Erstellt am: 13. 7. 2016 - 11:51 Uhr
Full Hit of Summer Rain
FM4 Festivalradio
Die besten Open-Air-Konzerte, die schönsten Live-Gigs. So schaut dein Musiksommer aus.
Was am Nachmittag mit einem Anton Bruckner Streichquintett begann, endete mit großem Karacho, Farbexplosionen und einem zerfetzten Geigenbogen von Jónsi, seines Zeichens Engelsstimme vom Dienst bei Sigur Rós. Es war ein urbanes Eintages-Festival mit hochkarätigem Programm, eine Zusammenarbeit vom Posthof Linz (der war für den Zusatz „Ahoi“ zuständig) und dem „Full Hit of Summer Festival“, das letztes Jahr in der Wiener Arena zum ersten Mal stattfand.
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Neben dem erwähnten Streichquintett und dem Elektro-Pop von Poliça stand der isländische Singer Songwriter Ásgeir auf der Freiluftbühne an der Linzer Donaulände, genau zwischen Lentos-Museum und Brucknerhaus mit Blick auf Donau und Urfahr - BesucherInnen der FM4 Bühne am Linzfest (R.I.P.) kennen das Gelände und seine Vorzüge als chillige Openair-Location schon länger. Diesmal musste zwar Eintritt bezahlt werden, was aber auch kein Hindernis war. Das Ahoi! Full Hit Of Summer Festival war schon seit Wochen restlos ausverkauft.
Man könnte jetzt so tun, als wäre so ein Festival auch ohne Wetterbericht denkbar. Aber dann kommt der sogenannte Starkregen über Linz und damit ist Schluss mit dem gepflegtem Rumlungern im Sonnenuntergang, in der Bierschlange stehen oder zum Konsens-Indiepop von Ásgeir mitwippen. Der isländische Musiker entpuppte sich live als Charmebolzen mit schönem Falsett. Es war ja insgesamt ein Abend der hohen Männerstimmen. Mal mehr oder weniger geknödelt, aber immer als „sensibel“ lesbar, fast ein anti-rockistisches Statement dieses Full Hit of Summer. Auch wenn es weiter hinten im Line Up noch ganz schön krachig wurde.
Vor dem Auftritt von Beirut wurde dann die Durchsage gemacht, dass vielleicht bald alle das Festivalgelände räumen müssten, ein Gewitter sei im Anmarsch, und aus Sicherheitsgründen... Aber es blieb dann gottseidank bei ein paar entfernt den Himmel erleuchtenden Blitzen, dafür setzte dann während des Auftritts von Beirut der Regen ein. Starkregen besser gesagt. Immerhin war damit zu rechnen gewesen, und so hüllte sich das Publikum frohgemut in die mitgebrachten oder ausgeteilten Regen-Ponchos und feierte weiter mit Zach Condons Combo, die mit ihrer Mischung aus Fantasy-Balkan, Mariachi-Trompeten, melancholischem Indie-Gesang und französischer Folklore nicht nur den Himmel zum weinen brachten.
Vielleicht ist ja Beirut dann doch einen Zacken zu gefällig und zu kalkuliert um wirklich ins Herz zu treffen. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Beirut sind jedenfalls ein recht seltener Gast im hiesigen Konzertgeschehen. Umso dankbarer war das Publikum, das Regenwetter mit dieser fiktiven Musik des Reisenden und Multiinstrumentalisten Zach Condon (Trompete und Ukulele) zu überstehen.
Die ganz große Überwältigungsmaschine haben aber dann erst Sigur Rós angeworfen. Nach einer immer noch regengeplagten Umbaupause (danke Brucknerhaus-Foyer für die Trocknungsmöglichkeit) kamen die Headliner kurz nach 21 Uhr auf die Bühne. Zuerst noch hinter einem LED-Gitter versteckt, präsentierte die mittlerweile auf ein Trio geschrumpfte Post-Rock-Legende zwar wenig richtig neue Musik, dafür aber eine neue Lichtinstallation samt einem Bühnenbild, das auch der Künstlerin Esther Stocker gefallen müsste.
Eine schwarze Stangenkonstruktion diente als Rahmen für Bildwelten aus Zauberwald und Nebel, Berglandschaft und Geäst, ziehen aber auch ins Digital-Abstrakte. Das passt zu der musikalischen Neuausrichtung, die man eventuell aus der aktuellen Single, samt verstörendem Jonas Åkerlund-Video, ableiten kann. Die Reise geht für Sigur Rós offenbar weg von allzu platter Wohlfühl-Isländer-Klischee-Naturmystik hin zu etwas schrofferen Sounds. Das passt vielleicht nicht mehr so gut als bedeutungsschwangere Begleitmusik zu Naturdokus, eröffnet aber neue Möglichkeiten für diese Band, die fast schon erstarrt war in ihren Signature-Sounds.
Auch beim Linzkonzert fehlen der eine oder andere offensichtliche Hit der Band. Selbst wenn das Sigur Rós-Rad nicht völlig neu erfunden wird, bleibt das Gefühl, dass die Band gerade zwischen ihrer großen Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft steckt. Ein neues Album ist angeblich in der Mache, Sigur Rós lassen sich damit jedenfalls Zeit - sie wollen die Songs diesmal auf Tour entwickeln, bevor es ins Studio geht.
Beim Ahoi! Full Hit of Summer auf der Linzer Donaulände hat der Regen schon zu Beginn ihres Auftritts wie durch ein Wunder aufgehört. Seifenblasen wehen vorbei und wenn dann wieder einmal Sound und Licht und Jónsi gleichzeitig in etwas Weißes explodieren, dann denkt man für diesen Moment wieder einmal „woah, oag, genau so, jetzt“. Takk Sigur Rós!