - und auch die Banken selbst werden sich in den nächsten Jahren radikal verändern müssen, wenn sie nicht wie Dinosaurier aussterben wollen.

Die Karten, die wir in Bankomaten hineinstecken, sind durch Magnetstreifen-Technologie aus den siebziger Jahren und einen EMV-Chip „gesichert“. Beides ist in Wirklichkeit so einfach zu hacken und zu fälschen, dass jedes Jahr Millionen Euro durch Skimming und andere Angriffe gestohlen werden. Auch hinsichtlich der Software schaut es nicht besser aus: Das Betriebssystem der meisten Bankomaten ist das hoffnungslos veraltete, unsichere Windows XP oder Windows NT.

Skimming

DPA/Thomas Frey

"Skimming"- Technik am Bankomaten demonstriert

Was ist noch unsicherer und älter als die Bankomatkarte? Die Kreditkarte. Sie wurde im Jahr 1950 erfunden und hat sich seither wenig verändert. Jedesmal, wenn wir mit einer Kreditkarte bezahlen, geben wir dem Empfänger unseren Namen und die Zugangscodes zu unserem Konto bekannt. Der Empfänger kann mit diesen Daten soviel und so oft Geld abziehen, wie er will. Diesen Pull-Zahlungsvorgängen steht ein essentielles Funktionsprinzip von Kryptowährung diametral gegenüber: Eine Zahlung mittels Bitcoin ist eine Push-Transaktion. Der Empfänger erhält außer dem Geldbetrag keine anderen Daten.

Bitcoin ist das Internet

Andreas Antonopoulos, Autor des Buchs "Mastering Bitcoin" und einer der besten Vortragenden zum Thema, wird nicht müde zu betonen: Bitcoin ist nicht Geld fürs Internet, Bitcoin ist das Internet des Geldes. Es ist ein Netzwerk, das auf Computern weltweit ein Wirtschaftsbuch abspeichert, ständig aktualisiert und auf seine Richtigkeit überprüft - verschlüsselt, ohne Zentrale und mathematisch präziser als jedes andere Buchhaltungssystem in der Geschichte.

Ja, mit Bitcoin kann man Videospiele auf Steam und Drogen im Darknet kaufen - es ist also tatsächlich auch das Nerdgeld, für das es viele halten. Das wirklich Spannende ist die auf Verschlüsselung und Konsens basierende Technologie dahinter: Sie ermöglicht es, mit einer Smartphone-App Geld wie eine Kurznachricht zu verschicken, ohne dabei auf Firmen wie Apple, Visa und Paypal angewiesen zu sein. Sie ermöglicht weltweite Überweisungen in Sekundenschnelle und auch durch Menschen, die vielleicht noch gar nicht alt genug sind, ein Bank- oder Kreditkartenkonto eröffnen zu dürfen. Kommende Generationen werden es für ziemlich absurd halten, wenn wir ihnen erzählen, dass wir für das "Privileg", der Bank Geld zu geben eine Gebühr zahlen mussten, und dass Überweisungen in ein fremdes Land mehrere Tage gedauert haben.

Banken droht das Schicksal von Kodak

Bankeigentümer haben Bitcoin jahrelang ignoriert, später darüber gelacht und schließlich vor allen möglichen Gefahren gewarnt. Acht Jahre nach der Erfindung von Kryptowährung begreifen sie, dass Bitcoin das Internet ist, und dass das Internet sie wie ein Tsunami zerstören wird, wenn sie sich nicht anpassen. Sie verstehen langsam, dass es ihre eigenen Systeme sind, die unsicher, ineffizient und teuer sind. Banken stehen heute dort, wo Kodak zu Beginn der Digital-Fotografie stand. Aus diesem Grund haben sich 45 von ihnen mittlerweile zum R3-Konsortium vereint, einer Firma, die Bitcoin und andere Kryptowährungen wie Ethereum und Ripple erforscht. R3 gehören unter anderem die Deutsche Bank, die Bank of America, Citigroup, J.P. Morgan oder die Royal Bank of Scotland an.

Banken haben nicht nur ein Problem mit ihrer technischen Infrastruktur, die im Vergleich mit Bitcoin wirkt wie das anaologe Telefonnetz der siebziger Jahre gegenüber dem Internet. Viele von ihnen sind auch schwerstens verschuldet. Italien kann seine Banken nicht retten und möchte mindestens 150 Milliarden Euro von Europa. Die Deutsche Bank steht wegen ihrer Rekordverluste im vergangenen Jahr unter Druck und will ihre eigenen Schulden zurückkaufen - eine Strategie, die auch die Investmentbank Lehman Brothers vor der Pleite noch ausprobiert hat: Als Lehman zusperrte, hatte die Firma 35 Billionen Dollar an Schulden aufgrund komplexer Derivategeschäfte. Bei der Deutschen Bank betragen die Derivatebestände heute 75 Billionen - ein Vielfaches der Wirtschaftsleistung Deutschlands. Das Volumen des weltweiten Derivatehandels beträgt mit 1,5 Billiarden US-Dollar nun mehr als die beiden bisher größten Bubbles (Dotcom und Subprime) zusammengerechnet.

$1,5 Billiarden kann man auch so schreiben: 1.500.000.000.000.000 Dollars. Das Szenario, das aus dem Platzen dieser Blase - der größten in der Geschichte der Menschheit - entstehen könnte, hat Forbes bereits vor drei Jahren hier beschrieben. In diesem Artikel wird der weltweite Derivatemarkt noch mit 700 Billionen US-Dollar beziffert - er hat sich seitdem mehr als verdoppelt.

Bankomat Absturz

hashashin / Alberto / CC BY SA 2.0

Abgestürzter Bankomat

Der große Umfang des Derivatebestands erklärt sich u.a. daraus, dass viele Verträge sich gegenseitig aufheben. Aber wenn nur eine der schwer verschuldeten Banken in Konkurs geht, könnte die gleiche Situation eintreten wie nach dem Lehman-Konkurs: Unternehmen, die die hochkomplexen, intransparenten Derivatgeschäfte eingegangen sind, können aufgrund der Pleite eines Unternehmens nicht mehr auf die Liquidität der anderen vertrauen. Die Versuche der USA und der EU, nach 2008 durch Regulierung des Derivatehandels für mehr Transparenz zu sorgen, sind gescheitert.

Transparenz herzustellen ist in einem Kryptowährungs-Netzwerk wie Bitcoin einfacher als im herkömmlichen Finanzsystem. Die Bitcoin-Blockchain kann Anonymität für den einzelnen im täglichen Zahlungsverkehr bieten und gleichzeitig für höchstmögliche Offenheit seitens Firmen und Organisationen sorgen. Du möchtest wissen, wieviele Spendengelder Wikileaks in Form von Bitcoins erhalten hat? Schau in der Blockchain nach. Sie vergisst nichts. Blockchain-Technologie eignet sich nicht nur für das Sammeln von Spenden mit maximaler Transparenz, wie in diesem Beispiel, sondern auch für die Abwicklung von komplexen Derivateverträgen mittels Smart Contracts.

Das Geschäft mit Gebühren

Western Union macht mit dem internationalen Versand von Geld pro Jahr mehr als fünf Milliarden Dollar Gewinn - dank Transaktionsgebühren von 30% oder mehr, einkassiert von den Ärmsten unserer Gesellschaft, nämlich Gastarbeitern, die Geld nach Hause zu ihren Familien schicken. Western Union wird außerdem von Geldwäschern, Betrügern und Terroristen genutzt - für all jene zwielichtigen Tätigkeiten, die man in den letzten Jahren kurioserweise Bitcoin angelastet hat. Kryptowährungs-Transaktionen sind nicht nur transparenter, sicherer und schneller als Überweisungen durch Unternehmen wie WU, sondern vor allem auch billiger. Die Gebühr für eine Bitcoin-Transaktion errechnet sich nicht aus der Höhe des gesendeten Betrages, sondern aus der Datenmenge der Übertragung - üblicherweise kostet eine Bitcoin-Überweisung ein paar Cent.

Afrika zeigt, wohin die Reise geht

Dass Menschen bereit sind, eine neue Technologie wie zum Beispiel Smartphones für Zahlungsvorgänge einzusetzen, beweisen Entwicklungs- und Schwellenländer. In Kenia, wo nur wenige Menschen ein Bankkonto und eine Kreditkarte haben und auch die Verfügbarkeit von Geldautomaten stark eingeschränkt ist, hat sich seit 2007 in rasantem Tempo der M-Pesa als Zahlungsmittel durchgesetzt. 17 Millionen Menschen nutzen das digitale Geld, das sind 80 Prozent aller Mobilfunk-Kunden Kenias. Sie verschicken Geld direkt von Handy zu Handy. In anderen afrikanischen Staaten, außerdem in Afghanistan, Indien, Rumänien und Albanien wurde der M-Pesa in den letzten zwei Jahren ebenfalls eingeführt. Der Nachteil an diesem digitalen Geld: Sein Netzwerk wird betrieben vom Telekom-Betreiber Vodafone, ist also zentralisiert. Blockchain-Netzwerke wie Bitcoin sind dezentralisiert, sie werden nicht von einer Firma kontrolliert. Das Beispiel M-Pesa beweist aber eindrucksvoll, dass die Menschen in Schwellenländern nicht nur bereit sind mit dem Mobiltelefon zu bezahlen, sondern auch, dass sie eine rein digitale Währung akzeptieren - der M-Pesa existiert in Kenia heute parallel neben dem Shilling.

Digitales Geld bietet nicht nur die Chance, jenen fünf Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu Finanzinstitutionen haben, die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Es kann eine Maßnahme beschleunigen, die wir in einigen Jahrzehnten als so wichtig betrachten werden wie heute die Trennung von Kirche und Staat: Die Trennung von Geld und Staat. Nicht nur der Bankomat ist ein Auslaufmodell, sondern auch die Banknote mit einer Nationalflagge darauf. Kryptowährung ist weltweit und staatenlos, und es ist keine Frage, ob sie sich durchsetzt, sondern ob das so schnell geschehen wird wie im Fall von E-Mail, SMS und M-Pesa.